Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 44, Bd. 3, 1884)

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Große Fabrikschornsteine. 
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bderwandelt wird. Als Maßeinheit der Wärme nimmt man ge— 
woͤhnlich die Wärmequantität, welche nöthig ist, um die Tempe— 
hit von einem Pfund Wasser um einen Grad Celsius zu er— 
höhen, und als Einheit der mechanischen Kraft die Kraftmenge, 
welche nöthig ist, um ein Pfund Gewicht einen Fuß hoch zu 
heben. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, daß die 
Leistungsfähigkeit von einer solchen Wärmeeinheit gleich 1390 Kraft— 
Einheiten oder Fußpfunden ist, oder daß 1390 Pfund Gewicht 
bei einem Fall von einem Fuß Höhe eine Wärme-Veistung von 
hien Wärme-Einheit erzeugen können. Ein Pfund Kohle ist bei 
bollständiger Verbrennung im Stande, 7900 Pfund Wasser um einen 
Grad CEelsius zu erhöhen, oder ist 73909 Wärme-Einheiten werth 
und sollte demnach eine mechanische Arbeit von 7900 mal 1391 
der 10,80,000 Fußpfunde leisten können. Eine mechanische 
Leistung von 33, 000 Fußpfunden in der Minute nennen wir eine 
Pferdekraft. Ein Pfund Kohle sollte demnach bei Verbrennung 
in ciner Sekunde 18äνο ο oder 332 Pferdekräfte ergeben, oder 
bei Verbrennung in einer Stunde den sechzigsten Theil davon, 
d. i. 555 Pfkr. Aber was erhalten wir in Wirklichkeit aus der 
Dampfmaschine? Nur 0,4 Pfkr. im besten Falle, trotz aller Fort⸗ 
shritie unserer Technik. Also nur etwa 15 Prozent von der theo— 
cetischen Leistungsfähigkeit; 855 Prozent von dem Werthe der 
Kohle gehen verloren. Die Hälfte des Verlustes wird durch die 
ungenügenden Kesselfenerungen, verschuldet, der Rest durch die 
Dampfinaschine. Bei kleinen Anlagen ist der Nutzeffekt noch ge— 
ringer. 
zates festgestellt, daß die Erde in jeder Minute 2247 Billionen 
Einheiten an Hitze von der Sonne enthält, eine Menge, welche im 
Stande sein würde, 2247 Billionen mal 774 Pfund um einen 
Fuß zu heben. Aber, um faßlicher zu sein, betrachte man nur 
senen Theil der Sonnenhitze, welcher auf den Meeresspiegel fällt, 
und zwar wieder nur den Bruchtheil, welcher zur Verdunstung 
des Wassers dient. 
Die Sonne hebt durchschnittlich in jeder Minute unausgesetzt 
nicht weniger als 2000 Millionen Tonnen Wasser zu einer Höhe 
von Zz3 Meilen, der mittleren Entfernung der Wolken von der 
Erde. 
Um dieses ungeheure Gewicht an Wasser fortwährend zu 
einer Höhe von Z31,, Meilen in der Zeit einer Minute zu heben, 
vürde eine unausgesetzte Thätigkeit von 2,757, 000,000,000 Pferde— 
kraft nöthig sein. 
Wenn es Denjenigen, die an „Sonnen-Maschinen“ glauben, 
gelingen sollte, auch nur den allergeringsten Bruchtheil dieser Kraft— 
fülle auf mechanischem Wege zu verwenden, so würde dieses auf 
dem Gebiete der Industrie dieselbe Revolution hervorrufen wie 
vormals die Dampfmaschine. 
Man glaubt, daß in den Gegenden zwischen 45* nördlicher 
und 450 südlicher Breite auf einer Fläche von 1000 im Quadrat 
etwa 8 Pferdekräfte während des Sonnenscheins gewonnen werden 
können. 
Der Wind wird bereits seit Jahrhunderten mit Erfolg als 
Triebkraft benutzt. Holland besitzt etwa 12,000 Windmühlen, die 
eine Leistung von 100,000 Pferdekräften repräsentiren. Die Wind— 
kraft hat jedoch den Nachtheil, daß sie zu unregelmäßig ist. Ein 
Wind von einer Geschwindigkeit von 3 Meilen per Stunde, oder 
4,40 Fuß per Sekunde, übt einen Druck von etwa 0,4 Pfund auf 
den Quadratfuß aus; ein solcher von 25 Meilen — eine steife 
Brise — einen Druck von 2 bis 3 Pfund, ein Wind von 100 
Meilen per Stunde — ein Orkan — einen von etwa 50 Pfund 
auf den Quadratfuß. 
Kleine Windmühlen sind neuerdings hier zum Wasserpumpen 
recht pppulär geworden. — In den Regionen der regelmäßigen 
Passatwinde ist der Wind eine ziemlich zuverlässige Triebkraft. 
Die Ebbe und Fluth repräsentirt gewaltige Kraft-Entwicke— 
lungen, welche bis jetzt aber noch nirgends für nützliche Arbeiten 
herangezogen wurden. Während die Niveau-Differenzen des 
Meeres an manchen Stellen nur wenige Zoll betragen, steigen sie 
an auderen auf viele Fuß, so z. B. in der Bai von Fundy auf 
70 Fuß. 
In einigen ausnahmsweise günstigen Lokalitäten werden 
zwar mit großem Vortheil Maschinen eingeführt, welche von Ebbe 
bewegt werden, aber die allgemeine Ausnützung dieses unerschöpf⸗ 
lichen, ununterbrochenen Vorraths von Kraft bleibt noch immer zu 
erreichen. 
Die Flüsse und Wasserfälle entwickeln einen großen Reich— 
hum von Kraft in ihren Strömungen und hundert Fabriken an 
den Ufern, unachtsam dieser Thatsache, gebrauchen Dampfkraft. 
däufig trifft man die Ansicht, daß eine Wasserkraft nur dann 
iutzbar zu machen sei, wenn das Wasser mindestens einen Fall 
»on 10* habe. Dem ist nicht so; unsere gewöhnlichen Flüsse 
önnten eine erstaunliche Arbeit verrichten, wenn man dieselben 
nehr beachten würde. 
Die größte Wasserkraft in einem verhältnißmäßig kleinen 
Raum bieten die Niagara-Fälle, welche einen 20 starken und 
1750* breiten Wasserkörper oder etwa zwei Millionen Tonnen pro 
Minute 157 tief herabfallen lassen. 
Es ist unnöthig, die Beispiele über dieses fruchtbare Thema 
der Spekulation zu vermehren; aber hoffentlich geht aus Obigem 
jservor, daß Fragen wie: „Was sollen wir thun, wenn unsere 
kohlenfelder erschöpft sind““ uns keine Furcht zu verursachen 
vrauchen. Denn Jahrhunderte früher, als diese Möglichkeit sich 
derwirklichen wird, hat die Welt kein Bedürfniß mehr nach Kohlen. 
Der große Verlust, welcher beim Verbrennen der festen 
Kohle entsteht, ist der Natur des Brennmaterials zuzuschreiben, 
welches unregelmäßig brennt und dabei einer beständigen Ueber— 
wachung bedarf. 
Die gasförmigen Brennstoffe sind frei von vielen Nachtheilen 
der festen, bedürfen keiner beständigen Ueberwachung, sind leicht 
regulirbar, äußerst bequem und reinlich, sodaß man das Gas den 
Heizstoff der Zukunft genannt hat. Wer Siemen's Regenerativ— 
Sfen kennt, wird die Vortheile dieses Systems zu schätzen wissen 
In unseren Oeldistrikten kommen neben den Oelquellen auch 
natürliche Gasquellen vor, welche ein ausgezeichnetes Brenn— 
material liefern, das anch in jenen Gegenden schon wirklich 
mittelst Rohren in die Häuser für Privat- oder Fabrikzwecke 
gertheilt wird. Dies ist das erste Beispiel einer größeren 
Hasleitungsanlage für Heizzwecke und wird dasselbe jedenfalls 
bald mit künstlichem Gase nachgeahmt werden. Die Vortheile des 
Heizgases vor den Kohlen liegen auf der Hand. Man erzielt eine 
sollkömmene Verbrennung, hat keinen Rauch und keine Asche und 
braucht die Kohlen nicht zu transportiren, das Feuer bedarf keiner 
Ueberwachung und giebt eine gleichmäßige Hitze. Solches Heizgas 
eignet sich auch zum Betriebe für Gasmotoren und für viele 
andere Spezialzwecke, welche sich im Laufe der Zeit dafür finden 
werden. 
Die elektrische Kraftübertragung ist ein anderes wichtiges 
Problem, an welches große Hoffnungen geknüpft werden. Aller— 
dings wird jetzt zur Erzeugung von Elektrizität immer noch die 
so ünökonomische Dampfkraft benntzt, aber zweifellos wird die Zu— 
kunft noch andere Kraftquellen in der Natur auffinden, welche sich 
hierfür verwerthen lassen. Die einfachen Batterien mit Zink ꝛec. 
haben wegen der Kostspieligkeit der dazu gehörigen Stoffe aller 
dings wenig Aussicht auf allgemeine Verwendung. Das Problem 
billiger Elektrizitäts-Erzeugung ist noch nicht als gelöst zu betrach— 
ten, trotz unserer so bewunderungswürdigen Dynamos. Als Kraft— 
quelle wird jetzt doch noch in den meisten Fällen die so unökono— 
mische Dampfmaschine benntzt. Die Kraft der Kohle wird dabei 
zuerst in Wärme, dann in Dampfdruck, dann in mechanische Be— 
wegung und schließlich in Elektrizität umgewandelt. Wir werden 
einen großen Schritt weiter sein, wenn wir erst die Heizkraft der 
Kohle ökonomisch ohne Zwischenstufen direkt in Elektrizitaͤt werden 
verwandeln können. 
Unter den unverwendeten Kräften in der Natur nehmen die 
Sonnenstrahlen, der Ursprung alles Lebens und Schaffens auf 
unserm Planeten, den ersten Rang ein. Die Winde, die atmo— 
sphärischen Niederschläge und Flüsse und der Aufbau des Pflanzen— 
sebens sind die Arbeit der Sonne. Die Kraft der Sonne ist ihre 
strahlende Energie, die leicht erkennbaren Licht- und Wärme— 
strahlen und die schwerer erkennbaren chemischen Strahlen ꝛc. Von 
all' der von der Sonne ausgehenden Enuergie trifft aber auf den 
kleinen Erdball nur zwei Billtonstel, wodon der Meensch übrigeus 
nur einen fast unendlich kleinen Theil indirekt verwerthen kann. 
Die Sonnenstrahlen direkt als Kraftquelle zu verwerthen ist bis 
jetzt noch nicht praktisch gelungen, obgleich Ericsson und andere 
schon wirklich einige Maschinen aufgestellt haben, deren Triebkraft 
die konzentrirte Sonnenwärme ist. Der, französische Physiker 
Pouillet hat mit Hülfe eines äußerst sorgfältig gearbeiteten Appa— 
Große Fabrikschornsteine. 
Einem vor der englischen Gesellschaft der Ingenieure und 
Mechaniker gehaltenen Vortrage des Herrn R. Mi. und P. J. 
Bankroft entnimmt die „Deutsche Bauzeitung“ die nachfolgenden 
Angaben über zwei Fabrikschornsteine von außergewöhnlichen 
Dimensionen. 
Der Schornstein der Gaswerke zu Edinburgh wurde nach 
dem von dem Ingenieur der Gasgesellschaft Marc Taylor unter 
Mitwirkung von Geo. Buchanan und Professor Gordon in Glasgow 
rufgestellten Projekte mit einer Basis aus Bruchstein und einem 
nen Schaft aus Ziegelstein in den folgenden Dimensionen aus— 
geführt:
	        

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