Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 44, Bd. 3, 1884)

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Brief- und Fragekasten. 
die Beleuchtungsapparate aufnehmen. Die Stützen sind reicher 
und zeigen über einer Postamentbildung die bauchige, konsolartige, 
in sich zurückkehrende Linie der deutschen Hochrenaissance. 
Die Wände gliedern sich in drei Zonen: die unterste besteht 
aus einer einfachen Holzvertäfelung mit entsprechendem Kopfglied; 
die darüber liegende Zone zeigt die Aufmalung einer streng styli⸗— 
sirten Draperie mit Bordüre, oberhalb deren sich dann das gesims— 
artig ausgebildete Brett mit den Kleiderhaken befindet. Die 
darüberliegende dritte Zone, welche sich bis zur Decke fortsetzt, 
zeigt auf einem grünlich-weißen kalktonartigen Anstrich launige, 
arabeskenartige Darstellungen, bestehend in Figürchen in der Tracht 
des 15. und 16. Jahrhunderts in Deutschland, Rankenornamenten 
in freier, heiterer Bierstylistik, Delphinen, Krauzschildern, kleinen 
Architekturen und Landschaften, in Thieren, Sprüchen und sousti— 
gen dem köstlichen Humor entspringenden Phantasiegebilden. Glas— 
gemälde mit figürlichen, ornamentalen und typographischen Dar— 
stellungen brechen das einfallende Licht und erzeugen ein trauliches 
Halbdunkel. 
Die künstliche Beleuchtung geschieht durch drei große, Sie— 
mens'sche Regenerativbrenner, welche neben einer außerordentlichen 
Lichtfülle zugleich eine angenehme, wenn auch lange nicht aus— 
reichende Ventilation gewähren. Der Ueberbau des Büffets dieses 
Ranmes wird durch hermenartige Stützen getragen und reicht bis 
unter die Decke; in einer gewissen Höhe verbreitert sich die Stütze 
durch sich anschmiegende konsolartige Ausbildungen, welche zugleich 
die innern Silhouetten weicher erscheinen lassen Nach Durch— 
schreitung des Biersaals gelangt man durch einen Vorraum mit 
Treppe, deren Geländer aus ausgeschnittenen Brettungen besteht, 
in die reichere Weinstube, welche sich wieder in zwei Räume theilt. 
Die Holzarchitektur dieser Räume ist eine verhältnißmäßig reichere, 
schon die Decke zeigt einen größeren Reichthum, schmiegt sich jedoch 
in ihrer Gesammttheilung der Deckenbalkenkonstruktion an. Die 
Wände erfahren hier gleichfalls eine Dreitheilung, die unteren 
zwei Drittel bestehen indessen ganz aus Holz, während das obere 
Drittel mit dem Holzgesimsabschluß als geputzte Wandfläche zu 
Tage tritt, auf welcher auf gebrochen blauem Grunde malerische 
Darstellungen in Contourirmanier prangen. Die weit über Manns— 
höhe im Raum herumlaufende Vertäfelung ist derart gegliedert, 
daß auf einem dunkel gebeizten Sockel eine einfache, flache Archi— 
boltenstellung sich aufbaut, deren konstruktiver Theil dunkelgebeizt, 
die Füllungen dagegen im hellen Holztone belassen sind. In der 
Technik der Holzbrandbilder haben diese Füllungstafeln einen 
Schmuck aus Köpfen, Guirlanden und Bändern im Charakter der 
talienischen Hochrenaissance erhalten, welcher Charakter die ganze 
Stube den andern gegenüber in gewissem Grade beeinflußt. Dafür 
spricht auch schon das Palladio-Motivb, welches in reizender An— 
ordnung die Verbindung der beiden ähnlichen Räume herstellt. 
Die auf dunkeln Postamenten aufstehenden Säulen haben helle 
Schäfte, an denen ein eingebautes Pflanzenornament emporsteigt. 
Der den gemalten Friesen der andern Wände an diese Zwischen— 
wand entsprechende Raum wird in durchbrocheuer Weise durch eine 
Deckenreihe gefüllt. 
Die künstliche Beleuchtung erfolgt hier durch vieltheilige, 
ceich geschmiedete Kronen; geheizt werden die Räume durch einen 
grün-glasirten, reich ornamentirten, an den bildlichen Darstellungen 
des oberen Theiles polychrom behandelten Kachelofen. Tische und 
Stühle zeigen eine gefällige Verbindung sparsam auftretender 
Schnitzerei mit Dreharbeit. Die Tischdecken zeigen in einfacher 
Ausstattung harmonische, waschechte Farben und die Trinkgeräthe 
ahmen in den Gläsern die gespponnenen Füße im Guß nach, 
wührend die Fläschchen in altdeutscher Weise mit Puppen ver— 
ziert sind. 
Aus diesen beiden gleich durchgebildeten Räumen tritt man 
durch einen kleinen Büffetraum dann in die letzte Weinstube, welcher 
die Bevölkerung des Waldes ihre Tribute abtreten mußte und 
welche demgemaͤß den Charakter der Jägerstube trägt. Auch dieser 
Raum ist durch zwei Stichbogenöffnungen init schmalem, mittlerem 
Pfeiler in zwei Räume getheilt. Die Architektur ist die verhält— 
nißmäßig einfachste; die Wände theilen sich in eine einfache Ver— 
äfelung und in die obere, im grünlich gelben Kalktone gehaltene, 
geputzte Wandfläche; die Decke 'ist die einfache, dunkle Schaldecke 
mit Deckleisten. Ein mächtiger, breitgelagerter, grüner Kachelofen 
von einfacher Ausbildung soll dem Raume in winterlicher Weile 
Wärme spenden; er dient zugleich in der schweizerischen Auffassung 
zweien Bänken als Rücklehne. Diese Bänke und die Stühle haben 
ꝛin einfaches Holzgefüge und einen bescheidenen Schmuck nur in 
aufgemalten Blumen. Rautenglasfensier mit farbigen Bordüren 
dämpfen das einfallende Tageslicht zu einem angenehmen, feucht— 
fröhlichen Zwielichte. Die freie Ausstattung des Raumes geschieht 
durch das Feldraubgevögel: Bussarde und Eulen in weitem Flügei— 
schlag, dann durch Rehkronen, Hirschgeweihe und ein Krokodll. das 
Wahrzeichen dieses Gambrinus- und Bachustempels. Der ganze 
saum hat ein poetisch, reizend romantisches, malerisches Gepräge, 
wie es die andern Räume in gleicher Weise nicht aufweisen können. 
— 93. 
Paris. Das Pariser Observatorium soll nach dem 
Autrag des Admirals Meuchez eine Filiale außerhalb des großen 
Stadtverkehrs erhalten, in welcher diejenigen Instrumente auf— 
jestellt werden, welche in Folge der Bodenerschütterungen, wie 
ie in einer verkehrsreichen Stadt nicht zu vermeiden sind, genaue 
Zeobachtnugen nicht zulassen. Zuerst hatte Admiral Mouchez die 
vollständige Translocirung der Sternwarte außerhalb des Dunst— 
reises der Stadt Paris beantragt, hat aber diesen Antrag auf 
ie Gegenvorstellungen des Bureau des Longitudes wieder fallen 
gelassen. 
Brief- und Fragekasten. 
Herrn Bauunternehmer A. in Seh. Für ein Wohnhaus von 4 Stock— 
verken müssen die Frontwände in den beiden obersten Stockwerken jen13 
Stein stark, in den beiden darunter besindlichen je? Stein stark, im Erd— 
jeschoß “3 Stein stark und im Kellergeschoß 3 Stein stark werden. Die 
Mittelwände erhalten in allen Stockwerken 13* Stein Stärke, im Erdgeschoß 
Stein und im RKellergeschoß 25 Stein Stärke; die Giebelwände in den 3 
»beren Stockwerken 1 Stein, im Erdgeschoß und 1. Stockwerk je 13 Stein 
ind im Kellergeschoß 2 Stein Stärke. Schwächer als 18 Stein darf keine 
dalkentragende Wand gemacht werden, weniastens wäre dies konstruktiv durch— 
rus falsch. 
Herrn Bautechniker X. in O. Es läßt sich die Frage, wie ein Blitz- 
ibleiter zu konstruiren sei, nicht so allgemein und in der Kürze beantworten, 
wie es der hier verfügbare Raum gestattet. Wir empfehlen Ihnen das Werk: 
Die Konstruktion und Anlegung der Blitzableiter, mit Abbildungen, von 
Dr. Otto Buchner in Gießen; Weimar bei Bernh. Friedr. Voigt. 
Herrn Zimmermeister P. in K. Baugenossenschaften sind Verbindun— 
gen, die auf dem Grundsatz der Selbsthülfe errichtet sind, und zwar von 
neist unbemittelten Leuten zu dem Zweck, sich billige und vorzugsweise für 
hren Bedarf geeignete Wohnungen zu bauen. Der große Werth einer ge— 
unden und angemessenen Wohnung ist heute wohl allgemein anerkannt, ob— 
gleich es noch Wohnungen genug giebt, in denen von einem menschenwür— 
digen Dasein kaum die Rede sein kann. Dies gilt sowohl von den Dörfern 
ils von den Städten, jedoch machen sich die Einflüsse und Nachtheile schlechter 
Vohnungen vorzugsweise in den Städten bemerkbar, wo die Bevölkerung 
iuf einen engeren Raum zusammengedrängt ist, wo Kohlenrauch, verwesende 
Ubfälle aller Art, die Miasmen und Gerüche der Kloaken ꝛc. die Luft ver— 
derben, wo vor allen Dingen die Höhe der Mieihpreise die Lokalitäten für 
den Aufenthalt der Bewohner zu eng bemessen und selbst auf die feuchten 
dellerräume verweisen läßt. Besonders auffallend zeigen sich die Uebelstände 
in den größeren Städten, die als Knotenpunkte der Eisenbahnen schnell zu 
ndustrieller Bedeutung gelangt sind und in denen der Neubau von Woh— 
nungen mit dem Steigen der durch Zuzug stark wachsenden Bevölkerung nicht 
tleichen Schritt hielt. An solchen Orten fehlte es namentlich an den soge— 
iannten Arbeiterwohnungen, an den Wohnungen für die unbemittelten 
tlassen derart, daß nicht selten die kleinsten als Wohnungen kaum zu be— 
rutzenden, ungesunden Räume zu sehr hohen Preisen angeboten und gemiethet 
vurden. In der Regel wurde durch die erlangte hohe Rente die Bauspeku— 
ation geweckt, es entstanden neue Straßen und zeitweilig überschritten wie— 
»erum die Reubauten das momentane Bedürfniß, so daß für mehrere Jahre 
leberfluß an Wohnungen vorhanden war. Turch diesen Wechsel von Woh— 
ruungsnoth und Wohnungsüberfluß, von hohen und niedrigen Miethpreisen, 
»er sich mit einer gewissen Regelmäßigkeit nach Ablauf einiger Jahre wieder— 
jolt, reguliren sich allerdings schlieklich Angebot und Nachirage von Woh— 
iungen von selbst, so daß die Bildung von besonderen Gesellschaften für den 
Bau eigener Wohnungen für überhaupt unnöthig und nur in solchen Zeiten 
eboten erscheinen könnte, in denen zeitweilig Uangel an Wohnungen vor— 
sanden ist. So richtig dies auch sein mag, so ist doch nicht außer Acht zu 
assen, daß die Bauspekulation ihr Augenmerk auf die Herstellung theuerer 
Vohnungen für die besser situirten Klassen oder auf die Errichtung soge— 
iannter Miethskasernen richtet, in welchen eine möglichst große Anzahl von 
Familien auf sehr beschränktem Raume und mit möglichst wenig Komfort 
intergebracht werden. Die Baugenossenschaften richten nun natürlich ihr 
lugenmerk darauf, diesen Uebelständen entgegen zu arbeiten; sie sollen also 
eine Miethskasernen bauen, sondern ihren Mitgliedern womöglich ein eigenes 
daus zum Alleinbewohnen verschaffen, das mit einem Garten umgeben und 
nit dem in gesundheitlicher Beziehung nöthigen Komfort versehen ist. 
Herrn Zimmermeister SBehr. in 3. Wenden Sie sich an das Dampf— 
ige- und Hobelwerk von F. A. Schlieker in Dülmen, Westfalen, dasselbe 
vird Ihrem Wunsche bestimmt nachkommen können und Ihnen auch genaue 
zreisnotirung übermitteln. 
Herrn Architekt P. in Fr. Sie werden genaue Auskunft brieflich er⸗— 
salten, da die Beantwortung Ihrer Anfrage an dieser Stelle unthunlich ist. 
Herrn Maurermeister E. in B. Es dürfte Ihnen kaum zum Vortheil 
gereichen, wenn wir Ihrem Wunsche im Brief- und Fragekasten nachkämen; 
iußerdem ist derselbe wohl nicht der geeignete Ort dazu. Wir können Ihnen 
nur rathen den Inseratentheil für Ihr Anliegen zu benutzen, da nach unserer 
leberzeugung dies der einzige Weg ist, Ihr Ziel erreichen zu können, wenn 
s überhaupt zu erreichen ist. J 
Herrn Maurermeister Fr. B. in A. Die gewünschten Farben können 
Sie beziehen von E. A. Lindner, Berlin C. Prenzlauerstraße 20. Sie werden 
von dieser Firma reell und gut bedient. 
Die geehrten Leser uunseres Blattes bitten wir, den Brief- und Frage— 
tasten in ausgedehnter Weise benutzen zu wollen, jedoch können nur solche 
Fragen von Abonnenten Beantwortung finden, welche an uns mit An— 
jabe der vollen Adresse gestellt werden. Die Antwort erfolgt stets unter 
Thiffre, im Falle dieselbe aber zu umfangreich ausfallen sollte, auch brieflich. 
Die Redaktion—
	        

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