Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 44, Bd. 3, 1884)

Ueber Oelgasanlagen. — Zum Submissionswesen. 
Ueber Oelgasanlagen. 
(Mit einer Figur.) 
Bei der in heutiger Zeit zu immer größerer Vollendung und 
Ausdehnung gelangenden elektrischen Beleuchtung möchte es bei— 
iahe als ein gewagtes Unternehmen erscheinen, eine andere Be— 
euchtungsart zu besprechen resp. zu empfehlen, weunn wir nicht 
der Ueberzeugung wären, daß die Oelgasbeleuchtung für sehr viele 
zewerbliche Aulagen bedeutend billiger und mindestens ebenso 
zweckmäßig wäre, als andere Beleuchtungsarten. 
Im Folgenden werden wir deshalb eine Oelgasanlage näher 
heschreiben, wie sie von der Firma R. Drescher in Chemnitz 
in Sachsen hergestellt wird. Dieselbe — wie sie in der beigege— 
henen Figur verauschaulicht ist — zerfällt in drei Haupttheile. 
1. Die Anlage zur Bereitung des Gases, der Retortenofen. 
2. Die Anlage zur Reinigung des Gases, die Reinigungsapparate. 
3. Die Anlage zur Speicherung des Gases, der Gasbehälter. 
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Das Bassin ist stets mit Wasser gefüllt, über das die gewöhnlich 
nebeneinander liegenden gußeisernen Ein- und Ausgangsrohre 
reichen. Je nachdem die Glocke mit mehr oder weniger Gas ge— 
füllt ist, steigt oder fällt diese im Bassin, und es vertritt der Gas— 
dehälter gewissermaßen die Vorrathskammer für das bereitete Gas, 
ehe es durch das Ausgangsrohr zur Kousumstelle geführt wird. 
Vor Allem hat die Beleuchtung mit Oelgas noch den Vor— 
theil, daß Verdichtungen in den Rohrleitungen selbst bei der größten 
Kälte nicht vorkommen, während bei Steinkohlengas derartige 
Betriebsstörungen nicht zu den Seltenheiten gehören. Das mit 
den Drescher'schen Oelgas-Anlagen erzeugte Gas ist frei von 
viderlichen Verbrennungsprodukten, ammonikalischen und schwefel— 
jaltigen Beimischungen, es enthält keine Kohlensäure, keine Kohlen— 
»xydgase, keine Luft ꝛc, womit gewöhnliche Leuchtgase stets ver— 
Anreinigt sind, und verbrennt mit brillant weißer Flamme. 
Da sich nun die Anlagen einer Oelgasaustalt durch die er— 
möglichte Anwendung kleinerer und nicht komplizirter Apparate 
bedeutend billiger und nicht halb so hoch als die für Steinkohlen— 
Jasanstalten stellen, so ist wohl einleuchtend, daß diese Art, um 
Fabriken zu erleuchten, sehr empfehlenswerth ist. Ganz verschie— 
denartige Fabriken, der Textilindustrie, der Papiererzeugung, 
chemische Etablissements, Brauereien und Mälzereien, Zuckerfabriken, 
Raffinerien ꝛc. haben sich mit dem größten Erfolge des Oelgases 
bedient und ist aus persönlich gewonnener Ueberzeugung diese 
Beleuchtungsart für gewerbliche Etablissements eine durchaus zweck— 
mäßige. So können z. B in Fabriken die Retortenöfen kleinerer 
Anlagen — bis zu 300 Flammen ca. — oft in schon bestehenden 
Kesselhäusern ein- oder angebaut werden, und zwar unter Be— 
nutzung des vorhandenen Schornsteins. Die Bedienung der Ap— 
parate selbst kann ihrer Leichtigkeit und Einfachheit wegen von 
dem vorhandenen Feuermann mit besorgt werden u. s. w. 
Es kostet für ca. 10 -12 Normalkerzen Leuchtkraft, repartirt 
nuf die Flamme und Stunde, Steinkohlengas bei ca. 130 Liter 
Konsum 2,6 Pf., Oelgas bei 35 Liter, also dem höchsten Konsum 
für diese Leuchtkraft, einschließlich Amortisation und Verzinsung 
der Anlage 1,645 Pf. pro Stunde. 
Wenn wir nun auch keineswegs behaupten wollen, daß die 
Delgasbeleuchtung im Stande sei, die Entwickelung der elektrischen 
Beleuchtung irgendwie zu beeinflussen, so glauben wir doch im 
Vorstehenden dargethan zu haben, daß für gewerbliche Etablisse— 
ments, denen nicht allein die elektrische Beleuchtung, sondern auch 
ine Steinkohlengas-Anlage zu theuer zu stehen käme, in dem 
Oelgas eine Beleuchtungsart geboten ist, die allen gerechtfertigten 
Ansprüchen nach jeder Richtung genügen dürfte. 
Ueber die Anlage selbst und die Höhe der Kosten in jedem 
inzelnen Falle giebt die Firma R. Drescher in Chemnitz in 
Zachsen bereitwillig jede gewünschte Auskunft. —r. 
In der Abbildung befindet sich rechts der Gasbehälter, links 
er Retortenofen und in der Mitte liegen die Reiniguugsapparate. 
Der Retortenofen zur Gasbereitung besteht aus einer oder 
nehreren gußeisernen Retorten, welche in einer Feuerungsanlage 
ingemauert und mit Röhren zur Ueberführung des bereiteten 
Hases versehen sind. Die Retorten selbst werden üach ihrer Form 
zesp. Einmauerung in stehende und liegende Retorten eingetheilt. 
Die ersteren sind meist gußeiserne kegelförmige Rohre von mehr 
— VV 
Form kreisförmig in zylindrischer Längenausdehnung ist; neuere 
Formen haben halbrunden und elliptischen Querschnitt, bei eben— 
alls zylindrischer Längenausdehnung. 
Die Bereitung des Gases erfolgt in der Art, daß in die 
irschroth erhitzte Retorte, welche vorn am Kopfe verschraubt ist, 
ius dem auf dem Ofen befindlichen Kübel durch ein Trompeten— 
rohr Oel in die Retorte tropfenweise eingeführt wird, welches sich 
ofort in Gas zersetzt. Das Gas gelangt dann durch ein anderes 
Rohr in die auf dem Ofen befindliche Theervorlage, welche den 
Zweck hat, die erzeugten Gase der verschiedenen Retorten eines 
Ofensystems zu sammeln und dann gemeinschaftlich nach den Rei— 
nigungsapparaten zu leiten. Diese Reinigungsapparate bestehen 
hei kleineren Anlagen aus Skrubber und Reiniger, bei größeren 
ommt noch ein Kondensator hinzu. Der letztere hat den Zweck, 
das Gas abzukühlen, in ihm enthaltene Theere zu verdichten und 
iuszuscheiden; er wird aus Gußeisen oder Blech gefertigt. 
Der im Kondensator sich bildende Theer wird duͤrch geson— 
derte Sförmige Rohre abgeführt, damit kein Gas mit austreten 
'ann. Vom Kondensator gelangt nun das gekühlte Gas nach dem 
Skrubber, einem mit Koaks gefüllten Blechzylinder, der im unteren 
Theil in einem Wasserkasten steht. Damit das Gas nicht aus— 
reten kann, ist der Skrubber oben von einer Glocke, die ebenfalls 
in Wasser taucht, abgeschlossen. Das Gas tritt durch das Rohr 
in den Skrubber, taucht unter eine im Skrubber befindliche Rohr— 
jaube durch das im Skrubberuntersatze vorhandene Wasser und 
geht durch die im Zylinder befindlichen Koaksstücken, deren scharfe 
danten, die noch im Gase enthaltenen Theerstückchen zerreiben, 
sondensiren und durch ihre poröse Eigenschaft aufsaugen. Nach 
Passirung der Koaksschicht wird nunmehr das Gas durch ein an— 
deres am Skrubber befindliches Rohr nach dem Reiniger geleitet, 
der, wenn man den vorherigen Theil der Reinigung den mecha— 
aischen nennt, die chemische Reinigung genannt werden kann. 
Der Reiniger, ein Kasten von Gußeisen oder Blech, mit 
ziner durch Wasser dichtenden Decke, enthält mehrere oder auch 
nur eine Horde, auf welcher Reinigungsmasse — meist ein Ge— 
nisch von Kalk, Eisenvitriol und Sägespähnen — euigeschüttet ist. 
Durch diese Reinigungsmasse gehend, tritt das nunmehr brenn— 
ertige Gas durch den Hahn — siehe die Abbildung — in ein 
Rohrsystem, welches es nach dem Gasbehälter leitet. Dieser Gas— 
»ehälter, eine zylindrische Blechglocke mit oben luftdichter Decke, 
chwimmt in einem wasserdichten Bassin, an dessen Wänden und 
auf diesen aufgestellten Säulen die Glocke durch Rollen geführt wird. 
Zum Submissionswesen. 
Aus München schreibt uns unser dortiger Korrespondent: 
Es ist sehr bezeichnend für die Lage hiesiger Baugewerbe, 
»aß trotz aller traurigen Erfahrung, welche schon viele Gewerbs— 
neister bei Submissionsarbeiten gemacht haben, immer wieder die 
Erscheinung zu Tage tritt, daß auf dieselbe ganz unvernünftige 
Abgebote gemacht werden; so hat bei der kürzlich ausgeschriebenen 
Arbeitsvergebung für die neu zu erbauende Fleischhalle ein Klempner— 
neister 30 pCt. bei dem Voranschlag für die Dachdeckungsarbeiten 
rachzulassen erklärt und müßte nun derselbe, da nach genauer 
Berechnung der Qu.-Meter Zinkblech von der vorgeschriebenen 
Stärke auf 3,20 M., die hierzu benöthigten Holzleisten, Nägel und 
daften auf 40 Pf., der Qu.⸗Meter fertige Dachung ohne Arbeits— 
ohn also auf 3,60 M. zu stehen kommt, im betreffenden Falle 
yro Qu.Meter noch 10 Pf. für das Material aus eigenen Mitteln 
ulegen, die Arbeit aber überdies umsonst machen. Derartige 
Vorkommnisse zeigen aber entweder von vollständiger Geschäfts— 
inkenntniß einer Anzahl unter den gegenwärtigen Gesetzen selbst— 
tändig auftretender Facharbeiter oder von einer absichtlichen Fri— 
»olität gegen die doch auch von Technikern aufgestellten, amtlichen 
Voranschläge und sehen fich die betreffenden Behörden veranlaßt, 
das Prinzip der Submission zu verlassen und, um richtige Arbeit 
zu erhalten und nicht selbst in finanziellen Schaden zu kommen, 
hne Rücksicht auf die Abgebote, die Arbeiten nur an ihnen be— 
annte Meister zu vergeben“ In Rüchksicht dessen ist die Bildung 
»on Innungen nur von Vortheil, wofern die Mitglieder derselben 
»s sich zur Aufgabe machen, solch' unvernünftigem Vorgehen, 
velches nur schädigend auf jedes Geschäft wirken muß, zunächst 
elehrend entgegenzutreten und wenn dieses nicht genügen sollte, 
iese sinnlosen Arbeitsjäger von der Liste der selbständigen Meister 
uu streichen, denn binnen Kurzem werden sie sonst als abgewirth— 
hhaftet den öffentlichen oder privaten Unterstützungskassen zur Last
	        

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