Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 44, Bd. 3, 1884)

deber die Ziele der Gewerbe- und Volksbildungsvereine. — BVilla in Kruscy. 
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Ueber die Fiele 
der Gewerbe- und Volksbildungs Vereine. 
zu wählen: ganz entschieden muß davor gewarnt werden, das 
Kolk mit wissenschaftlichen Problemen oder Streitfragen zu unter— 
halten. Ueberhaupt sind wissenschaftliche Vorträge so populär zu 
halten, daß sie unmöglich mißverstauden werden, am allerwenigsten 
aber geeignet sein können, im Volke falsche Begriffe und irrige 
Ansichten zu erzeugen. 
Für die Bibliotheken und Lesezimmer der Volksbildungs— 
dereine ist auf die Auswahl der für dieselben bestimmten Bücher 
und Zeitschriften die größte Sorgfalt zu verwenden. 
Was die zur Unterhaltung dienenden Schriften anlangt, so 
erfüllen wohl diejenigen ihren Zweck am besten, die leicht ver— 
ständlich und interessaut gehalten sind; Erzählungen dürfen nicht 
zu lang, müssen aber trotzdem spannend geschrieben sein. 
Die Hauptschwierigkeit, welche bei Volksbildungsvereinen am 
ichwersten zu beseitigen ist, liegt eriahrungsmäßig darin, daß gerade 
diejenigen Elemente aus dem Volke, für welche jene Vereine 
hauptsaͤchlich gegründet werden, schwer dahin zu bringen sind, die 
Brreinsversammlungen dauernd zu besuchen. 
Es giebt nun zwar kein sicheres Mittel, diesem Uebelstande 
abhelfen zu können, trotzdem darf man nicht aufhören, auf Mittel 
und Wege zu sinnen, welche die sozialen Beschwerden, wenn auch 
nicht heilen, so doch lindern können. 
Wir haben oben gesagt, daß die Volksbildungsvereine sich 
die Aufgabe stellen sollen, Liebe und Achtung im Volke gegen die 
ganze menschliche Gesellschaft zu verbreiten und zu unterhalten, 
owie den Klassenhaß zu sühnen. Soll dies gescheben, so muß die 
dand zur Versöhnung von einer Seite zuerst geboten werden, und 
man sollte meinen, daß es der Partei der Stärkeren und Ge— 
bildeteren wohl anstehen dürfte, die Hand zu diesem Frieden zu 
hieten. Will man dies, dann müßten Prinzipale, Herrschaften und 
Arbeitgeber ihr Dienst- und Arbeiterpersonal auf gütlichem Wege 
zu bestimmen suchen, sich für die Volksbildungsvereine zu interessiren. 
Es wird dies aller Voraussicht nach nicht mit einem Male 
gelingen, gar Viele werden sich dem widersetzen, allein die Ge— 
jildeten dürfen deshalb nicht gleich müde werden, sondern müssen 
hre desfallsigen Bemühungen geduldig fortsetzen und zu diesem 
zwecke die Gründe zu erforschen suchen, aus welchen Einzelne ihre 
Theilnahme an dem Vereine versagen. Hat man dies aber erreicht, 
o werden doch vielleicht die vorgebrachten Gründe durch gute 
Begengründe entkräftet und auf diese Weise wenigstens ein theil— 
weiser Erfolg erzielt werden können. 
Hiermit schließen wir unsere Betrachtung über die Gewerbe— 
und Volksbildungsvereine und bemerken nur noch, daß wir dieselbe 
zemeinschaftlich vorgenommen haben, weil wir der Ansicht sind, 
saß sich beide Vereine eines und desselben Ortes wesentlich gegen— 
eitig in ihren Bestrebungen ergänzen können, daz Beide dasselbe 
Ziel verfolgen, größere Klassen der menschlichen Gesellschaft auf der 
Zöhe der Zeit zu erhalten und daß beide Vereine keine Sonder— 
interessen einzelner Mitglieder, sondern nur das Allgemeinwohl 
der menschlichen Gesellschaft im Auge haben. Das Letztere besonders 
ist bei vielen anderen Vereinigungen, die auch in neuerer Zeit 
auftauchen, leider nicht der Fall; aber gerade deshalb sind wir der 
lleberzeugung, daß den Gewerbe- und Volksbildungsvereinen, 
velche das Allgemeinwohl auf ihre Fahne geschrieben haben, die 
Zukunft gehört, denn ieder selbstsüchtige Zweck liegt ihnen voll— 
tändig fern. p. 
Villa in Kruscy. 
Hierzu 13 Figuren.) 
Die in den beifolgenden Figuren dargestellte Villa ist als 
Anbau zu einem vorhaudenen Wohn- und Wirthschafts-Gebäude 
auusgeführt, an dessen linken Giebel sie anschließt. Von der Anlage 
einer Küche wurde Abstand genommen, weil dieselbe im alten 
dause in auskömmlicher Weise vorhanden war. Aus diesem Grunde 
nußte aber im rechten Giebel der neuen Villa eine Verbindung 
nit dem alten Hause hergestellt werden, welche jedoch in den bei— 
gefügten Zeichnungen nicht angegeben ist. 
Das Kellergeschoß ist durchweg mit böhmischen Kappen zwi— 
chen Gurtbögen, nur im hinteren Raume links zwischen eisernen 
Trägern ausgeführt. Die Grundriß-Disposition ist auf Grund der 
Angaben des Besitzers derartig ausgeführt, daß im Erdgeschoß nur 
1größere Räume — Wohnzimmer, Speisezimmer, Gartenzimmer 
und Salon — mit dazwischen liegendem großen Korridor, welcher 
durch eine Glasthür mit einem kleinen, durch ein Kreuzgewölbe 
iberdeckten Vestibül in Verbindung steht, angelegt wurden. Aus 
dem Gartenzimmer führt eine breite bequeme Freitreppe mit gro— 
zem Podest in den Garten, während der Salon mit einer Loggia 
nach dem Garten zu versehen ist. 
Das Kellergeschoß wird außer einem Weinkeller nur zu Wirth— 
schaftszwecken benutzt. 
Gehen wir nun zu den Volksbildungsvereinen über, 
so tritt uns zwar eine nahe Verwandtschaft derfelben mit den Ge— 
verbevereinen unverkennbar entgegen, allein wenn wir auf das 
Wesen der ersteren genauer eingehen, so finden wir doch, daß sie 
rücksichtlich ihrer Ziele sowohl, als in Hinsicht auf ihré Leitung, 
iich von den letzteren wesentlich unterscheiden. 
Außer den Zielen der Gewerbevereine ist bei den Volks— 
bildungsvereinen hauptsächlich das Augenmerk auf Hebung des 
allgemeinen Bildungsständes gerichtet. 
Zu Vorsitzenden dieser Vereine sind genau so ehrenhafte 
Männer, wie diejenigen, welche die Gewerbevereine leiten, zu 
empfehlen, nur ist ihnen noch außerdem ein gewisses pädagogisches 
Talent zu wünschen. 
Weun schon der Name „Volksbildungsverein“ unzweideutig 
)en Zweck derselben ausdrückt, so ist es doch nöthig, die Methode 
owohl, wie den Grad der beabsichtigten Bildung des Volkes 
etwas näher ins Auge zu fassen. 
Die Träger der Volksbildungsvereine suchen nicht nur geistiges 
Leben in den ünteren Volksschichten zu erwecken und zu nähren, 
ondern sie streben auch danach, das Volk über die veischiedensten 
Dinge und Erscheinungen der Welt aufzuklären. 
Dabei ist im Allgemeinen die Absicht darauf gerichtet, nicht 
nur das Volk mit Hülfe der Wissenschaft von Aberglauben und 
underen irrigen Meinungen frei zu machen, sondern auch die 
Ueberhandnahme schädlicher Irrlehrsen möglichst zu verhüten. 
Nächstdem bezwecken die Vorträge und Voͤrlesungen solcher 
Bereine, im Volke Liebe und Achtung gegen die ganze menschliche 
Besellschaft zu verbreiten und zu erhälten und den Klassenhaß, der 
ich zum großen Theile in dasselbe eingedrängt hat, zu sühnen. 
Ferner sucht, man sittlich-religiöse Keime im Herzen des 
Bolkes groß zu ziehen, dagegen Abscheu vor Laster und Verbrechen 
»inzuflößen. Ebenso ist man beflissen, Achtung vor Gesetz und 
Religion zu nähren, den kirchlichen Sinn zu heben und die christ— 
iche Liebe zu pflegen. 
Alsdann eröffnet sich diesen Vereinen insofern ein großes 
Feld ihrer Thätigkeit, als sie die Nothwendigkeit der mensch— 
ichen Arbeit, den Werth und den Segen derselben gehörig be— 
euchten. Desgleichen werden Vorträge über Gesundheitspflege 
ind nützliche Haus- und Wirhschaftssachen gehalten, und lassen es 
ich die Vereine angelegen sein, gesunde volkswirthschaftliche Grund— 
ätze dem Volke einzuflößen und den großen Nutzen des Versiche— 
rungswesens in das rechte Licht zu setzen. 
Wenn wir hiermit in gedrängter Kürze die großen und 
vichtigen Ziele angedeutet haben, welche zu erreichen Aufgabe der 
Volksbildungsvereine ist, so mag doch noch darauf aufmerksam 
n werden, was solche Vereine möglichst zu vermeiden suchen 
nüssen. 
Hierbei ist es das oben bereits erwähnte pädagogische Talent, 
welches dem Vorsitzenden eigen sein soll, das zuerst in Frage 
'ommt, und mit Hülfe dessen er die geistige Nahrung, welche dem 
Volke vorgesetzt werden soll, sehr sorgfältig zu prüfen hat, während 
den Vortragenden ein gewisser Takt empfohlen sein mag, der sich 
nicht kennzeichnen, sondern nur fühlen läßt. 
Während in den Gewerbevereinen selbst sehr herbe Wahr—⸗ 
heiten in der Regel dankbar aufgenommen zu werden pflegen, 
nüssen in dieser Hinsicht in den Vorträgen der Volksbildungs⸗ 
»ereine große Rücksichten geübt und namentlich Auslassungen ver— 
mieden werden, welche irgendwie verletzen könnten. 
Die Vorträge müssen sogar so rücksichtsvoll gehalten werden, 
daß sie keine Versiöße gegen harmlose Gebräuche, Lebensgewohn— 
yeiten des Volkes, sowie gegen die Eigenthümlichkeiten, die gewisser 
nmaßeu einen poetischen Zauber auf das Volk ausüben, enthalten 
Außerdem darf auch das Volk aus seinem Gemüthsleben nicht 
jerausgerissen, nicht modernisirt oder gedrillt werden. 
Selbstredend muß in Sachen der Religion die höchste Toleranz 
zeübt und Alles vermieden werden, was religiösen Parteihaß oder 
religiösen Fanatismus erregen könnte. Auch darf bei religiösen 
Betrachtungen keine orthodore oder pietistische Richtung erkennbar 
verden, sondern der Vortragende muß bestrebt sein, sich auf einem 
nöglichst freien Boden zu bewegen. 
In sittlicher Beziehung darf das Volk nicht mit Vorwürfen 
heleidigt werden, sondern es wird besser sein, wenn ihm auf der 
einen Seite sittlich reine Spiegelbilder vorgehalten, auf der anderen 
Seite Beispiele über die Folgen sittlicher Verkommenheit vor die 
Seele geführt werden. 
Bei wissenschaftlichen Vorträgen dürfte es sich empfehlen, 
iur hinsichtlich ihrer Fundamentalsätze völlig unbestrittene Themata
	        
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