85
Technik und Techniker in Schweden.
586
worden sind. Desgleichen leiten sie mit Zustimmung ihrer vor—
zesetzten Behörde die Arbeitsausführuag. Des weiteren gehören
dem Korps noch eine Anzahl Ingenieur-Offiziere höheren und
niederen Grades an, unter denen drei auf der Centralstelle als
Hülfsarbeiter fungiren, sechs als Adjunkte den Distriktschefs bei
der Kontrole der Arbeiten und den Korporationen und Gemeinden
hei Vorarbeiten zur Hand gehen, während die übrigen zur Leitung
yon Bauten verwandt werden. Die Offiziere des Wege- und
Wasserbaukorps können erforderlichenfalls zur Dienstleistung in
der Armee einberufen werden. Das Gehalt der Lieutenants, Ka—
pitäne und Majore beträgt einschließlich der Dienstaufwandsgelder
3375 5063 M. Nur solche, welche einen technisch-militärischen
Kursus und eine zweijährige praktische Thätigkeit durchgemacht
haben, werden in das Korps aufgenommen. Mit einem Alter
von 65 Jahren und nach 35 Dienstjahren sind die Offiziere ver—
aflichtet, ihren Abschied zu nehmen. Sie erhalten dann ihr volles
Behalt als Pension, trotzdem sie keine Abgabe zur Pensionskasse
zu entrichten haben.
Die Leitung der Staatsbahnen, deren Länge 1880 1952 km
vetrug, liegt in Händen eines technisch gebildeten Chefs, der den
Titel Generaldirektor führt und dem für den Verkehr, für das
Maschinenwesen und für die Bahnunterhaltung je ein Oberdirektor
uinterstehen. Beim Staatseisenbahnbau finden wir die Distrikts—
Ingenieure mit einem Einkommen von 60975 - 10125 M., die
Stations-Ingenieure mit 3375—6750 M. und die Büreau⸗-In—
genieure mit 1690-4720 M., außerdem freie Wohnung oder ent—
prechende Wohnungsgeldzulage. Beim Betriebe der Staatsbahnen
ind sechs Bahndirektoren mit 3375—4725 M. und zwanzig Bahn—
Ingenieure mit 13500— 4050 M. Gehalt beschäftigt. Die Privat—
»ahnen zählen 56 Betriebschefs (Prafik chefers. Um als Bahn—
Ingenieur angenommen zu werden, muß der Ansuchende die tech—
rische Hochschule absolvirt und eine praktische Lehrzeit bestanden
haben.
Auch bei der Marine finden wir ein Korps von Staats-
Ingenieuren, denen der Bau und die Unterhaltung der Kriegs—
chiffe und der Maschinen, die Anlage und die Instandhaltung der
Werkstätten und mechanischen Einrichtungen an den Flottenstationen
owie der Bau und die bauliche Unterhaltung der Docks, Brücken
1. s. w. obliegt. Das Korps besteht aus einem Oberdirektor mit
»em Rang eines Obersten, der zugleich Chef der Ingenieur-Ab—
heilung der königlichen Marineverwaltung ist, zwei Direktoren
Oberstlientenants) sowie einer Anzahl von Ingenieuren und Bau—
neistern. Die Marine-Ingenieure müssen auf der technischen
Hochschule das Abgangsexamen im Maschinenbau und der mecha—
uüschen Technologie bestanden, sich auf der Lehranstalt für Marine—
Ingenieure gute Kenntuisse in der Schiffsbaukuust erworben und
zwei Jahre auf einer Werft oder mechanischen Werkstätte praktisch
m Schiffbau beschäftigt gewesen sein. Als Baumeister bei der
Marine wird nur derjenige zugelassen, welcher ein Abgangszeugniß
don der technischen Hochschule besitzt und zehn Jahre als Civil—
Ingenieur thätig gewesen ist. Das Gehalt einschließlich der Dienst—
qufwandgelder beträgt für den Oberdirektor 10100 - 10700 M.,
für die Direktoren 6750 7300 M., für die Ingenieure und Bau—
meister 45000 - 5600 M. Die Beamten sind verpflichtet, in einem
Alter von 538263 Jahren und nach 30 Dienstjahren den Ab—
schied zu nehmen. Sie erhalten 75—80 pCt. ihres Gehaltes als
Pension.
Hier sind auch noch die „Fyringeniörer“ — wörtlich „Leucht—
hurm-Ingenieure“ — zu erwähnen, denen der Bau und die
Unterhaltuüng sowie die Aufsicht der Leuchtthürme des Reiches an—
dertraut ist. Das Korps besteht aus einem Ober—-, einem ersten
und drei gewöhnlichen Ingenieuren. Vor der Anstellung müssen
diese Ingenieure die Fachschule für Wege- und Wasserbau an der
Stockholmer technischen Hochschule oder eine ähnliche Anstalt be—
ucht und sich durch eine praktische Thätigkeit von zwei Jahren
ils für den Dienst geeignet erwiesen haben.
Eine kleine Anzahl von Maschinen-Ingenieuren und -Direk—
oren finden wir bei den Staatsbahnen, ebenso einige Berg-In—
genieure bei dem vom Staate betriebenen Silberbergwerk Sala.
Dagegen geben die Stadtverwaltungen einer größern Zahl
von Ingenieuren als Stadtbaubeamte Beschäftigung. Die Städte
jewähren meist ein gutes Einkommen, verlangen aber tüchtige
heoretische und praktische Kenntnisse. Ebenso beschäftigen die an
Ausdehnung die Staatsbahnen übertreffenden Privatbahnen (1880
hestanden 4915 Km) eine Anzahl Techniker. Im übrigen ist der
schwedische Techuiker auf Beschäftigung in der Privatindustrie als
Maschinenbauer, Schiffsbaumeister, als Chemiker, Berg- und
Bruben-Ingenieur angewiesen, falls er nicht wie der Architekt eine
eigene selbständige Thaͤtigkeit ausübt.
Da jedoch das kleine Land den Technikern nicht sämmtlich
zenügende und ihrer Bildung angemessene Beschäftigung gewährt,
o wendet sich der schwedische Techniker vielfach dem Auslande zu,
vo er, wie in England und Frankreich und vor allem in Rußland,
ils theoretisch und praktisch gleich gebildeter Mann sehr geschätzt
st. Dazu gewährt z. B. Ruͤßland dem Techniker eine pekuniär
ortheilhafte Stellung. Demgegenüber kleben wir Deutsche allzu
ehr an der Scholle und begnuügen uns lieber mit untergeordneten
Stellungen, als daß wir uns im Auslande eine Existenz zu er—
eingen suchen.
Welcher großen Anzahl von Technikern aber das Ausland
ind namentlich die überseeischen Erdtheile bei eifrigem Streben
ind zäher Ausdauer Stellung gewähren, dafür moͤchte ich als
Beweis anführen, daß die eine Stadt Buenos Aires in Argen—
inien nicht weniger als 75 schwedische Techniker zählt, und mieist
n ganz hervorragenden Stellungen. Ein Schwede Malmen baut
die Eisenbahn über die Anden, Stavelius steht an der Spitze des
Wege⸗, Wasser- und Brückenbaues und leitet die Bau⸗Ausführung
»es Tunnels unter dem Rio Salado. Zwei Schweden, Walberg
ind Jakobson, vermessen das von Argentinien im Süden neuer—
vorbene Gebiet und führen eine Meridian-Aufnahme zwischen
lrtua und Diamante ans. Thiströmer obliegt der Bau der Wasser—
eitung und Kanalisirung in Buenos Aires. Als Staarsarchitekt
ungirt Aberg, der Erbauer des Post- und Telegraphengebäudes,
1. m. a. Der kürzlich nach Schweden zurückgekehrte Lindmark
var Chef im Officino nacionale. Diese durch Fleiß, Ausdauer
ind geschicktes Anschmiegen an die Verhältnisse erzielten Erfolge
ines kleinen Volkes sollten nicht nur unsere Hochachtung erwecken,
ondern uns auch zum Nacheifern anspornen.
Wir können den Aufsatz nicht beenden, ohne das schwedische
echnische Unterrichtswesen kurz zu berühren. Schweden besitzt
wei höhere technische Lehranstalten: die technische Hochschule in
Stockholm und die Chalmer'sche Schule Chalmerska slöjdstolan —
zurch königl. Verfügung vom 13. April 1883 ist der Name ab—
jseändert in „Chalmers Tekniska Läro-Anstalt“ — in Göteborg
owie acht niedere technische Schulen. Ueber die technische Hoch—
chule, welche aus den fünf Fachschulen für Maschinenhau mit
rei⸗ bis vierjährigem, für chemische Technologie mit dreijährigem,
iür Bergwissenschaft und Hüttenkunde mit drei- bis vierjährigem,
ür Architektur mit vierjährigem und für Wege- und Wasserbau
nit vierjährigem Lehrkurse besteht, hat das Wochenblatt für Archi—
kten und Ingenieure Nr. 69 (1882) einige Notizen gebracht.
zu erwähnen ist, daß sich zum Eintritt die Abiturienten. der klassi—
hen Schulen nh Gymnasien entsprechend) einer Nachprüfung
u Mathematik, Chemie und Physik unterwerfen müssen. Die
Lhalmersche Hochschule weist eine ähnliche Einrichtung, nur von
geringerem Umfange auf, indem sie nur drei Fachschulen für mecha—
zische Technologie, für chemische Technologie und für Bauwesen
Hoch-, Wege- und Wasserbau) besitzt. Der Unterricht ist in
»eiden Anstalten im ersten Jahre für die verschiedenen Richtungen
gemeinsam, später wird derselbe nach den einzelnen Fachschnlen
etrennt. Die technische Hochschule wurde 1883 von 153, die
Lhalmer'sche Schule in der obern und untern Abtheilung von
7 Schülern besucht.
Was das niedere technische Unterrichtswesen anbelangt, so
erstreckt sich der Unterricht an den vier Schulen zu Boras, Norr—
öping, Malmö und Oerebro auf folgende Gegenstände: 1) Niedere
Mathematik und Feldmeßkunst; 2) Meechanik, einfache Maschinenlehre
ind mechanische Technologie; 3) Physik; 4) Chemie und chemische
Technologie; 5) Mineralogie und Geognosie in den ersten Grund—
ügen; 6) Schwedische Sprache (Deutsch, Französisch und Englisch
ind fakultativ); 7) Buchführung und Handelslehre; 8) Baukunst
n den ersten Grundzügen (in Norrköping und Malmösauch die
Flemente des Wege-, Wasser- und Brückenbaues); 9) Freihand—
eichnen und Modelliren; 10) Mechanische Werkstättenarbeit;
1) Gymnastik und Waffenübungen.
Der Kursus umfaßt drei Jahre mit je zwei Semestern vom
10. September bis 20. Dezember und vom 15. Januar bis
15. Juni. In den ersten drei Semestern ist der Unterricht für
ille gemeinsam. In den späteren Semestern gliedert sich derselbe,
e nachdem sich die Schüler speziell in der mechanischen Techno—
ogie oder in der chemischen Technologie oder wie in Norrköping
ind Malmö im Baufach ausbilden wollen. Zum Eintritt wird
ein Alter von vierzehn Jahren, guter Leumund, Kenntnisse in der
steligion, der schwedischen Sprache, im Rechnen (Regel de Tri),
n der Planimetrie (die ersten vier Bücher Euclids) und in der
chwedischen Geschichte, der allgemeinen und schwedischen Geographie
zerlangt. Das Eintrittsgeld sowie das halbjährliche Schulgeld
»eträgt 10 Kronen (11,20 M.). Unbemittelten Schülern wird das
Zonorar erlassen.
Die Schülerzahl belief sich 1883 zu Boras auf 32, in Norr⸗
öping auf 39, in Malmö auf 52 und in Oerebro auf 71.
Weit stärker sind die technischen Abend- und Sonntagsschulen