Mittheilungen aus der Praxis.
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Kenner zu überzeugen. Der gute Zustand des Schleifsteines zeugt
für die technische Tüchtigkeit des Prinzipals oder Werkmeisters,
bon dem Ordnungssinn der Arbeiter, die in der Regel in gut ge—
leiteten Werkstätten unter der Aufsicht ihrer Kollegen der Reihe
nach in bestimmten Zeiträumen den Stein abrichten und in Ord—
nung halten müssen, und endlich von der Qualität der in der
Werkstatt gefertigten Arbeiten.
Sandschleifsteine findet man in Holzbearbeitungswerkstätten
in zweierlei Art vor: Drehsteine zum Drehen mit der Hand oder
mit Trittbewegung und solche, an denen der Antrieb durch mecha—
nische Kraft bewerkstelligt wird, und endlich flache viereckige Steine,
sogenannte Rutscher; letztere, welche vorzugsweise in Tischlerwerk—
stätten in Gebrauch waren, kommen ihrer geringeren Brauchbarkeit
wegen mehr und mehr außer Gebrauch.
Die Schleifsteine zum Drehen können künstliche oder solche
sein, welche in Sandsteinbrüchen zu diesem Zwecke ausgewählt
und vorgerichtet werden; die letztere Art erfüllt selten ihren Zweck
in zufriedenstellender Weise. Der Stein besteht aus runden, weichen
Sandkörnern, denen allzuoft die homogene Bildung fehlt; ferner
ist es ein unvermeidlicher Uebelstand, daß die Steine oft gleich—
zeitig zu harte und zu weiche Stellen zeigen, was ein mit großem
Zeit- und Arbeitsaufwand verbundenes häufiges Runddrehen, so⸗
vie eine ungleichmäßige und vorzeitige Abnutzung zur Folge hat.
Selbst Kenner täuschen sich bei der Auswahl der Schleifsteine
jäufig, und wurde es als ein besonderer Glücksfall betrachtet,
venn der Ankauf eines Steines von durchaus gleichmäßigem Korn
und Härte gelungen war; nicht selten mußten 2—3 Steine gekauft,
eingerichtet und ihrer fehlerhaften Beschaffenheit wegen wieder be—
eitigt werden.
Die künstlich hergestellten Sand Schleifsteine sind hinsichtlich
der Gleichmäßigkeit des Kornes den echten vorzuziehen und sind
dieselben durch fortwährende Verbesserungen in der Zusammen—
etzung auf eine hohe Stufe der Vollkommenheit gebracht worden,
in Folge dessen ist die Anwendung dieser Steine in der Industrie
trotz ihrer höheren Preise eine fortwährend steigende.
Die Behandlung der Schleifsteine, so einfach sie an sich er—
cheint, erfordert doch einige Kenntnisse und Fertigkeiten, welche
zu erwerben jeder Holzarbeiter bestrebt sein muß. Das Einrichten
der Steine auf die eiserne Welle geschah früher durch Eintreiben
von Holzkeilen zwischen Stein und Welle, wobei es nicht selten
'orkam, daß der Stein einen unmerklichen Sprung erhielt und
ppäter beim Gebrauche vollends zersprang; oft mußte der Stein
mehrmals wieder gerichtet werden, ehe derselbe rund lief; häufig
auch wird die Welle in den Stein durch Eingießen von Blei be—
estigt. In neuerer Zeit sind Schleifsteinwellen konstruirt worden,
velche die Befestigung des Steines in überaus einfacher Weise
gestatten: auf der Welle sitzt eine abgedrehte Scheibe von 10 bis
15 cm Durchmesser, an welche der über die Welle geschobene
Stein sich anlegt; dann wird auf die andere Seite des Steines
eine zweite Platte von gleicher Größe wie die erste gelegt und
durch eine Schraubenmutter, welche ihre Führung auf der Welle
findet, fest gegen den Stein gedrückt, dann wird die Welle mit
dem Stein in die Lager des Troges gelegt und durch mehrmaliges
Los⸗ und Festziehen der Mutter der Stein möglichst genau ge—
cichtet; die ganze Arbeit nimmt höchstens 10 Minüten in Anspruch
und geht leicht und sicher von Statten.
Das Abdrehen des Schleifsteines geschieht am besten mit
⸗twa 8 wm starkem rundem Eisendraht, von welchem ein Stück
gerade gerichtet wird. Dieses Drahtstück wird auf eine feste Unter—
age etwas höher wie die Mittelachse des Steines, aufgelegt und
der letztere auf den Arbeiter zu in Bewegung gesetzt, bei dieser
Arbeit ist das Drahtstück beständig zu drehen, um immer wieder
an der anderen Seite eine zum Angriff an den Stein geeignete
scharfe Schneide zu gewinnen. Auch diese Arbeit geht rasch von
Statten. Ist der Stein hinreichend rund, so wird vermittelst
eines Blechrohres von etwa 10 em Durchmesser noch einmal
iberdreht, um die von dem runden Draht hinterlassenen feinen
Rillen vollends zu beseitigen. Die Anwendung anderer Werkzeuge,
wie Feilenangeln, Gasrohre oder gar besonders geschmiedete und
gehärtete Stähle ist nicht nur kostspielig, sondern auch zeitraubend
and anstrengend, selbst die größten Schleifsteine lassen sich mit
schwachen runden Drahtstücken und ohne Anwendung eines Sup⸗
portes schnell, sicher und, abgesehen von dem Zeitverlust des Ar—
beiters, beinahe kostenlos abdrehen.
Alles Schleifen geschieht unter Zugabe von Wasser, welches
am besten durch einen an dem oberhalb des Schleifsteines stehenden
Gefäß angebrachten Hahn tropfenweis auf den Stein fällt, wo—
bei dafür Sorge getragen werden muß, daß das Wasser am Boden
des Schleiftroges sich nicht ansammelt, denn wenn der Stein län—⸗
gere Zeit im, Zustande der Ruhe im Wasser steht, würde derselbe
in der Berührungsstelle erhärten, und wird hierdurch mancher
onst gute Stein aus Unachtsamkeit verdorben. Durch Zugabe
einer Kleinigkeit Karbolsäure zu dem Schleifwasser wird letzteres
wesentlich verbessert. Der Schleifstein wird sofort verdorben durch
Degihenng mit Fett oder leichtsinnige Anwendung von Seifen—
wasser.
Das Abdrehen des Schleifsteines muß, wenn derselbe viel
zebraucht wird, mindestens einmal wöchentlich bewirkt werden,
ein gut gehaltener Schleifstein muß genau rund laufen und darf
veder Erhöhungen noch Rillen zeigen, beim Schleifen der Werk—
zeuge müssen die letzteren, gleichviel von welcher Form die zu
chleifende Facette ist, von einer Seite des Steines nach der andern
ind zurückgeführt werden; das beständige Bewegen der Werkzeuge
verhindert, wenn sachgemäß ausgeführt, vollständig die Bildung
von Unebenheiten auf der Oberflaäche des Steines.
Eine hervorragende Bedeutung haben im letzten Jahrzehnt
um Schleifen der Werkzeuge die Schmirgelscheiben erlangt.
Unter Schmirgel versteht der Mineralog eine wasserfreie
Thonerde, welche sich durch eine außerordentliche, dem Diamant
venig nachstehende Härte auszeichnet. Diese Eigenschaft befähigt
»en Schmirgel vorzüglich als Schleifmittel, um harte Metalle
anzugreifen.
Der Schmirgel war bereits den alten Griechen bekannt,
velche sich desselben als Schleif- und Poliermittel bedienten. Sie
iannten dieses Poliermittel nach seinem Fundorte, der Insel
Naxos, „Naxium“.
Während der langen Zeit, welche die Gegenwart von der
zriechischen Kulturepoche trennt, gelang es nirgends auf der be—
vohnten Erde, ein Material zu finden, das sich auch nur entfernt
dem Schmirgel von Naxos an die Seite stellen ließe. Seine
därte, seine Schärfe ist unerreicht, und wenn auch durch niedrigere
Kreisstellung begünstigt, mehrere Nebensorten sich in den Verbrauch
unführen konnten, so nimmt der ächte Naxos-Schmirgel in seiner
därte, dem Korund nicht nachstehend und gleich hinter dem Dia—
nant rangirend, unbestritten den ersten Raug unter allen Schmir—
zelsorten ein. Der Naxos-Schmirgel kostet an seinem Fundort
»en doppelten Preis der Nebensorten, welche in Anatolien ge—
unden und von da aus dem europäischen und amerikanischen
donsum zugeführt werden. Das Rohmaterial wird in Blöcken
»ersandt, von den Fabriken für Schmirgelpräparate auf mecha—
nischem Wege zu Pulver zerkleinert. Aus dem gröberen oder
eineren Pulver werden daun die Schleifsteine unter Anwendung
»es höchsten zulässigen hydraulischen Druckes nach einem theilweise
zatentirten Verfahren hergestellt, wobei die Zusammensetzung der
Steine den äußerst mannigfaltigen Schleifzwecken, welchen sie
dienen sollen, möglichst angepaßt wird.
Schmirgelscheiben werden gegenwärtig zu allen möglichen
Zchleifzwecken verwendet, eine gut zusammengesetzte Schmirgel⸗
cheibe übertrifft an Brauchbarkeit die denkbar besten Sandschleif—
teine, und hat vor diesen noch den Vorzug, daß dieselbe auch
dort verwendet werden kann, wo die Anwendung des Sandsteines
richt möglich ist.
Man schleift mit Schmirgelschleifsteinen Gußeisen, Schmiede—
isen, Stahl, Kupfer, Messing und zahlreiche andere Metalle, auch
Mineralien, und verrichtet damit Arbeiten, welche früher nur mit
der Feile hergestellt werden konnten. Man schärft Messer bis
3 m Länge, Werkzeuge aller Art und endlich durch Anwendung
von eigens dazu angefertigten Maschinen und Scheiben Kreis—
ind Bandsägen mit einer Schnelligkeit und Genauigkeit, welche
nit der Feile, trotz aller Uebung, nicht erreicht werden kann.
Man kann sowohl naß, wie auch trocken schleifen, ohne, wie beim
Trockenschliff auf dem Sandsteine, befürchten zu müssen, den Stahl
zu verbrennen. —
An demselben Tage, an welchem im Herbst 1881 die Kunde
»on dem Brande des Wiener Ringtheaters hier eintraf, wurde
ron Berlin aus in Provinzialblättern Mittheilung über ein Gut—
schten gemacht, welches die königliche Akademie des Bauwesens
m Auftrage der Regierung über Maßregeln zum Schutze der
Theater gegen Feuersgefahr erstattet hatte. In diesem
hutachten wurde der Vorschlag gemacht, eine aus Architekten,
Fzeuerwehr- und Bühnen-Technikern bestehende Kommission nieder—
zusetzen, welche in der beregten Angelegenheit bestimmte und zur
illgemeinen Giltigkeit geeignete Vorschriften eutwerfen sollte. Diese
dommission ist inzwischen auf Veranlassung des Miinisters des
Innern zusammengetreten und hat nunmehr offiziösen Mitthei⸗
ungen zufolge den Entwurf soicher Bestimmungen bezüglich der
Theater vorgelegt, zugleich aber einen weiteren Entwurf, welcher
hnliche Bestimmungen zum Schutz der öffentlichen Ver—
ammlungsräumé, in Vorschlag bringt. Beide Entwürfe
timmen im Wesentlichen überein, so bezuͤglich der Baulichkeiten
m Allgemeinen, der Treppenkonstruktion, der Treppen- und
Forridorbreite u. s. w., auch hinsichtlich der Beleuchtung, und