Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 44, Bd. 3, 1884)

Bauprozesse und Entscheidungen. — Konkurrenzwesen. — Bautechnische Notizen. 
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preises mit Rücksicht auf den Minderwerth der Baustelle und 
verweigerte die Zahlung des Restkaufgeldes, indem er geltend 
machte, daß die Beschaffenheit als Baugrund eine gewoͤhnlich 
porausgesetzte Eigenschaft des Grundstücks sei, und daß der Ver— 
käufer den Mangel zu vertreten habe. X. klagte auf Zahlung des 
ganzen Restkanfgeldes mit der Behauptung, daß der Käufer sich 
vor dem Kauf von der Qualität des Grundstücks hätte überzengen 
können, und daß er demnach seiner eigenen Nachlässigkeit den 
Schaden zuschreiben müßte, und erstritt in der Berufsinstanz ein 
obsiegendes Urtheil. Die vom Käufer dagegen eingelegte Revision 
wurde vom Reichsgericht, IV. Civilsenat, aus folgender Erwägung 
zurückgewiesen: Das preußische Allg. Landrecht stellt für die Ge— 
währleistung der Vertretung wegen fehlender vorbedungener Eigen— 
schaften die Vertretung wegen fehleuder gewöhnlich vorausgesetzter 
Eigenschaften gegenüber. Für die erstere entscheidet ausschließlich 
der Inhalt des Vertrages, welcher — wie überhaupt — so auch 
in Ansehnng der rorbedungenen Eigenschaften erfüllt werden muß. 
Für die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften macht das Gesetz 
aber Anspruch auf die eigene Diligenz des Käufers und forderf 
bei Prüfung der Sache nach dieser Richtung dessen eigene Auf— 
merksamkeit. Die Grundlage der Gewährleistung für gewöhnlich 
voransgesetzte Eigenschaften der verkauften Sache ist daher nach 
ausdrücklicher Vorschrift des 8329, J 5 A. L.-R. der Irrthum— 
und es finden deshalb die Bestimmungen der 88 81, 8214 eit. 
Anwendung. Der 8 330 1 5 a. a. O., wonach für in die Augen 
fallende ungerügte Fehler einer Sache vom Käufer eine Gewähr— 
leistung nicht gefordert werden kann, ist nur eine Folge der Au— 
wendung der Rechtsgrundsätze über den Irrthum. Eine Gewähr— 
eistung für jene Eigenschaften findet daher nach 8 331 eit. erst 
ttatt, wenn der Einfluß des Irrthums wirlsam ist. Für diesen 
Finfluß kommt aber nach 858214 eit. die Schuld des Empfän— 
gers in Betracht, d. h. das Recht auf Gewährleistung wegen jener 
Eigenschaften ist davon abhängig, daß der Empfäuger nicht durch 
eigenes grobes oder mäßiges Versehen in Irrthum gerathen ist 
Nun stellt aber der Berufungsrichter ohne Rechtsirrthum fest, daß 
der Beklagte, wenn er sich wirklich in einem Irrthum über die 
Beschaffenheit des Baugrundes befunden, durch eigenes, mehr als 
mäßiges Versehen in diesen Irrthum gerathen sei. Dadurch ist 
ein Anspruch auf die Gewähr gewöhnlich vorausgesetzter Eigen— 
schaften von selbst ausgeschlossen. 
Begriff des „Gebäudes“. Umschlossener Raum. 
Für den Begriff des „Gebändes“ ist zunächst die dem Bauwertk 
Jegebene Zweckbestimmung wesentlich, Personen, Thieren oder 
Sachen gegen äußere Einflüsse Schutz zu gewähren; vorausgesetzt 
wird ferner ein größerer räumlicher Umfang, der den Eintritt von 
Menschen ermöglicht und zum Unterschiede von „Hütten“ auch eine 
dem Zwecke entsprechende Dauerhaftigkeit und Festigkeit des ver— 
wendeten Baumaterials; außerdem ist aber dem Gebände wesent— 
lich die feste Verbindung mit dem Erdboden; es muß jedeunfalls 
unbeweglich sein, also nicht in seiner Gesammtheit unbeschadet 
seiner Gestalt und Verbindung, von einer Stelle zu einer anderen 
gebracht werden können. Dabei wird eine allein durch die Schwere 
begründete Verbindung genügen können, ebenso erscheint eine 
dauernde Verbindung nicht erforderlich; auch Bauwerke, welche nur 
borübergehenden Zwecken dienen, wie Zirkus-, Ausstellungs— 
zebäude ꝛc. werden sprachgebräuchlich als Gebäude bezeichnet. Eine 
nicht in feste Verbindung mit dem Erdboden gebrachte „Bude“, 
welche in ihrem baulichen Zusammenhange auf deu Platz ihrer 
Aufstellung transportirt worden, ist also kein Gebände, wohl aber 
strafrechtlich ein „umschlossener Raum“ — 8 243 Nr. 2 R. Str. 
G.B. — (Erk. des II. Strafsenats des Reichsgerichts vom 19. Fe— 
hruar 1884; Entscheid. Bd. X, S. 103 ff.) 
Schadenersatz aus der Belästigung durch Zuführen 
von Rauch und Dampf in die Fabriksgebäude durch deren 
Fenster. — Bei Immissionen von Rauch und Dampf in einer 
belästigenden und ungewöhnlichen Weise durch die Fenster des 
Nachbargebäudes ist von dem immittirenden Nachbar selbst dann 
Schadenersatz zu leisten, wenn er berechtigt ist, die Fenster des 
durch Rauch belästigten Nachbars zu verbauen. (Erk. des V. Zivil— 
senats des Reichsgerichts vom 2. Juli 1884.) 
Unstatthafter Eingriff ĩn das Nachbarrecht durch 
gewerbliche Anlagen. — Nach 8 26 der S. Gew.Ord. kann 
der durch Einwirkungen von einem benachbarten Grundstück benach— 
theiligte Grundeigenthümer nicht auf Beseitigung einer mit obrig— 
keitlicher Genehmigung errichteten gewerblichen Aulage, sondern nur 
auf Abänderung der Einrichtungen oder auf Schadloshaltung klagen. 
Diese Bestimmung bezieht sich nur auf solche Anlagen, welche in 
Gemäßheit der 88 16 ff. a. a. O. obrigkeitlich genehmigt sind, 
nicht auf solche, welche auf Grund davon unabhängiger landes— 
gesetzlicher Vorschriften (z. B. Bauordnungen) genehmigt sind, auch 
nicht, wenn diese Vorschriften vor der S. Gewerbe-Ordnung galten 
und die Anlagen damals genehmigt wurden. Nur, wenn das 
frühere Landesgesetz eine ähnliche Bestimmung wie 8 26 a. a. O. 
Jat, ist diese für die unter der Herrschaft jenes Gefetzes errichtete 
Anlage auch jetzt anzuwenden. (Erk. des III. Zivilsenats des 
Reichsgerichts vom 20. Mai 1884; Preuß. Verw. BlV. 'S. 307 f. 
(Disch. Bauztg.) 
Konkurrenzwesen. 
Zu der Preisbewerbung für Entwürfe zur 
Bebauung der Kaiser-Wilheim-Straße in Verlin 
ist soeben eni Programm-Nachtrag erschienen, welcher die früheren 
Angaben über das dem bezgl. Straßentheil zu gebende Längen— 
Hefäll etwas abändert. Den Bewerbern ist freigestellt worden, 
ob sie die Aenderung berücksichtigen wollen oder nicht. Wenn im 
letzteren Falle eine Zurückweisung des Entwurfs von der Bewer— 
bung auch nicht eintreten soll, so dürfte allen Theilnehmern doch 
um so mehr, zu rathen sein, auf die bezgl. Aenderung einzugehen 
als dieselbe im Entwurf eine Erleichterung gewährt. 
Bautechnische Notizen. 
Der Eigenthümer einer größeren Fabrik hatte das 
Fabriketablissement bei einer Feuerversicherungs-Gesellschaft versichert. 
Nach Ablauf der Versicherungszeit wurde vom Fabrikbesitzer die erneute 
Aufnahme einer Versicherung bei der Generalagentur der Gesellschaft 
beantragt mit der Angabe der WVeränderungen, welche nach der ersten 
Versicherungsaufnahme im Laufe der folgenden Jahre im Fabrikinventar 
eingetreten waren. Unter anderem führte der Versicherungsnehmer an, 
daß die beim Fabrikbetriebe benutzten Hobelbänke um eine bestimmté 
Zahl vermehrt worden seien. Der Generalagent der Gesellschaft besich— 
tigte vor dem Abschluß des neuen Versicherungsvertrages die Fabrik und 
»benso auch die vom Wersicherungsnehmer angegebenen Veränderungen 
m Inventar. Während der neuen Versicherungsperiode erlitt der Ver— 
icherte einen großen Brandschaden im Betrage von ca. 60000 Mk. und 
r beantragte von der Gesellschaft Schadenersatz. Die Gesellschaft lehnte 
Zzahlung einer Entschädigung ab, weil der Versicherte bei der Aufnahme 
der zweiten Versicherung unterlassen hatte, den Generalagenten der Ver— 
icherungsgesellschaft darauf aufmerksam zu machen, daß durch die an— 
legebenen Veränderungen in dem Zustande der Fabrik, namentlich durch 
oue ronüe Auug von Hoyelbänken die Feuersgefahr vermehrt würde 
und dadurch sich in einer seine Ersatzansprüche ausschließenden Weise 
gegen die Policebedingungen vergangen habe. Der Fabrikbesitzer klagte 
einen Anspruch ein und erstritt in erster und zweiter Instanz ein öb— 
iegendes Urtheil. Die von der Versicherungsgesellschaft eingelegte Re— 
vision wurde vom Reichsgericht, J. Civilsenat, zurückgewiesen, indem be— 
gründend ausgeführt wurde: „daß der Generalägent die Petroleumlampe 
und die vermehrte Zahl der Hobelbänke wirklich wahrgenommen hat, ist 
von der Beklagten nicht bestritten, auch nicht, daß der Generalagent sich 
bei dieser Wahrnehmung bewußt geworden sei, oder habe bewußt werden 
müssen, daß eine Veränderung in dem Zustande der Fabrik des Klägers 
»orgegangen sei, daß derselbe namentlich nach der ersten Versicherung 
mehr Hobelbänke aufgestellt habe. Daß aber der Generalagent einer 
Versicherungsgesellschaft, wenn er solche Verändernngen in den Einrich— 
iungen einer bei seiner Gesellschaft versicherten Fabrik wahrnimmt, von 
dem Inhaber der Fabrik erst daraus auimerksam gemacht werden müßte, 
daß durch diese Veränderung die Feuersgefahr vermehrt würde, kann 
nur unter Verkennung der Stellung des Generalagenten behauptet 
werden. In keinem Falle würde durch solchen Sachverhalt die Annahme 
ausgeschlossen, daß der Versicherte sich in dem guten Glauben befand 
die von dem Generalagenten in Kenntniß genommene und nicht gerügte 
Veränderung sei von ihm gebilligt, und es bedürfe daher einer beson— 
deren Anzeige dieser Thatsache an die Versicherungsgesellschaft nicht. 
Kohle zur Befreiung der Brunnen und Keller von 
Kohlensäure. Durch Saussure's Versuche ist bekannt, daß ausge— 
zlühte Kohlen die Eigenschaft besitzen, innerhalb 24 Stunden das 53fache 
hres Volumens an Kohlensäure zu absorbiren. Davon hat neuerdings 
rof. Hubbert am Dortmund:College nach der „Sächs. landw. Zeit— 
chrift“ in den Verein. Staaten eine nützliche Anwendung gemacht. Um 
Brunnenschächte, die mit Kohlensäure erfüllt sind, von diesem Gase zu 
einigen, läßt er etwa 6 bis 7 Liter glühender Holzkohlen in einem Kessel 
»is nahe zur Oberfläche des Wassers hinab. Sogleich erlöschen die Kohlen 
und es beginnt die Absorption, von deren Fortgang man jfich leicht durch 
ine brennende Kerze überzeugen kann. Ist solche nach Verlauf einer 
Stunde noch nicht vollendet, so muß man eine neue Portion brennender 
Kohlen hinablassen. Auf diese Weise wurde ein Brunnenschacht von 
26 Fuß Tiefe in einem Nachmittag gereinigt. J I 
Trockenhaltung von Fensterscheiben. Eine Vorrichtung 
gegen das Gefrieren resp. Beschlagen von Schaufenstern und anderen 
Fensterscheiben ist Ed. Grube in Hamburg unter Nr. 26374 für das 
Deutsche Reich patentiert worden. Dieselbe besteht aus einem spiral-— 
förmig gewickelten, längs der Unterkante der Scheibe nahe an die Innen— 
seite des Fensters gelegten Zuleiter aus Blech oder dergl., welcher mittelst 
einer Röhre warme Luft von einer Gasflamme, einem Petroleumofen 
oder einer sonstigen Wärmequelle erhält und diese an der Scheibe emvor— 
treichen läßt
	        
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