Arbeiter-Wohnhäuser.
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Arbeiter Wohnhäuser.
(Hierzu 11 Fig.)
werden, so soll selbstverständlich ein Baugewerksmeister der heutigen
Zeit auch hierauf sein Augenmerk richten.
Hauptfehler der früheren und auch vieler der jetzigen Arbeiter—
wohnuͤngen sind der große Mangel an Luft und Licht und die
geringe Höhe der Wohnräume. Sehr häufig findet man solche
Wohnungen aus Stube, Kammer und Küche bestehend, in welchen
Familien von 6 bis 8 bis 10 und noch mehr Personen wohnen,
deren Höhe oft nicht viel mehr als 2,0 m beträgt und wo jeder
Raum nur mit einem kleinen Fenster versehen ist. Die Wände
sind häufig aus Lehm oder sonstigem billigem Material hergestellt,
während der Fußboden nur aus Lehmestrich oder, wenn es hoch
kommt, aus Ziegelsteinen besteht.
Es ist uns oft der Einwand gemacht worden, daß ländliche
Arbeiter sich den ganzen Tag in der freien Luft bewegen und ihre
Wohnungen nur als Schlafstelle betrachten. Ein solcher Einwand
ist aber durchaus nicht stichhaltig. Jedem gebildeten Menschen ist
bekannt, daß der Mensch gerade während des Schlafes die meiste
frische und gesunde Luft nöthig hat, und nun denke man sich in
In neuerer Zeit ist immer mehr und mehr die Nothwendig—
keit anerkannt worden, den Arbeitern, besonders auch den ländlichen,
Wohnungen zu schaffen, die eines Menschen würdig und den hy—
gienischen Anforderungen entsprechend eingerichtet sind.
Wer Gelegenheit hatte, die Wohnungen der ländlichen und
anderer Arbeiter, welche ihnen von den Arbeitgebern hergestellt
werden, in vielen Gegenden Deutschlands eingehend in Augenschein
zu nehmen, dem wird sich unwillkürlich häufig ein Vergleich dieser
menschlichen Wohnungen mit den Viehställen derselben Besitzer
aufgedrängt haben. In wie vielen Fällen wird aber dieser Ver—
gleich zu Ungunsten der menschlichen Wohnungen ausgefallen sein!
Glück licherweise sind aber die Besitzer großer Güter ꝛc. in
neuerer Zent zu der Ueberzeugung gekommen, daß es zur Erhal—
tung eines ikräftigen und leistungsfähigen Arbeiterstandes durchaus
nothwendig ist, demselben vor allen Dingen gesunde und menschen—
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würdige Wohnungen zu schaffen. Wir nehmen zwar an, daß
mancher Besitzer durch allgemeine Menschenliebe veranlaßt ist,
seinen Arbeitern bessere Wohnungen herzustellen, im Großen und
Ganzen aber ist wohl nur der eigene Vortheil die Triebfeder für
deraleichen Verbesserungen.
Gleichviel nun, welches der Grund für die Verbesserung der
Arbeiter-Wohnungen ist, jedenfalls können wir dieselbe mit Freuden
begrüßen. Auch der praktische Bangewerksmeister, welcher ein
warmes Herz für seine Mitmenschen hat und dem es nicht gleich—
gültig ist, ob er eine Hütte für Menschen erbaut, welche für die
meisten Zuchtthiere durchaus unbrauchbar wäre, oder ein Wohn—
haus, welches den Bewohuern ein wirkliches Heim bietet, kann
uͤber diesen Fortschritt im Kulturleben nur erfreut sein. Er soll
aber unserer Meinung nach auch, soviel in seinen Kräften steht,
bestrebt sein, die Arbeiterwohnungen nicht nur möglichst billig
herzustellen, sondern auch die Besitzer zu veranlassen, wenigstens
zesunde, wenn auch einfache und jeder architektonischen Schoͤnheit
baare Wohnungen zu erbauen. Kann außerdem etwas architekto—
nische Schönheit, wenn auch nur in bescheidenen Grenzen, erreich!
2 kleinen, niedrigen Räumen die ganze Nacht hindurch 6 bis 10
und noch mehr Mienschen auf beschränkten Lagerstätten zusammen—
gepfercht; kein Wunder, wenn dann der Schlaf, anstatt Erquickung
und Kräftigung oft Mattigkeit und Schwäche hervorbringt.4
Es sind in neuerer Zeit von Privaten, Kommunen, land⸗
wirthschaftlichen Vereinen ꝛc. Konkurrenzen ausgeschrieben worden
zur Beschaffung gesunder, zweckmäßiger und billiger Arbeiter-Woh—
nungen. Es sind diese Bestrebungen gewiß anzuerkennen, aber
vir meinen, es müßte, wie dies in einzelnen Fällen geschehen ist,
die Billigkeit nicht zu sehr in den Vordergrund gestellt werden.
Wir sind gewiß der Ansicht, daß sich mit zweckeutsprechender Ein—
richtung auch möglichste Billigkeit verbinden muß, aber wir sind
nicht der Ansicht, daß die Billigkeit auf Kosten der menschenwür—
digen Einrichtung in den Vordergrund gestellt werden darf. Es
kann der Einfluß des ausführenden Baumeisters oder Baugewerks—
meisters nach dieser Richtung hin recht wohl geltend gemacht
werden, ohne daß der Schein auf ihn fällt, als wolle er den Bau
unnöthigerweise vertheuern.
Bir kheilen nun einige Beispiele von Arbeiter-Wohnhäusern