Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 44, Bd. 3, 1884)

Submissionswesen. 
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Submissionswesen. 
(Schluß.) 
Achte Frage. Empfiehlt es sich, die Ausschreibung von Lieferungen 
nicht, wie bisher in der Regel geschehen, für den Bedarf einer 
Jahresperiode, sondern für längere oder kürzere Zeiträume statt⸗ 
finden zu lassen? 
Bezüglich welcher Lieferungsgegenstände werden eventuell ent— 
sprechende Anordnungen besürwortet? und welche Zeitperioden 
sind für die betreffenden Gegenstände in Vorschlag zu bringen? 
Auch hier zeigte sich wiederum, daß für verschiedene In— 
)ustriezweige die Wuͤnsche verschieden sind: während die Cement— 
ndustrie die Ausschreibung des Bedarfes für längere Frist, etwa 
2 Jahre, empfahl, erklärte die Textilindustrie kürzere Frist, höchstens 
3 Monat, für nothwendig; im allgemeinen wurde es als zweck— 
näßig bezeichnet, den Bedarf eines Jahres nicht zu überschreiten 
uind dabei Sorge zu tragen, daß die Ablieferung über das ganze 
Jahr möglichst gleichmäßig vertheilt würde. Für Holzlieferungen 
vurde empfohlen, die Ausschreibungen nur im Herbst stattfinden 
zu lassen, damit im Winter gefälltes Holz zur Lieferung käme. 
Bei dieser Frage kamen auch die Zuschlag- und Lieferfristen 
zur Sprache. Herr Behrens führte aus, welche Beschwerden die 
zroße Dauer der Zuschlagfrist dem häufig submittirenden Unter— 
nehmer bereite, der oft wochenlang in Ungewißheit über das 
Schicksal seiner Offerten und dadurch in der Freiheit seiner 
übrigen geschaftlichen Schritte behindert sei: die im Entwurfe der 
Regierung vorgesehenen Fristen, 14 Tage bei einfachen, 4 Wochen 
hei schwierigen, der Oberbehörde vorzulegenden Entscheidungen, 
müßten möglichst auf die Hälfte vermindert werden. 
Dagegen machte der Vorsitzende geltend, daß eine solche 
Beschleunigung oft unvereinbar sei mit der der Behörde oblie— 
genden Sorgfalt der Prüfung. 
Zur Vermittelung beider Anschauungen wurde vorgeschlagen, 
daß es dem Bieter gestattet sein müsse, nach einer bestimmten 
Frist von seiner Offerte zurückzutreten, falls ihm nicht binnen 
derselben der Zuschlag ertheilt würde. 
Was die Lieferfristen betrifft, so wurde darauf hingewiesen, 
wie oft die bei den Vorbereitungen vergeudete Zeit nachher durch 
Beschleunigung der Lieferung eingeholt werden müßte und zwar 
zu Aller Nachtheil; denn der Unternehmer könnte billiger anbieten 
und sorgfältiger arbeiten bei ausreichender Zeit; die kurzen Liefer— 
fristen drängten dadurch, daß sie den Unternehmer zur Anstellung 
nieler Arbeitskräfte zwängen, zur Ueberproduktion. Besonders im 
Interesse kleiner Unternehmer wären lange Fristen geboten, weil 
diese nicht so gut wie die größeren in der Lage seien, plötzlich 
viele Arbeiter auf eine Sache zu werfen. 
Bezüglich der Konventionalstrafeu wurde verlangt, daß bei 
denselben, wenn für den Tag vereinbart, die Sonntage nicht in 
Anrechnung kommen und Hindernisse, die außer der Macht des 
Unternehmers ständen, zu seinen Gunsten berücksichtigt würden. 
Neunte Frage. Erschbeint es zweckmäßig, und eventuell bezüglich 
welcher Lieferungsgegenstände, in den Angeboten eine Angabe über 
den Ursprung der zu liefernden Waare zu fordern? 
Bei der Frage des Ursprungnachweises wurden hauptsächlich 
zwei Gründe fuüͤr dessen Forderung geltend gemacht: 1) die Förde— 
rung nationaler Arbeit, und 2) die größere Bürgschaft fuüͤr die 
Büte der Waare; besonders letzterer war der Gegenstand lebhafter 
Frörterung. Während von Seiten der Fabrikanten die Uebelstände 
hervorgehoben wurden, welche der Zwischenhandel bei den Sub— 
nissionen dadurch veranlasse, daß der Händler vielfach auf Grund 
von Proben anbiete, und erst nachher an Hand des erzielten 
Preises, so gut es gehe, aber meist auf Kosten des Fabrikanten, 
die Waare der Probe möglichst entsprechend zu beschäffen suchte, 
wobei die Behörde meist Gefahr liefe, schlechter als nach Probe 
bedient zu werden, machte der Vertreter der Berliner Kaufmann— 
chaft geltend, daß bei Lieferung von Marktwaaren, deren Qualität 
leicht zu erkennen sei, von dem Ursprungsnachweise abgesehen 
verden müsse; es könnte dem Kaufmann nicht zugemuthet werden, 
seine Bezugsquellen, auf deren Auffindung und richtige Benutzung 
er viel Muͤhe und Kosten verwendet hätte, und welche die Grund— 
age seines Geschäftes bildeten, preiszugeben, auf die Gefahr hin, 
daß beim folgenden Bedarfe die Behörde mit Umgehung seiner 
sich direkt an diese Quellen wendete. 
Aus der Verhandlung ergab sich, daß für Marktwaare und 
Rohstoffe die meisten Anwesenden der Ursprungsnachweis nicht für 
nöthig erachteten, wohl aber für Gegenstände weiterer Verarbeitung; 
reilich traten in Bezug auf diese Unterscheidung recht lebhafte 
Begensätze hervor, so z. B. ob Ziegel zu der einen oder anderen 
Gattung zu rechnen seien. 
Hervorgejoben wurde, wie nachtheilig das Liefern nach 
Probe, ohne Rücksicht auf den Ursprungsort, bei Fabrikaten wirke, 
veil man dadurch verlerne, auf den guten Ruf des Fabrikanten 
den höchsten Werth zu legen; dagegen wurde geltend gemacht, daß 
in der Textilindustrie die Offerte auf Grund von Vroben geschehen 
Fümnfte Frage. Erscheinen die im Entwurfe vorhergesehenen Be— 
stimmungen über die Abrechnung und Zahlung ausreichend, um 
eine den berechtigten Erwartungen der Unternehmer entsprechende 
»rompte Abwicklung dieser Geschäfte zu gewährleisten? 
Der Regierungsvertreter erklärte, daß die vorgeschlagene 
Form der auf die Zahlungen bezüglichen Bestimmungen dem 
Wunsche der Regierung entsprungen sei, in jeder möglichen Weise 
die Industrie, insbesondere das Handwerk uud das Kleingewerbe, 
zu heben. 
Diese gute Absicht wurde von allen Rednern willig aner— 
tannt; doch wurde auch hervorgehoben, wie leicht falsche Aus— 
jührung dieselbe vereitelte. Nicht genügte es, auf Erleichterung 
ind Beschleunigung der Zahlung hinzuwiirken, sondern auch der 
Abnahme, denn jene sei von dieser abhängig. Insbesondere die 
Lertreter der Eisenindustrie ersuchten dringend darum, daß man 
zu den Materialabnahmen nicht unerfahrene junge Beamte schicken 
nöchte, welche lediglich aus Unkenntniß und falschem Verständnisse 
»er Bedingungen Schwierigkeiten bereiteten und die Zahlungen 
»erzögerten. Bei dieser Gelegenheit wurde es von der Behörde 
als Pflicht anerkannt, dahin zu wirken, daß die Abnahmebeamten 
die sich ihnen bietende Gelegenheit zur genauen Kenntnißuahme 
der Einrichtungen und Arbeitsweise der Werke nicht mißbraäuchten. 
Von mehreren Seiten wurde angeregt, daß der Staat in gleicher 
Weise, wie im Geschäftsverkehr zwischen Privaten üblich, die 
Verpflichtung anerkennen möchte, für fällige Beträge, welche ohne 
Verschulden des Lieferanten über eine gewisse Zeit (3 oder 6 Mo— 
nate) hinaus nicht zur Auszahlung gebracht werden koöͤnnten, Zinsen 
zu vergüten. 
Auch daß die formelle Behandlung der Auszahlung (Ein— 
sendung der Quittung vor Empfang der Zahlung, Auszahlung 
durch die Reichsbank, Beglaubigung der Unterschrift) von den 
ämmtlichen Behörden gleichmäßig geschehen möchte, wurde ge— 
vünscht. 
»chste Frage. Haben die bisherigen Bestimmungen über die 
Döhe und die Art der Einziehung von Kautionen Uebelstände nach 
iich gezogen und insbesondere sich einer Betheiligung der kleineren 
ßewerbetreibenden, Handwerker u. s. w. an den Submissionen 
inderlich erwiesen? und ist von den in dem Entwurie dieierhalb 
n Aussicht genommenen geänderten Vorscaseten dvie — 
verthe Abhülfe dieser Uebelstände zu erhoffen? 
Bei der Frage der Kautionsstellung bei Einreichung der 
Offerte wurde einerseits geltend gemacht, daß die Abschaffung 
derselben im Interesse der Handwerker und kleineren Gewerb⸗ 
reibeuden läge, während andererseits hervorgehoben wurde, daß 
die Kaution ein Schutzmittel gegen unbedachtes Submittiren und 
nsbesondere einen Ausgleich dem Auslande gegenüber böte, wo 
olche Kautionsstellung von deutschen Lieferauten stets verlangt 
würde. 
Als unbedenklich wurde anerkannt, die Koupons der Werth— 
vapiere in Händen des Unternehmers zu belassen, um ihm die 
umständlichen Schreibereien bei deren Einlösung zu ersparen, 
und vor allem wurde der Wunsch ausgesprochen, sowohl die 
Garantiezeiten kürzer zu bemessen, als auch davon abzustehen, 
die gesammte Kaution während der ganzen Garantiezeit zurück 
Ubehalten 
Ziebente Frage. Ist bisher, wie vielfach geklagt wird, nicht 
zenügend auf eine angemessene Theilung der Ausschreibungsgegen— 
tände in Loose und Gruppen Bedacht genommen worden? 
Erscheinen in dieser Beziehung in dem Entwurfe in Aussicht 
zenommenen Aenderungen der bisherigen Vorschriften zur Er—⸗ 
reichung des Zweckes, die kleineren Gewerbtreibenden an der Aus— 
Aihrung der staatsichen Lieferungen thunlichst zu betheiligen, ge— 
ignet? 
Der Regierungsvertreter erörterte daß man zu Gunsten 
kleinerer Unternehmer dahin zu wirken suchte, die Generalentre— 
prisen abzuschaffen und die Arbeiten in kleineren Loosen zu ver— 
geben. 
Von einigen Redunern wurde es als erwünscht bezeichnet, 
dem die Arbeit leistenden Unternehmer auch die Materiallieferung 
zu übertragen, während von anderer Seite hervorgehoben' wurde, 
daß eine größere Bürgschaft der Qualität und billigere Beschaffung 
zesichert würde, wenn die Behörde selbst das Material, getrenm 
jon der Arbeit, beschaffte. 
Es wurde empfohlen, die Trennung bei Ausführungen, welche 
Verschiedenartiges enthalten, nicht nach Loosen, sondern nach Titeln 
zu bewirken, also nicht kleinere Stücke des Ganzen, sondern kleinere 
Abtheilungen gleichartiger Lieferungen zu vergeben; wo solche Thei— 
lung nicht möglich, sollte man lieber mehrere Unternehmer zu 
gemeinsamer Lieferung heranziehen.
	        

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