Die Grundrißgestaltung der Schulgebäude.
ind, nach ganz anderen Gesichtspunkten entworfen und ausgeführt
worden. Die vornehmste Veranlassung dazu hat die in alle Zweige
zes öffentlichen Lebens tief eingreifende Hygiene gegeben, indem
sie im Intetesse des körperlichen Gedeihens Forderungen stellte,
die nur erfüllt werden konnten, wenn eine völlige Umgestaltung
der von den Vätern überlieferten Bauweise sowohl für private
wie für öffentliche Gebäude eintrat. Daß dies geschehen und die
Jünger der neuen Lehre eifrig ihr Ziel verfolgt und beachtens—
verthe Erfolge erreicht haben, ist eine unzweifelhafte Thatsache.
Weniger gewiß aber oder richtiger gesagt, zweifelhaft dürfte es
ein, vb die Praxis die Verwirklichung der hygienischen Lehren
mmer in dem rechten Maße und miit den rechten Mitteln ange—
trebt hat. Die Betrachtung und Vergleichung einiger Grundrisse
jon bedeutenderen Schulbauten der neuesten Zeit giebt über diese
Frage vielleicht einigen Aufschluß.
Die erste Forderung der Hygieniker, in Bezug auf Schul—
»auten, viel Luft und Licht, nicht nuͤr für die Klassenräume, son—
dern auch für die Vestibüle, Korridore u. s. w. zu schaffen, ist in
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vem durch MMg. 1 dargestellten Grundriß der Annen-Realschule in
Dresdey⸗And mehr noch in dem durch Fig. 2 gegebenen Grundriß
er Toppel⸗Realschule in Magdeburg augenscheinlich zwar erreicht,
edenfalls aber mit einem so großen Aufwand an Kosten, daß
diese Art der Grundrißausbildung nur in ganz seltenen Fällen
nöglich sein wird. Bei der Annen-Realschule in Dresden kommen
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zuf insgesammt 1850 qm für Schul- resp. Wohnzwecke benutzte
Räume im Ganzen ca. 1200 qm oder richtiger, da die eingebauten
Lichthöfe mit hinzugerechnet werden müssen ca. 1350 qm Korridore,
Treppen, Vestibüle u. s. w., bei der Doppel-Realschule in Maade—
hurg dagegen auf ca. 2100 qm Schulräume ca. 1900 qm Korri-
zore, Treppen und Vestibüle, also auf 1qm Schulraum auch fast
lqm Korridor.
Wenn nun eine solche Anlage auch den Beifall der Hygieniker
änden sollte, so kann sie dennoch nicht als zweckmäßig gelten. In
»eiden Beispielen ermöglichen der reichlich bemessene Korridor und
die mehrfachen Treppenanlagen zwar überall hin bequeme Zu—
Jänglichkeit und vorzügliche Beleuchtung — wenigstens bei der
Hdagdeburger Schule — allein eine Ausnutzung der Korridore
etwa zum Promeniren für die Schüler bei schlechtem Wetter wäh—
dend der Pausen ist nur in sehr beschränktem Maße und durchaus
nicht in Uebereinstimmung mit den Forderungen der Hygiene mög—
ich, denn diese will für den Aufenthalt einer großen Anzahl
Menschen, nicht schmale bald mit verdorbener Luft angefüllte oder
m entgegengesetzten Fall, zugige Korridore, sondern weite und
sohe Räume mit guter Ventilation. Der Aufenthalt in einem
olchen mit Meuscheüu angefüllten engen Korridor ist durchaus nicht
zesund und erfrischend, wenn selbst eine vorzügliche Ventilation
jorhanden ist. Abgesehen aber von dieser vielleicht bestreitbaren
Thatsache ist der Werth der Korridore in der meist üblichen Lage
und Gestaltung in vieler anderer Hinsicht ein sehr zweifelhafter.
Man spricht zwar oft von einem schönen Korridor und hat vielleicht
einen klösterlichen Kreuzgang, wenigstens der Form nach vor sich,
— denn dessen Schönheit beruht lediglich darauf, daß er einen
schönen Garten umschließt oder eine schöne Aussicht gestattet —
allein Niemand wird einen Raum, der sich durch das weitgehendste
Mißverhältniß in Länge und Breite ausgezeichnet, in Wahrheit
schön finden können, mag derselbe noch so reich ausgebildet sein.
Die Monumentalität des Gebäudes verliert dadurch eher, als daß
sie gewinnt, wenigstens im Innern; und doch ist der von dem
dorridor, Vestibül und Treppe eingenommene Raum ein so großer,
daß er eutsprechend gelegt eins der wichtigsten Momente für die
Broßartigkeit und Monumentalität der Anlage werden könnte.
Wie dies etwa erreicht werden kann, soll weiter unten darzustellen
»ersucht werden.
Nicht minder ungünstig macht sich die Anordnung der Korri—
dore in den vorliegenden Beispielen geltend, durch die Weitläufig—
eit und Unübersichtlichkeit der ganzen Anlage, durch welche die
Bedienung in derselben außerordentlich erschwert wird und außer—
dem steht eine Gruppirung der Räume wie in Fig. 2 und 3 in
direktem Widerspruch mit der in ihnen ausgeführten Zentralheiz—
anlage, welche möglichst centrale Grundrißgestaltung fordert. Auch
der uüͤnverhältnißmäßig große Wärmeverlust, welchen die Korridor—
Außenwände und die darin liegenden Fensterflächen nothwendig
bedingen, dürfte dieser Art Anlagen nicht eben das Wort reden,
sofern die Betriebskosten überhaupt in Frage kommen. Endlich
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uind 3 durch die große Länge der Außenwände, von denen sie
umschlossen werden, eine erhebliche Vertheuerung des ganzen Baues,
die nicht eintreten würde, wenn die Korridore lediglich durch
Innenwände gebildet würden. — Bevor nun eine aus den vor—
tehenden Erörternngen über die sehr zweifelhafte Zweckmäßigkeit
der besagten Korridoranlagen gefolgerte Lösung gesucht wird, welche
den Forderungen der Hygiene mindestens ebenso gut genügt, wie
die besprochenen, und welche zugleich Rücksicht nimmt auf mög—
ichste Einschränkung der Kosten, sei es gestattet, hier einen Blick
auf die Entstehnng jener Anlagen in Hinsicht der ihnen zu Grunde
liegenden Raumdisposition zu werfen.
Der Architekt, der etwa eine Schule von mittlerer Größe zu
projektiren hat, bei welcher programmmäßig eine Aula vorhanden
sein muß, wird im Allgemeinen immer von demselben Grund—
jedanken ausgehen, wenn ferner vorgeschrieben ist, daß ein Mittel—
korridor nicht angelegt werden, an demselben also nur eine Reihe
Klassen liegen darff. Er wird den Eingang in die Mitte, das
Treppenhaus mit der Haupttreppe ihm gegenüber und die Aula,
ebenfalls in die Mitte über den Eingang legen. Dieser Eingang
soll selbstverständlich würdig der ganzen Anlage gehalten sein, er
darf also nicht ganz kleine Abmessungen erhalten, und es entsteht
demnach die Frage, welches sind etwa diese Abmessungen? Die
Antwort wird im Allgemeinen verschieden ausfallen, je nach der
Bröße der ganzen Anlage, indessen wird ein Vergleich mit den
ibrigen Räumen und eine Betrachtung des jedesmal vorliegenden
Zweckes, den dieser Eingang (alias Vestibül) zu erfüllen hat, doch
siemlich sichere Grenzen gewähren. Wird beabsichtigt, das Vestibül
zu einem Pachtraum zu machen, der gewissermassen die Würde
der ganzen Anlage vertreten oder darstellen soll, so ist dagegen
illerdings nichts weiter einzuwenden, als daß diese Zweckerfüllung
edenfalls einem geeigneteren Raum überlassen werden könnte. In
den meisten Fällen wird aber auch dieser Grund nicht gerade vor—
jegen, es wird vielmehr lediglich die Rücksicht auf die Größe und
Bestalt der in den oberen Stockwerken anzulegenden Aula sein,