Zerliner Jahresbericht über Hypotheken- und GrundbesitzVerhältnisse.
X
konstituirt hat, bereits eine Art von Unentbehrlichkeit erworben
hat, indem er die Persönlichkeit des Unternehmers nach der tech—
sischen Richtung hin ergänzt. Dazu kommt, daß manche Unter—
nehmer nicht über dasjenige Maß von technischen Kenntnissen
»erfügen, welche nöthig sind, um ein Bauwerk gedeihlich durch—
zühren zu können; diese Männer sind dann schlechterdings auf eine
echnische Beihülfe angewiesen. Allein auch wohlbefähigte Bau—
unternehmer pflegen sich des Architekten zu bedienen, wenn sie die
iachmäßige Arbeit nicht in Person übernehmen wollen und viel—
nehr hauptsächlich ihr Kapital wirken lassen. Der Architekt steht
egelmäßig nur mit dem Unternehmer (nicht auch mit dem Bau—
herrn, dem Baueigenthümer) im Vertrage und erhält von ihm ein
donorar. Was dessen Höhe anbetrifft, so hat diese zwar der
Deutsche Architekten-Verein“ festzusetzen versucht und die Honorare
abellarisch geordnet; indessen ist diese Feststellung nicht schlechthin
»indend. Das Erkenntniß des Oberlandesgerichts zu Braunschweig
l. Senats vom 5. Oktober 1881 in Sachen Till wider Schulze
jührte ganz zutreffend aus, daß in allen Fällen des Vollmachts—
dertrags oder der Dienstmiethe, wo die Parteien keine bestimmte
VBergütung für die betreffende Leistung verabredet, wohl aber eine
tillschweigende Uebereinkunft auf den üblichen und angemessenen
Lohn getroffen haben, — bei vorkommenden Streitigkeiten über
die Höhe des Lohnes der Gerichtshof unter sorgfältiger Be—
obachtung der obwaltenden Umstände zu entscheiden habe. Den
pvon einer unter der Bezeichnung „Dentscher Architekten-Verein“
zusammengetretenen Anzahl von Baufachgenossen vereinbarten Taxen
für Honorirung von Architektur-Arbeiten möge immerhin als dem
Ausdruck der gemeinsamen Ueberzeugung der betreffenden Berufs—
kreise von der Angemessenheit und der Erwünschtheit der solcher—
gestalt approbirten Honorare eine gewisse Beachtung zu Theil
verden, mit normgebender Dignität seien aber diese Festsetzungen
»islang in Deutschland durch die Gesetzgebung nicht ausgestattet
vorden, und nirgends das richterliche Ermessen auszuschließen
geeignet.
Hier muß man aber sich gegenwärtig halten, daß derjenige,
welcher einen Architekten requirirt, ohne über den Akkordlohn etwas
1bzumachen, sich unter gewissen Modalitäten seinem Mitkontra—
hjenten unterworfen hat. „Dieser letzte Weg ist es (so heißt es
in dem Präjudiz bei Seuffert IV., Nr. 216), welcher, wie die
ägliche Erfahrung lehrt, bei den gewöhnlichen Geschäften dieser
Art stillschweigend vorausgesetzt wird. Denn Niemand zweifelt,
daß, wer bei einem Kaufmann Waaren entnimmt, ohne nach dem
Namen zu fragen, wer bei einem Handwerker oder Künstler eine
Arbeit bestellt, ohne wegen der Bezahlung zu akkordiren, es ledig—
ich auf die Forderung des andern, ohnehin in der Regel sach—
nerstäudigeren Kontrahenten ankommen läßt, und dieser — also
dem Gutbefinden desselben — im Voraus stillschweigend sich unter—
wirft, unbeschadet nur des Rechtes, auf Ermäßigung derselben
anzutragen, im Falle wirkliche Ueberschreitung der Grenzen billigen
Ermessens erkennbar ist.
Zu den Hauptaufgaben der Architekten gehört die Anfertigung
eines speziellen Baukostenanschlages. Es ist fraglich, inwieweit
der Architekt für die Richtigkeit seines Anschlags aufkommen und
ob er etwa für den dem Bäuherrn aus Unrichtigkeiten erwachsenen
Schaden Euntschädigung leisten muß. In dieser Beziehung hat
das Erkenntniß des Obertribunals Stuttgart vom 13. Mai 1879
wie folgt entschieden und diese Entscheidung ist überhaupt allgemein
naßqebend:
„Der Architekt würde für den Inhalt des von ihm gelieferten
peziellen Baukostenanschlags in dem Fall unbedingt verantwortlich
jeein, wenn er dem Bauherrn gegenüber die Garantie übernommen
jätte, daß diesem aus der Fortführung des Baues auf Grund des
Kostenanschlags kein Nachtheil erwachse. Solche Umstände aber,
durch welche die Verantwortung des Architekten für den Inhalt
des Kostenanschlags begründet werden könne, seien theils in dem
nestimmten, ernstlichen Verlangen des Bauherrn nach genauer
Aufklärung über den Betrag der Baukosten und Gewinnung einer
zuverlässigen Grundlage für die letzteren, in Verbindung mit den
entsprechenden Erklärungen des Architekten, theils in der Erwä—
zung zu suchen, ob das fehlerhafte Ergebniß des Anschlags eine
jalsche Vorstellung über den wahren Baukostenbedarf in dem Be—
teller hervorgerufen und unterhalten hat“
»laciren waren. Bei fertigen Bauten hinderte der bei der Mehr—
zahl angebotener Objekte fehlende Nachweis ausreichender Renta—
zilität die Ausdehnung der Umsätze. Die letzteren basiren nur auf
dem Bedarf für Kapital-Anlage und für gewerbliche Zwecke. Ein
pekulatives Vorgehen ist hingegen fast ausschließlich ĩn dem Ver—
ehr mit unbebauten Terrains, oder mit alten, zum Abbruch und
Neubau sich eignenden, Häusern bemerkbar, wobei einzelne größere
Zau-Projekte die Veranlassung boten, daß auch in den bezüglichen
Umgebungen eine größere Nachfrage sich einstellte. Von jenen in
lusführung begriffenen Projekten ist immer noch die Kaiser—
Wilhelm-Straße in erster Reihe zu nennen. Gröhßere Terrains
verden ferner durch die bevorstehende, dem stets wachsenden Fremden—
nerkehr Rechnung tragende, Errichtung weiterer großer Hotelbauten
in Anspruch genommen, welche den Charakter der betreffenden
Straßenviertel vortheilhaft umzugestalten geeignet sind. Die Ent—⸗
vickelung des Stadttheils Moabit macht rapide Fortschritte, obwohl
daselbst für manche sertige Bauten noch die Miether fehlen. Jede
ieue Pferdebahnlinie eröffnet außerdem für die von ihr berührten und
„enachbarten Straßen neue Aspekte, die von der Spekulation aus—
genützt werden. Die Gegend des Kottbnser Damms z. B. gewährt
etzt einen gegen früher völlig veränderten Anblick, und der Aus—
au in den von der Bahn durchschnittenen Straßenzügen dürfte
etzt in beschleunigterem Tempo von Statten gehen Lebhafte Bau—
hätigkeit, trotz hoher Bodenpreise, herrscht in dem zwischen Schöne—
»erg und Charlottenburg, nahe dem Zoologischen Garten belegenen
Terrain, während die Entwässerungsfrage jener Gegenden noch
mmer im Schooße kommissarischer Berathungen der betheiligten
Bemeinden ruht. In letzter Zeit trat der Kurfürstendamm auch
vieder in den Vordergrund. Ob aber die in Betrieb gesetzte
Dampfbahn nach dem Grunewald nun Baulustige herbeiziehen
werde, um die leeren Straßenseiten mit Häusern zu versehen, bleibt
abzuwarten. Bezüglich der vielen Gerüchte über bereits geschehene
Verkäufe ist nicht festzustellen, was davon Wahrheit, was nur
Reklame ist.
Gegenüber der gestiegenen Bauthätigkeit hat sich das Ver—
hältniß der Zwangs-Versteigerungen insofern günstig geftellt,
als die Zahl der Subhastationeun bebauter Grundstücke in 1884
noch eine Kleinigkeit niedriger als im Vorjahre geblieben.
Im Hypothekengeschäft machte sich bei den Besitzern noch
fortgesetzt das Bestreben geltend, sich die Vortheile des billigen
Beldstandes zu verschaffen. In der That bilden denn auch die zu
rüheren Zinssätzen noch eingetragenen Hypotheken ein Hinderniß
iür die Verkäuflichkeit der betreffenden Grundstücke. Und in diesem
Amstande liegt gleichzeitig die Erklärung fuͤr die in den letzten
Jahren immer mehr hervortretende Abneigung gegen Amortisations-—
Hypotheken. Es wird dabei übersehen, daß der vor 6—12 Jahren
iufgenommenen Hypothek ein unter ganz anderen Geld- und Zins⸗
Verhältnissen zu Stande gekommener Vertrag zu Grunde liegt,
)essen Lösung der betreffenden Bank auch nur dann möglich ist,
venn sie den der Hypothekensumme entsprechenden Betrag von
Pfandbriefen einer bestimmten Serie aus dem Verkehr ziehen kann.
Bei den soliden Hypothekenbanken werden denn auch, nach Maß—
Jabe der seit ca. 4 Jahren eingeleiteten Pfandbrief-Konverti ungen,
den Hypothekenschuldnern dauernde Zins Reduktionen gewährt. Man
hjat ferner Amortisations-Hypotheken vielfach in laugsichtige Ein—
ragungen ohne Amortisations-Zwang umgewandelt, womit den
jegenwärtigen Verhältnissen am ehesten Rechnung getragen wird.
Solche Umwandlungen sind aber bei einzelnen Preußischen Grund—
rredit-Instituten, wie der Preußischen Boden-Kredit-Aktien-Bank,
er Preußischen Hypotheken-Aktien Bank, der Schlesischen Boden—
tredit-Aktien-Bank, nicht durchführbar, weil sie, unter der Herr—
chaft der von der Staatsregierung festgestellten Normativ-Be—
timmungen, in der Erwerbung kündbarer Hypotheken ohne Amor—
isation beschränkt sind, während andere, ebenfalls Preußische In—
titute, wie die Preußische Zentral-Boden-Kredit-Aktien-Gesellschäft,
die Deutsche Hypotheken-Bank in Berlin und die Pommersche
Hypotheken-Bank in Köslin, ferner alle übrigen Deutschen-Boden—
kredit-Banken, jener Beschränkung nicht unterworfen sind. Alle
uuf die Beseitigung dieser Anomalie bisher gerichteten Bestrebungen
haben sich als fruchtlos erwiesen.
Im offenen Markte haben die Zinssätze für kündbare Stücke
h»as ganze Jahr hindurch nur wenig geschwankt. Für allerfeinste
Sicherheiten war eher noch eine allmälige Neigung zu weiterer
Ermäßigung der Zinsrate erkennbar, weil derartiges Material an—
dauernd schwer zu beschaffen war. Indeß konnte trotzdem das
dilligste, nänmlich 49,3iges, Geld nur in Ausnahmefällen, und meist
nur für kleine Abschnitte, erlangt werden. Der Durchschnittssatz
ür Offerten ersten Ranges ging von Mi, bis auf 41,046 zurück.
Die allgemeine Notiz blieb aber , — 410,0; weniger gute Oua—
ität bis 50,5. Amortisations Hypotheken 45, —5“0 inkl. Amor—
isation. Baäugelder für solvente Unternehmer 5—605 Zinsen
Jahresbericht über Berliner Hypotheken und
Grundbesitz Verhältnisse
ovon Heinrich Fränkel, Berlin, Friedrich-Straße 104 4.
Schluß.)
Dauernd gute Kauflust herrschte für Bauterrains, welche bei
zuter Lage und nicht allzu sohen Forderungen ziemlich leicht zu