Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 45, Bd. 4, 1885)

359 
Das Recht der Grenzzeichen. — Die Konstruktionen von Tribünen, Triumphbögen und Aehnlichem. 360 
theiligten Grenznachbarn, sei es durch die zuständige Behörde, ge— 
setzt find. Die einseitige Willkür eines Grenznachbarn kann einem 
Verkmal nicht die Befstimmung eines Grenzzeichens geben“. 
Die Qualität als Grenzzeichen entsteht indeß nicht schlechthin 
uind ohne Weiteres dadurch, daß es eine Behörde ist, welche dessen 
Setzung verfügte, oder daß ein Beamter, z. B. ein vereideter Feld— 
messer, ein solches Zeichen angebracht hat. Ist z. B. eine Grenze 
zwischen Nachbarn streitig und einer von diesen requirirt einen 
beeidigten Geometer, um sie nach der Karte zu ermitteln, geschieht 
es und setzt er alsdann einseitig das Zeichen, so hat dies keines— 
wegs die Eigenschaft eines Grenzzeichens, welches unter dem 
Schutze des 8 274 Ziff. 2 stände. In dem zitirten Reichsgerichts— 
erkenntniß war die Grenze zwischen Vater und Sohn bestritten 
und der Sohn ließ durch einen Katasterkontroleur die Grenze er— 
mitteln, worauf er sie mit Pfählen absteckte. Indessen dadurch 
konnte eine für den Vater des Angeklagten maßgebende Grenze 
nicht hergestellt werden, da der Katasterkontroleur R. weder als 
jolcher, noch als beeideter Feldmesser befugt war, die Grenze in 
einer beide Grenznachbarn bindenden Weise herzustellen. So 
— 
mit dieser Grenzbestimmung ausdrücklich einverstanden gewesen ist, 
oder doch dieselbe stillschweigend anerkannt habe, lag in der Hand— 
lung des L. lediglich die Kundgebung seiner Ansicht, wie in Zukunft 
die Grenze zu bestimmen sei. Da nun der erste Richter ferner 
uinnimmt — und diese Annahme entzieht sich als eine rein 
thatsächliche einer Nachprüfung in dieser Justanz — daß der Vater 
des Angeklagten weder ausdrücklich noch stillschweigend der neuen 
Grenzbezeichnung zugestimmt habe, so kann es für rechtsirrthümlich 
nicht erachtet werden, wenn im vorliegenden Fall den von L. ein— 
seitig gesetzten Pfählen der Charakter eines zur Bezeichnung der 
Grenze bestimmten Merkmals abgesprochen ist. Lag aber dieses 
obiektive Merkmal des Thatbestandes des 8 274 Ziff. 2 a. a. O. 
nicht vor, so müßte die Freisprechung des Angeklagten von diesem 
Vergehen erfolgen. 
Was nun weiter den Charakter eines ächten Grenzzeichens 
anbetrifft, so kann dasselbe entweder von Menschenhand gefertigt, 
oder ein durch die Natur schon erzeugtes Objekt sein, z. B. ein 
Baum, eine Verschiedenheit der Erdoberfläche, wie ein Graben, 
eine zwischen zwei Grundstücken freigelassene Bodenfläche (Grenz— 
sain, Grenzgrabens. So entschied das Preuß. Obertribunal am 
3. April 10666. Immer aber wird für das fragliche Zeichen eine 
urkundliche, dem Beweise dienende Bestimmung vorausgesetzt 
und dieser urkundliche Charakter muß ihm in einer rechtsgültigen 
Weise beigelegt sein, z. B. durch Verfügung einer zuständigen 
Obrigkeit. Demgemäß erlangt durch eine Amtshandlung ein 
Begenstand die Bedeutung eines Grenzmerkmals nur in dem Falle, 
daß dem betreffenden Beamten auch die Befugniß beiwohnte, eine 
derartige Bestimmung in einer für die Grenznachbarn maßgebenden 
Weise zu treffen. 
Damit nun — um auch dies kurz zu berühren — die Be— 
strafung aus 8 274 Ziff. 2 Platz greife, ist erforderlich, daß die 
fragliche Grenzverletzung geschehe in der Absicht, einem Andern 
Nachtheil zuzufügen. Dieser Nachtheil, der nicht schon in der 
sormalen Rechtsverletzung, welche durch die Grenzveränderung 
bewirkt wird, gefunden werden darf, braucht übrigens kein ver— 
mögensrechtlicher zu sein, auch kein bleibender und wird durch die 
Absicht späteren Ersatzes nicht beseitigt. Es genügt die Absicht, 
durch die Handlung dem Andern diejenigen Vortheile zu entziehen, 
velche für ihn aus einem rechtlich begründeten Besitze« oder Rechts— 
zustande entspringen, also namentlich ihm das Beweismittel des 
Grenzzeichens zu verkümmern. Ob der Besitzstand rechtsbegründet 
war, darauf kommt es nicht an. Der Thäter ist mithin auch 
trafbar, wenn er sich durch die Handlung den Beweis eines Rechtes 
sichern will, denn die Selbsthilse schließt jene Absicht nicht aus, 
und ebensowenig erfordert das Gesetz, daß noch über sie hinaus 
ein weitergehender Schaden gestiftet worden ösei— 
daß es auch unter Umständen ein großes Unglück geben kann; man 
ieht also, daß die Sache nicht ohne Verantwortlichkeit ist. Was 
die Wetterbeständigkeit anbelangt, so muß doch bedacht werden, daß 
»as Bauwerk aus Vorsicht möglichst einen halben bis ganzen Tag 
venigstens vor dem Festgepränge schon fertig ist; andrerseits 
'ann sich die Ankunft der zu Erwartenden (z. B. des Landes— 
ürsten) durch unvorhergesehene Zwischenfälle verzögern; inzwischen 
st vielleicht Regenwetter, wenn auch vorübergehend, eingetreten, 
ind macht einigen recht sonnigen Tagen Platz. Leichte Brettver— 
chaalungen springen bei solchen Gelegenheiten leicht ab, die Tünche 
vird vom Regen abgewaschen und das Ganze sieht dann, wenn 
es ohne jede Sorgfalt ausgeführt wurde, ganz desparat aus, man 
hat am Ende eine Karrikatur vor sich! Der dritte Vunkt ist auch 
richt zu verachten; gewöhnlich werden bei solchen Bauwerken Wachen 
»estellt; aber es kann auch einmal nicht der Fall sein; es giebt sehr 
»öswillige Leute, dumm und schlecht, deren höchstes Vergnügen 
darin besteht, Anderen alle Freude zu verderben; gegen solche Feinde 
muß man sich, so gut es geht, schützen. 
Diese Bauten richten sich natürlich nach der Bedeutung des 
Festes, nach dem Range der zu ehrenden Persönlichkeit und nach 
»em Range der Ortschaft, von welcher das Bauwerk herzustellen 
—DV0 
zroßen Marktflecken beanspruchen darf; was für ein kleines Provinz— 
tädtchen etwa genügt, ist für die Provinzhauptstadt unzulänglich; 
ind was für die Letztere passend erscheint, dürfte jedenfalls für die 
Residenz oder Reichshauptstadt primitiv oder lächerlich erscheinen. 
Ich bin öfters auf dem Lande bei solchen Gelegenheiten um 
Rath gefragt worden und habe denselben nach besagten Maß— 
iahmen vertheilt; wir haben in Wien in letzten Jahren mehrfach 
Helegenheit gehabt, solche Arbeiten von A—Z kennen zu lernen 
ind hierin nach bewährten Mustern Erfahrungen zu sammeln; 
vir haben in Wien Zimmerleute, Banmeister und Architekten, die 
ich in diesem Fache zu förmlichen Spezialisten ausgebildet haben. 
Selbstoerständlich kann die Konstruktion und das ganze 
Arrangement eines sogenannten „Triumphbogens“ (Fest-Durchfahrts- 
oiforte) vom Allereinfachsten bis zum Prächtigsten und Komplizirte— 
ten gehen; für ein Dorf z B. gelegentlich etwa eines Bischofs— 
ubiläums, oder Schul- und Kirchenvbisitation, Inspektionsreise eines 
Statthalters, oder selbst des Monarchen wird selten etwas Anderes 
gemacht, als einfacher Bogen mit zwei Nebendurchgängen; dazu 
sind erforderlich zwei hölzerne Hauptsäulen und zwei Nebensäulen 
aus langen Holzbalken“). Die Bögen werden lehrgerüstartig her— 
zestellt und die Längsbalken (als Säulen) mit Querbalken und 
eisernen Klammern gut verbunden. 
Das Ganze wird dann mit Tannenreisig oder Eichenlaub 
sapeziert (belegt). Darauf bringt man eventuell noch Tafeln mit 
Inschriften, Wappen, sowie Fahnen an. Die Weite der Durchfahrt 
muß immerhin ca. 82V9 22/3 —3 meähaben:; die Höhe des 
Bogens betrage ca. 1I5-16 55 . 
Die Balkensäulen müssen selbstverständlich gut und verläßlich 
eingerammt werden; man macht eine ca. 23—1m tiefe, ent— 
prechend weite Grube, stellt die Säule hinein und macht sie durch 
Erde, Holzkeile, Steine und mittelst der Handramme fest. 
Was die Lokalisation anbelangt, so soll sie immer so gewählt 
werden, daß bei eventuellem Brande kein Obiekt in der Naͤhe da— 
durch Schaden leidet. 
Für Marktflecken und kleine unbedeutende Städtchen 
nacht man gewöhnlich die Sache doppelt, wodurch sie mehr 
dörper bekommt; danun wählt man auch größere Dimensionen; die 
Durchfahrt erhält hierhei eine Breite von ca. I0 -12 — 314m; 
die Höhe ca. 1821 - 6—-7 w. Dementsprechend sind unatürlich 
ruch die Seitenöffnungen zu halten; die Tiefe des Bauwerkes be— 
xägt mindestens 153m. Die Vorder- und Rückschablone, d. h. das 
»ordere und rückwärtige Gerüst, werden mit einander durch horizon— 
'ale Oner- und obendrein noch meistens mit Kreuszverstrebungen 
) verbunden. 
Dekorationsweise wie oben, selten mehr und schöner. 
Für Provinzstädte größerer Art, Hauptstädte xc. 
nuß dagegen schon mehr geschehen; jeder Fall erheischt seine be— 
onderen Einzelheiten, auf welche hier natürlich nicht eingegangen 
verden kann; auch kann man den Baukünstlern, welche mit derlei 
Aufträgen betraut werden, nichts vorschreiben, weil sie das selbst 
vissen werden, was sie zu thun haben; daher kann man nur die 
Zache im Allgemeinen besprechen. 
Die Dimensionen für derlei Bauten sind unter erwähnten 
Amständen folgende: 
Breite der Hauptdurchfahrt ca. &,—7m; Höhe derselben 
»om Straßenniveau bis zum Scheitel des Bogens ca. 61/, —9/, m; 
Seitendurchlässe ca. 223 m breit, 31/ —5 m hoch, Tiefeé 
ca 3—88 m. 
*Gerüsthäume“ 
Die Konstruktionen von Tribünen, Triumph— 
bögen und Aehnlichem. 
Die in neueren Zeiten wieder häufig vorkommenden festlichen 
Gepränge bei Ankunft, Abfahrt, Ruͤckkehr, oder bei Jubiläums— 
Aufzügen zu Ehren höher und höchster Persönlichkeiten haben eine 
eigenthümliche Art von Bauten nothwendig gemacht, die mehr für 
den momentanen Zweck, auf den Tag und fuͤr das Auge berechnet 
sind, dennoch aber und immerhin Liner gewissen Solidität in 
Bezug auf Stabilität, Wetterbeständigkeit, ja selbst Feuer 
sicherheit nicht gänzlich entbehren sollen; welche Blamage wäre 
es, wenn ein solcher Bau in dem Moment einstürzte, als eben 
der hohe Gast ꝛc. vorbei- oder durchführe! Abgefehen davon.
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.