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Das neue Submissions-Verfahren. — Ueber Ziegeldächer in nördlichen Ländern.
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Ministers der öffentlichen Arbeiten über die Vergebung von
Leistungen und Lieferungen jedenfalls in seiner Hauptsache nach
zin bedeutender Fortschritt gegenüber dem bisherigen Submissions—
Lerfahren.
Wir begrüßen daher diesen Erlaß des Ministers der öffent—
ichen Arbeiten und geben der Hoffnung Raum, daß auch die
zroße Anzahl städtischer und kommunaler Behörden dem Vorgehen
der preußischen Regierung folgen werde, wie dies ia bereits in
einigen Städten wirklich der Fall ist.
Wenn auch unter den neuen Bestimmungen neue Uebelstände
inzweideutig hervortreten, was erst noch die Praxis zeigen wird,
o sind doch eine große Anzahl Schäden des alten Versahrens in
Wegfall gekommen und dem Submittenten ist wenigstens Sicher—
heit geboten, daß nur wirklich reelle Angebote berücksichtigt werden
ind die Schleuderkonkurrenz dadurch beseitigt wird. Das haupt—
ächlich Maaßgebende für den Zuschlag ist die Leistungsfähigkeit des
Lieferanten, und die Angemessenheit d.s Preises der angebotenen
Waaren und Arbeiten, rücksichtslose Ausschließung von Angeboten,
velche eine in offenbarem Mißverhältniß zu der betreffenden
Leistung oder Lieferung stehende Preisforderung enthalten, nach
velchem eine entsprechende „tüchtige“ kunstacrechte Ausführung nicht
»rwartet werden kann.
Ein sehr wesentlicher Punkt des neuen Submissions-Ver—
ahrens ist der, daß große und umfangreiche Arbeiten derart in
leinere Loose zerlegt werden müssen, daß auch kleineren Unter—
iehmern, Gewerbetreibenden und Handwerkern die Bewerbung er—
möglicht wird. Bei größeren Bauten hat die Vergebung nach den
einzelnen Titeln des Anschlags — den verschiedenen Handwerks—
weigen entsprechend — zu erfolgen, umfanareiche Anschlaastitel
ind in mehrere Loose zu theilen.
Werthvoll für die gesammte Gewerbsthätigkeit sind ohne
Zweifel die neuen Verordnungen über die Leistung der Zahlungen
uind Abschlagszahlungen, welche bisher so vielfach Anlaß zu be—
rechtigten Klagen gab. Auch die Bildung von Schiedsgerichten
zur Schlichtung der Meinungsverschiedenheiten ist grundsätzlich
hdurchaus richtig. Nicht weniger liegen die neuen Bestimmungen
äber Kautionen und Konventionalsträfen, über das Maaß der den
Anternehmern vertragsmäßig aufzuerlegenden Verpflichtungen, über
die Beseitigung des früheren Vorbehalts einer einseitigen Ver—
nehrung oder Verminderung der verdungenen Lieferungen, über
zie Lieserungs- und Zuschlagsfristen u. s. w. im Interesse des
zesammten Gewerbestandes und damit zugleich im Interesse des
Fiskus.
Die Bestimmung, daß Nachgebote grundsätzlich ausgeschlossen
ein sollen, wird von den Produzenten gewiß sympathisch aufge⸗—
iommen werden. Der Wegfall der Abgebote vom Kostenanschlag
dagegen hat, so richtig es an sich auch ist, doch eine Kehrseite, in—
dem durch diese Bestimmungen die größeren Unternehmer begünstigt
verden. Im Baugeschäft z. B. ist der große Unternehmer, dessen
Beschäft nach allen Richtungen kaufmännisch betrieben wird, viel
eichter im Stande, ganz bestimmte Einheits- bezw. Gesammtpreise
priori abzugeben als der einzelne Handwerker, für welchen der
„ehördliche Köstenanschlag immer einen gewissen Anbalt für seine
PBreisforderung bot.
Auffallend erscheint es, daß das Urtheil über Leistungsfähig—
eit des Fabrikanten, Werth der Leistung, Angemessenheit des
Preises, wie bei dem früheren Submissions Verfahren, dem freien
Ermessen eines einzelnen Oberbeamten überlassen bleibt. Ebenso
Ferhält es sich mit der Abnahme der Arbeiten. In beiden Fällen
väre den Gewerbetreibenden für die richtige Beurtheilung ihrer
Angebote und der geleisteten Arbeiten und Lieferungen größere
Sicherheit geboten worden, wenn die Beurtheilung einer Sach—
verständigen-Kommission zu unterliegen hätte, und dem betreffenden
Dberbeaniten doch noch ein entscheidendes Wort beim Zuschlag
erblieben wäre.
Warum bei engeren Submissionen der Zuschlag dem Mindest—
'ordernden unbedingt zufallen soll, ist nicht einzusehen, denn auch
inter den bei engeren Submissionen konkurrirenden Firmen kann
iicht die Preisfiellung allein maaßgebend sein, es kommen dabei
»ielmehr genau dieselben Verhältnisse in Betracht, wie es bei
zffentlichen Ausschreibungen der Fall ist.
Vor allen Dingen erregt es Befremden, daß auf die als
Regel aufgestellte öffentliche Ausschreibung von Arbeiten und
Lieferungen keine Veröffentlichung des Terminresultates folgen soll.
Dieser Punkt ist in höchstem Grade bedenklich. Die Gründe,
vpelche in den Sachverständigen-Konferenzen von verschiedenen
Seiten für die Geheimhaltung der Submissions-Resultate vorge—
bracht wurden, sind nicht stichhaltig. Es mag ja sein, daß nament—
ich in Zeiten wirthschaftlichen Niederganges die Veröffentlichung
der Angéebote den Produzenten insofern unbequem sein mag, als
aiedrige Offerten auf den Preisstand des betreffenden Artikels im
illgemeinen Handel einwirken, aber viel wichtiger als diese Er—
vägung ist doch die Nothwendigkeit, der öffentlichen Meinung das
Maäterial zu liefern, mittelst dessen die für die Beurtheilung der
virthschaftlichen und handelspolitischen Lage hochwichtigen Ver—
zleiche zwischen den Angebotspreisen bei öffentlichen Verdingungen
ind den Preisen des Weltmarktes angestellt werden können. Die
Heheimhaltung der Resultate kann nur den Zweck haben, die von
den Vereinigungen der Produzenten geforderten hohen Preise der
Deffentlichkeit vorzuenthalten und die denselben unbequeme Kritik
inmöglich zu machen. Angesichts des großen Interesses, welches
eder Steuerzahler an der Höhe der für Lieferungen für öffentliche
Zwecke angesetzten Etatspositionen hat, erscheint es in der That in
sohem Gräde bedenklich, daß der Minister in diesem wichtigen
Zunkte dem Verlangen einer Anzahl Industrieller nachzegeben hat.
Daß dieselben vorzugsweise ein Interesse an der Geheimhaltung
der Anbietungspreise haben, liegt für jeden Uubefangenen, der die
Lerhältnisse kennt, auf der Hand. Die Handwerker und das
dleingewerbe, welche schon bei den Sachverständigen-Konferenzen
iur sehr ungenügend vertreten waren, sind in diesem wichtigen
Zunkte gewiß nicht ausschlaggebend jür die ministerielle Ent—
chließung gewesen.
Für die Geheimhaltung der Angebote, von der es übrigens
ehr fraglich ist, ob sie überhaupt praktisch durchzeführt werden
ann, ist kein einziger stichhaltiger Grund angeführt worden, sie
ient nur zur Vermeidung der öffentlichen Kritik und zum grund—
ätzlichen Ausschluß ausländischer Angebote; denn man macht es
»em Auslande unmöglich, Angebote zu stellen, wenn es Nichts von
en von der inländischen Konkurrenz geforderten Preisen erfährt.
debrigens wird es immerhin möglich sein, wenn nicht eine sehr
zenaue Kontrolle eingeführt wird, daß auch Personen Zutritt er—
angen können, von denen man das Geheimniß erfahreu kann, selbst
venn sie als Bewerber oder als Vertreter von Sabmissionen er—
cheinen. Wir würden daher vorziehen, entweder das bisherige
Zerfahren der Oeffentlichkeit beizubehalten, oder aber dieielbe ganz
zuszuschließen und zwar auch für den Submittenten. Nach dem
ieuen Verfahren der theilweisen Geheimhaltung wird immerhin
twas davon in die Oeffentlichkeit dringen, die Konkurrenz erfährt
soch etwas und wenn es auch aus dritter oder vierter Hand ist,
ind wenn auch die Zaählen bereits mehrfach unwillkürlich geändert
ind und das ängebliche Resultat ein wesentlich anderes ist, als in
Wirklichkeit. Dieser Fall ist der schlimmste, er kann aber nicht
n, weshalb wir für Oeffentlichkeit oder absolute Aus—
chließung und Aufhebung der Abhaltung von Terminen eintreten
nüssen. Niemand wird ja leugnen können, daß für den Industriellen
zie Kenntniß seiner Konkurrenz eine der ersten Bedingungen des
rationellen Geschäftsbetriebes ist. Schneidet man dem Auslande
ind außerdem den zufällig an einer Verdingung nicht theilnehmen—
»en inlaͤndischen Industriellen diese Kenntniß durch Geheimheiltung
zer Angebote ab, so wird zweifellos das Jiteresse des Ganzen zu
gunsten von Sonderinteressen geschädigt. Wir möchten also dringend
empiehlen, den Passus über die Geheimhaltung der Angebote aus
zen neuen Bestimmungen zu streichen. Andernfalls ist zu erwarten,
aß im preußischen Landtage diese so wichtige Angelegenheit zur
Zurache gebracht werden wird.
Der eben besprochene prinzipielle Fehler der neuen Be—
timmungen soll uns indessen nicht abhalten, die im Gesammt—⸗
nteresse' des deutschen Gewerbfleißes liegenden guten Seiten der
seuen Verordnung anzuerkennen. Wir sind ganz damit einver—
tanden, daß bei der Zuschlagsertheilung nicht vorzugsweise die
iiedrige Preisstellung entscheidet, sondern daß die Auswahl unter
en drei Mindestfordernden vorbehalten bleibt und nicht etwa, wie
s ein Theil der Sachverständigen wollte, der Mindestiordernde
zrundsätzlich ausgeschlossen wird, Diese neue Bestimmung hält
inseres Eraͤchtens die richtige Mitte zwischen den Interessen des
Fiskus und denjenigen der anbietenden Industriellen. Ein weiterer
vortheil für die Submittenten und die Behörden liegt darin, daß
ie neuen Bestimmungen „Allgemeine“ sind und nicht jeder
Zubmission angehängt werden, sondern daß einfach auf dieselben
is allgemein bekanut verwiesen wird. Ebenso ist hier zu er—
vähnen die Summe, bei welcher die Errichtung eines Vertrages
ibgesehen werden konnte, die von 500 Mk. auf 1990 Mk. erhöht
vorden ist. Für die Rechtsgültigkeit des Uebereinkommens ist auf
onstige einfache, etwa briefliche, wie im Geschäits-Verkehr ühliche
Weise nachzukommen.
Ueber Ziegeldächer in nördlichen Ländern.
(GHierzu 5 Fig.)
Es ist eine bekannte Thatsache, daß die zur Dachdeckung in
Mittel und Süddeutschland viel verwendeten Dachsteine (die so—
senannten Biberschwänze) sich, ie weiter man nach Norden kommt.