Berichte aus verschiedenen Städten.
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von Menschen“ bestimmt und daher Wohnräumen gleich zu
achten?“
In oben bezeichneter Sache ist diese Frage zu Gunsten der
Berliner Hausbesitzer entschieden. Der Sachverhalt ist nach dem
„Grundeigenthum“ folgender:
Der Eigenthümer A. erbaute 1881, 1882 und 1883 nach
und nach 3 nebeneinanderliegende Wohnhäuser in der Nähe der
Königgrätzerstraße, deren Erdgeschosse zu Verkaufsläden mit ange—
schlossener Parterre-Wohnung eingerichtet sind. Jeder Verkaufs—
laden ist mit dem unter ihm liegenden gewölbten Kellerraum
durch eine Treppe direkt verbunden, damit nach Wunsch
des Miethers dieser Keller als Waarenlager oder als Arbeitsraum
(für Schuhmacher, Schneider, Sattler, Tapezierer u. s. w) oder
auch als Küche benutzt werden kann. Jeder dieser Keller erhält
durch zweiflügliche Fenster Luft, Licht und Sonne, ist rundum
massiv hergestellt, enthält eine Kochmaschine, ist aber nicht
250 Mtr. hoch, da er als Wohnung nicht dienen soll. Das
Königliche Polizei-Präsidium forderte nunmehr im Jahre 1884
die Beseitigung aller dieser Kochmaschinen im Keller und sämmt—
licher Treppen in den Läden, weil dieselben „im Kontraventions—
wege hergestellt“ seien, — in den Polizei-Zeichnungen waren
nämlich diese Kochmaschinen und kleinen Treppen nicht verzeichnet
— bei 90 Mark Strafe oder 6 Tagen Haft für jeden Fall. —
Auch betrage die Höhe der Keller nicht 2.50 Mtr. — Der Eigen—
hümer klagte auf Aufhebung sämmtlicher Verfügungen mit dem
Hinweis darauf, daß die fraäglichen Anlagen sowohl im Rohbau
als nach völliger Herstellung der Häuser in den Jahren 1882
und 1883 durch das Polizei-Präsidium revidirt und genehmigt
eien, daß auch das Fehlen dieser Anlagen in der Polizei-Zeichnung
kein Mangel sei, weil das Rohbauprotokoll des Präsidiums aus—
drücklich vorschreibe: „kleine Abweichungen von der Zeichnung
sind gestattet'. Eine Kontravention liege also nicht vor. Im
Uebrigen erfordere die Benutzung eines Kellers als Küche oder
Arbeitsraum die für Wohnungen vorgeschriebene Höhe von
250 Mir. nicht. — Der Königl. Bezirks-Ausschuß“ erkannte
hierauf auf Aufhebung sämmtlicher polizeilichen Verfügungen.
Die vorgetragenen Behäuptungen der beklagten Polizeibehörde,
daß die zweite Revision nur durch städtische Rathsmeister ohne
Königlichen Bauinspektor geschehen, daß an Küchen dieselben An—
orderungen zu stellen seien in Bezug auf Höhe, wie an Wohn—
zimmern, daß die Kochmaschinen und die fraglichen Treppen nur
aingelegt seien, um eine wohnliche Benutzung der Kellerräume im
Zusammenhang mit den Erdgeschoßräumen zu ermöglichen, daß
die Beseitigung der Kochmaschinen erforderlich sei, weil sonst eine
»olizeiliche Koutrolle nicht möglich erscheine, hatte also keinen recht—
lichen Crfolg. — Gegen die abweisenden Erkenntnisse legte die
Verklagte die Berufung ein und begründete dieselbe damit, daß die
Beseitigung der Kochmaschine erforderlich sei, weil eine polizeiliche
Kontrolle, daß der Kellerraum nicht doch zu Wohnzwecken benutzt
würde, sonst ermöglich erscheine. Um diese Benutzung zu hindern,
vürde es einer täglichen Revision bedürfen; dazu reichten aber
die dem Revier überwiesenen Executivkräfte nicht aus. Auch das
Kommando der Schutzmannschaft habe sich sowohl principiell,
vie aus dienstlichen Rücksichten gegen eine solche Kontrolle ausge—
prochen. Der Eigenthümer bestritt demgegenüber, daß die Polizei⸗
hehörde zur Erleichterung ihrer Kontrolle bauliche Veränderungen
an seinem Hause fordern dürfe. Uebrigens ständen Kellerräume
dielfach mit Wohnungen durch Treppen in Verbindung. — Das
erste Urtheil wurde bestätigt. In den Erkenntnißgründen wird
hervorgehoben, daß, wenn es sich auch um die Errichtung einer,
der polizeilichen Erlaubniß bedürftigen Anlagen ohne vorgängigen
Tonsens handeln sollte, dies doch nicht die einfache Beseitigung,
fondern zunächst eine, den gesetzlichen Anforderungen entsprechende
Umgestaltung nothwendig mache. Erst wenn der Betheiligte
dazu nicht im Stande oder Willens sei, könne sich die Beseitigung
als statthaft erweisen. Im Weiteren könne dem Hauseigenthümer
nicht ein entsprechender Umbau seines Hauses deshalb aufgenöthigt
werden, weil durch eine, etwa für nöthig erachtete Kontrolle eine
Ueberbürdung der polizeilichen Excutivkräfte — selbst nach Aeußerung
des Konkmando's der Schutzmannschaft — eintreten würde. Für
das Fortschaffen der Kochmaschinen und der Treppen könne daher
die Unzulänglichkeit der polizeilichen Kräfte keine rechtliche Grund—
lage abgeben. Anhaltspunkte dafür, daß eine Verwendung der
sKellerräume zu andern als Wohnzwecken ausgeschlossen bleibe,
jeien nicht erbracht, es beruhe aber in der Notorietät, daß so aus—
gestattete Kellerräume zahlreichen andern wirthschaftlichen und ge—
verblichen Zwecken zu dienen geeignet seien. Die immerhin
estehende Möglichkeit einer mißbräuchlichen Benutzung eines
dellers berechtigt nicht zu Maßregeln, welche zugleich eine ganze
Reihe solcher Verwendungen unmöglich machten, denen an sich
ein gesetzliches Hinderniß nicht entgegenstehe und welcher sich ledig—
lich als eine erlaubte und berechtigte Eigenthumsverwerthung
darstellten. Die Kosten wurden der Staatskasse auferlegt.*)
Berichte aus verschiedenen Städten.
Berlin. Man schreibt der „Voss. Ztg.“: „Die Klagen über
die unpraktische Einrichtung vieler uüunserer modernen
Staatsbauten, welche gelegentlich der Verhandlungen über das
Bebäude des Unterrichtsministeriums im Abgeordnetenhause laut
vurden, sind keineswegs unbegründet. Indeß liegt die Schuld
weniger an den Staatsarchitekten, welche mit der Ausführung
dieser Bauten betraut waren, als vielmehr an dem eigenthümlichen
Sparsamkeitssystem, welches bei der Erwerbung der betreffenden
Bauplätze von Seiten der Regierung befolgt wird. Bei der Aus—
vahl eines solchen Bauterraius wird als maßgebendster Faktor
der billige Grundstückspreis und erst in zweiter Linie die Brauch—
barkeit in's Auge gefaßt. Ist es überhaupt fiskalisches Terrain,
velches zum Bau benutzt werden kann, so ist dasselbe eo ipso
zur Ausführung des projektirten Baues geeignet. Der Staats
architekt hat nun mit den oft unüberwindlichen Schwierigkeiten
zu kämpfen, auf einem solchen billigen, aber ungünstigen Bauplatz
ein geeignetes Gebäude, welches genügenden Raum, genügendes
Licht und gute Cirkulation bieten soll, zu errichten. So haät sich
der verstorbene Schwatlo geradezu abquälen müssen, auf den
schmalen Frontgrundstücke an der Leipziger Straße, welches eine
»minente Tiefe besitzt, einen einigermaßen geeigneten Bau für die
Postbehörde aufzuführen. Und was ist daraus geworden? Die
um die Höfe gruppirten Geschäftsräume entbehren der guten Be—
leuchtung, die Korridore sind halb dunkel und von den im Erdgeschoß
gelegenen Räumen des Postmuseums müssen einige am hellen lichten
Tage mit elektrischem Lichte erhellt werden, abgesehen davon, daß
ich auch jetzt schon bei dieser Behörde ein bedenklicher Räummanget
zeltend macht. Diese Sparsamkeitsrücksichten in Bezug auf Erwerbung
zeeigneter Bauterrains haben nicht minder veranlaßt, daß eine Reihe
»on Monumentalbauten der Staatsverwaltung und der Unterrichts
»chörde an wenig bevorzugten Orten oder an solchen Punkten auf—
geführt worden sind, wo sie eine nothwendige Straßenregulirung
»öllig illusorisch machen und überdies in ein wirklich disharmonisches
Verhältnifßz zu schon vorhandenen Monumentalbauten der Nachbar—
chaft treten. Für den ersterwähnten Fall sind die Neubauten
in der Invalidenstraße, das Gebäude der Bergakademie, der land—
virthschaftlichen Hochschule und des noch zu errichtenden natur—
yistorischen Museums, charakteristisch, für den letzteren Fall der Er—
veiterungsbau des Finanzministeriums am Kupfergraben und das
BHebäude der Militär-Wittwen-Kasse. Bei solchen Monumental—
»auten, wie jene an der Invalidenstraße es sind, hätte man ein
Terrain wählen müssen, welches an einem freien Platze oder in
der Axe einer breiten Straße lag, auf daß diese Bauten zu wirklich
hontinirenden Mittelpunkten der gesammten Umgebung geworden
vären. Das Gebäude der Miilitär-Wittwen-Kasse an der König—
zrätzer Straße ist ein Hohn auf die Bestrebungen, welche zur Ver—
chönerung der dortigen Stadtgegend durch den Bau des Museums
iür Völkerkunde und des Kunstgewerbe-Museums gemacht werden.
In solchen Dingen sollte doch die Akademie des Bauwesens ein
räftiges Wort mitsprechen, auf daß Berlin nichts Staatsgebäude
erhält, welche im Großen und Ganzen nur den Eindruck von Moth
auten machen und bei deren Aufführung jede Behörde ohne Rück
sicht auf die andere ihren eigenen Weg geht.“
Berlin. Zur neuen Bauordnung. Die vor Kurzem
ibgehaltene, ziemlich zahlreich besuchte Generalversammlung des
Vereins Berliner Grundbesitzer darf als eine erste und
mmerhin bedeutsame Kundgebung unserer Hausbesitzer über den
ang erwarteten und jetzt so überraschend publizirten Entwurf der
ienen Polizei-Bauordnung betrachtet werden. Die Haltung war
ine ungemein erregte. Jeder der Hauptredner nahm einen besonderen
uind bezeichnenden Standpunkt zur Sache ein. Der Referent des
Vorstandes, Herr Zimmermeister Selhle, bestrebte sich mit technischem
Verständniß in einschneidender Weise einen Vergleich zwischen den
»isherigen und den zukünftigen Bauverhältnissen anzustellen, wobei
er, ohne die reformbedürftigen Uebelstände der Gegenwart zu ver—
chweigen, doch die ungerechten Härten, Unausführbarkeiten, Wider—
prüche und vor allem das Rigorose und Einseitige einer Tendenz
geißelte, welche den Housbesitzer wieder in einem, obenein unzu—
*) Abgesehen von dem anderweit bedeutsamen Inhalt dieses Er—
enntnisses, bietet dasselbe einen Anhalt für die Nothwendigkeit, daß in der
ieuen Bauordnung, entgegen dem jetzt vorliegenden Entwurf, überall eine
este Richtschnur und ein sicherer Anhalt gegeben wird, damit nicht kasuelle
»der opportune Beweggründe noch weitere Einschränkungen des Eigenthums
instreben, als nach dem Gesetz erforderlich ist. Insbesondere scheinen die
evormundenden Neigungen der Feuerwehr heute nicht außer Acht bleiben
u dürfen.