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Berichte aus Städten.
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einbürgern sollte, zu einer vollkommenen Umwälzung unserer
Heizvorrichtungen führen müßte. Es ist die Anwendung von
Naphtarückständen als Heizmaterial. Die Heizvorrichtung ist eine
einfache und besteht im Wesentlichen aus einem Medalleinsatz
in der Form eines Back- oder Bratofens. Dieser Einsatz kann
in jeden beliebigen Ofen geschoben werden. Außerhalb des
Ofens befindet sich zur Aufnahme des Heizmaterials ein Reser—
voir, das unten mit einem in den Heizraum mündenden, mittelst
Hahnes verschließbaren Rohre versehen ist. Zur Heizung gießt
man die einmal nach der Größe des Ofens festgestellte Menge
Naphtarückstände hinein, bringt zur Anheizung etwas Petroleum
auf die Pfanne, entzündet es und öffnet den Hahn des Reser—
voirs. Die anfangs langsam zufließenden Naphtarückstände ent—
zünden sich, und hat die Pfanne sich genügend erhitzt und ist
dadurch der genügende Zug entstanden, so brennen sie mit schön
weißer lichterleher Flamme. Für den kaum eintretenden Fall,
daß, bei zu starkem Zufluß des Heizmaterials oder bei starkem,
den Zug hinderndem Winde und gänzlicher Vernachlässigung
der Beobachtung des Zuflusses, ein Ueberströmen stattfinden
sollte, ist eine Rinne in dem Pfannenstiele angebracht, durch
welche das überflüssige Heizmaterial, nicht mehr brennend, in
ein an der Ofenmündung unten hängendes Blechgefäß abfließt.
— Aus dieser kurzen Beschreibung geht hervor, wie einfach
und handlich der ganze Apparat ist. Da man ihn nur in den
Heizraum des Ofens zu schieben braucht, so kann ein und der—
selbe Apparat der Reihe nach in den übrigen Oefen einer Woh—
nung Verwendung finden. — Bei diesem Heizverfahren hal
man es niemals mit lästigem Rauche zu thun. Die Heizung
geht vollständig geruchlos vor sich, die Gefahr aus dem Ofen
fallender glühender Kohlen kann nicht eintreten und die Er
hitzung der hier angebrachten halben Ofenthür ist bis zum
Lune der Heizung eine so schwache, daß man die Mestall—
klappe unbeschadet mit den Händen berühren kann; der Ofen
selbst wird in kurzer Zeit stark durchhitzt. Daß unter solchen
Umständen jene durch herausfallende glühende Kohlen und heiße
Ofenthüren verursachten Brandunglücke, denen hauptsächlich Kin—
der zum Opfer fallen, hier ausgeschlossen sind, liegt auf der
Hand. Unstreitig ist diese Heizungsmethode in vieler Beziehung
auch bequemer, als diejenige mit Holz. Selbst der ärmste Mann
muß ein für seine Verhältnisse zu großes Anlagekapital für das
zewöhnliche Heizmaterial anlegen und die Zufuhr ist mit Kosten
verknüpft. Es muß ein verhältnißmäßig großer Raum zur
Aufbewahrung vorhanden sein, das Zutragen zum Ofen kostet
Arbeit, Zeit und somit Geld. Ganz anders verhält es sich bei
dieser Heizung. Ein wenig Raum einnehmendes Gefäß hälf
das Heizmaterial für lange Zeit, der rein von der Tages—
einnahme lebende arme Mann kann den täglichen Bedarf an
Heizmaterial sich für einige Kopeken bei der Heimkehr mit—
bringen und, da die Naphtarückstände sich außerordentlich schwer
entzunden, diese an jedem beliebigen Orte gefahrlos aufbewahren
Diese Naphtaheizmethode ist allerdings fuͤr Rußland von um
so größerer Bedeutung, als der, dortselbst ganz gewaltige
Dimensionen annehmende Holzverbrauch, nicht minder der Ex—
port an Holz für Fabriken, Eisenbahnen und Flußdampfer, die
russischen Wälder in gefährlicher Weise bedrohen und die irra—
tionelle Ausrottung der Wälder oft dürre und erntelofe Jahre
hervorruft. Bekanntlich wird jetzt noch ein großer Theil der
Rückstände von Naphta einfach verbrannt, während diese Rück—
stände, einmal in Händel gebracht, ganz ungeheure Ersparnisse
bieten. Bürgert sich die Heizvorrichtung für Naphtarückstände
ein, so glaubt der Verfasser des Einganges erwähnten Artikels,
Herr Edwin Johansohn, den Holzkonsum auf die Hälfte herab—
drücken zu können. Das Pfund Naphtarückstände wird für
St. Petersburg vorerst mit I/ Kopeken berechnet, was bei
Verwendung von 150— 180 Heiztagen und von täglich 3 bis
5 Pfund 6 Rubel 75 Kop. bis 11 Rubel 25 Kop., respective
8 Rubel 10 Kop. bis 13 Rubel 50 Kop. jährlich ausmachen
würde. Die Heizvorrichtung käme auf 12 Rubel, welche nach
der Ansicht des Verfassers bald amortisirt sein würden. (Der
Rubel ist etwa gleich 2 Mark.)
chönsten Brücken der Welt zu werden. Die Hauptbrücken—
»ffnung erhält in ihrer Mitte eine Durchfahrt von 6 um lichter
Weite, die für die Schifffahrt frei bleibt. Das Gesims und
Beländer der Brücke wird in theils geschliffenem, theils polirtem
Granit ausgeführt werden, und zwar in kräftigen Formen. Als
Material ist Odenwalder Granit gewählt worden. Die Brücke
vird auch eine hervorragende künstlerische Ausschmückung er—
zallen, mit deren Herstellung der Bildhauer Prof. Lürssen be—
raut ist. Der urspruͤngliche Plan, die Brücke, welche den Namen
des Kaifers tragen wird, auch als Standort eines Denkmals
ür den Monarchen zu verwenden, ist wieder aufgegeben, nament—
iich, weil man den Kaiser nur inmitten seiner Paladine darstellen
und gleichzeitig die gesammte Kulturentwicklung während seiner
Regierungszeit zur Anschauung bringen müßte. Für ein solches,
zroß anzulegendes Monument, zu welchem der Raum selbst auf
dieser Brücke nicht genügt, ist jedoch schon, einer Zeitungs—
korrespondenz zufolge, ein anderer Platz in's Auge gefaßt. Auf
den vier Seitenabschlüssen der Kaiser Wilhelms-Brücke werden
Siegesgöttinnen Aufstellung finden, welche Rüstungen und Tro—
häen einschließen, die auf den Geländern der Brücke stehen
ollen. Professor Lürssen hat zur Herstellung derselben Skizzen
von den klassischen Rüstungen und Trophäen auf dem Dache
des Zeughaufes angefertigt.
Berlin. Ueber die Nothwendigkeit der Einführunng
»ines Befähigungsnachweises für die Baugewerbe war be—
anntlich von Reichswegen eine Enquete veranstaltet worden.
Der zu diesem Zwecke versandte Fragebogen enthielt vier Fragen:
In der ersten wurde Auskunft darüber verlangt, ob die
zunehmende Konkurrenz von Unbefähigten die wirklichen Sach—
verständigen bei der Ausführung von Bauten verdrängt habe
uud somit die Ausbildung eines sachkundigen Meisterstandes
in Frage stelle. Die zweite Frage bezog sich darauf, ob der
wachsende Mangel an Sachkenntniß Gefahren bei der Aus—
führung von Bauten in sich berge. Drittens sollte festgestellt
werden, ob von sachverständigen Baugewerbetreibenden, ins—
besondere von den jüngeren unter denselben, die Einführung
einer staatlichen Meisterprüfung gewünscht werde. Durch die
ietzte Frage sollte ermittelt werden, für welche Zweige des
Baugewerbes die Einführung einer solchen Prüfung für noth—
wendig erachtet werde.
Wie jetzt verlautet, sind die ersten drei Fragen fast durch—
veg in besahendem Sinne beantwortet, und was den Kreis der
Baugewerbetreibenden betrifft, für den die Wiedereinführung der
Meisterprüfung als nothwendig bezeichnet ist, so sind in der Mehr—
zahl der Antworten alle zum Baugewerbe gehörigen Handwerks—
weige angeführt worden. — Man darf hiernach auf eine neue
Sewerbenovelle vorbereitet sein, welche den Befähigungsnachweis
unächst für die Baugewerke in unsere Gewerbeordnung ein—
ühren soll.
Nürnberg. Gegen das sogenannte Trockenwohnen hat der
hiesige Polizeisenat eine einschneidende Maßregel beschlessen. Wie
zerichtet wird, sollen die Hauseigenthümer fortab verpflichtet sein,
iach Vollendung eines jeden Neu- oder Umbaues zur Beziehung
»der Benutzung' der hergestellten Wohn- oder Arbeitsräume die
Bewilligung des Stadtinagistrats nachzusuchen. Bei Zuwider—
zandlung wird sowohl der Vermiether wie auch der Miether
bestraft.
Wittenberg, 12. Mai. Brückenbrand., Heute Mittag
gerieth, wahrscheinlich durch einen auf das Balkenlager gefallenen
Jlühenden Nietbolzen, die fiskalische Elbbrücke an dem im Um—
»au begriffenen, dem von der Stadt abgewendeten linken Elb—
afer zugekehrten Theil in Brand. Das Feuer nahm, unter dem
herrschenden heftigen Westwind, und, da ihm zunächst nur die
leine, unbedeutende Handfpritze der Brückenkopf-Kaserne entgegen—
gestellt werden konnte, schnell, überband, und wären die fiskalische
Brücke sowohl wie die parallel dieser laufenden Brücke der nach
Leipzig und Halle führenden Bahn, nach welcher die Flammen
hon dem Sturm in fast horizontaler Richtung getrieben wurden,
unfehlbar vernichtet worden, wenn sich nicht die noch wenig be⸗
fannle Einrichtung der Lokomotiven, durch welche diese im Noth
fall als Dampfspritze verwendet werden können, so glänzend be—
währt hätte. Zwei vom Bahnbhofe an die Brandstelle gefahrene
Lokomoliven und die eines durch das Feuer aufgehaltenen, von
Leipzig kommenden Zuges warfen den Wasserinhalt ihrer Tender
sje 8000 h mit solcher Wucht in die Flammen, daß ganze Balken
Berichte aus Städten.
Berlin. Die Kaiser Wilhelmsbrücke, deren Lehr—
gerüste jetzt der Vollendung entgegengehen, verspricht eine der