Das neue Hamburger Krankenhaus auf dem Ependorfer Felde.
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Gleichwohl Ungarn schon längst nicht mehr als das Canaan
oder der Fruchtspeicher Europas angesehen wird, konzentrirt es
es doch mit den Entrepöts und Elevatoren kolossale Getreidemassen
und vermehrt diese noch durch diejenigen, die sonst transito von
Rumänien nach Wien und auswärts gingen. Nicht ohne prak—
tischen Grund will ich durch folgende Gefichtspunkte einen Ge—
danken anregen: In Ungarn befinden sich seit 1838 bis 1864
circa 100 Kunst- und Dampfmühlen, und von dieser Zeit an
ist ihre Zahl immer größer, heute zusammen circa 170, von
welchen die „Concordia“ und die „Panonia“ mit je 60 Mahl—
zängen und je 240 Pferdekraft die; bedeutendsten sind. Viele
dieser Dampfmühlen vermahlen per Woche 3000 bis 8000
Metercentner und werfen eine Dividende von 15 bis 20 04 ab.
Die von 1864 ab errichteten Dampfmühlen sind nach den neuesten
Resultaten der Technik und zumeist nach dem bewährten System
des Mühlbauers und Maschinenfabrikanten Lorenz Nemelka in
Simmering bei Wien und den Brüdern J. K E. Gilain,
Maschinenbauer in Tirlemont in Belgien, installirt. Trotz der
zroßen Getreideproduktion Ungarns ist die konkurrirende Leistuͤngs—
fähigkeit fremder Primagetreide geradezu enorm. Nach den stets für
uns lehrreichen Aktenstücken der nordamerikanischen Kommission
für Agrikultur und den dazu gehörigen Gewerben, denen der Herzog
von Richmond präsidirt, kostet ein Metercentner Getreide aus
dem Innern Nordamerikas, nach Leipzig, München oder Wier
gestellt, weniger als von Perjaͤmos oder Temesvaär nach Budapest
Um eines anregenden Beispiels wegen sei gesagt, daß nach den
oben erwähnten amtlichen Kommissionsberichten 1880 allein von
Amerika 28 Millionen und 300 000 Scheffel Primagetreide
auf 325 Schiffen nach Europa geliefert wurden, während ferner
Rußland noch die Hälfte und Rumänien den vierten Theil der
bezifferten Quantität zu exportiren im Stande sind.
Zu der Vielseitigkeit der Bedingung, um je größeren Nutzen
aus dem Getreide zu gewinnen, gehoͤrte nicht nur, wie seit
Langem, anstatt Korn gleich fertiges Mehl auszuführen, sondern
auch ein permanenter Markt, wo sich der Großhandel konzentrirt,
lokalisirt und konsolidirt. Somit brauchen die Produzenten —
deren viele heute Eile haben, weil sie schon bei elektrischem
Lichte dreschen — keine kostspieligen Granariums zu bauen und
zu assekuriren und auf keinen Käufer zu warten, sondern nur
berladen zu lassen und die Entrepötanstalt davon telegraphisch
zu avisiren, welche nach Bedarf auch die Transportspesen besorgt
und Vorschüsse anweist. Aus diesem System entsprang auch
die Institution des ebenso originellen als großartigen Elevator—
haues mit seinen eisernen Caissons, ein um seiner Eigenschaften
rappantes Wunder in der nationalen Haushaltung, das bei ihrer
elektrischen Beleuchtung sich wie ein märchenhaftes Gnomen—
treiben ansieht.
bene Spindel, um die Körner vor Verderben zu schützen. Der
Verkäufer erhält nach Werth und Kours einen Pfandschein (War—
rant) und einen Waarenzettel (Cedule), den er nach Belieben
verpfänden oder verkaufen mag.
Ist das Getreide in die erwähnten Caissonthürme geschüttet,
hraucht man diese nur unten wie ein Faß anzuzapfen, um das
Korn hervorquellen zu sehen. Wenn diese Thürme gefüllt sind,
dürfte es nirgends einen Punkt geben, der so riesige Last zu
ragen hätte, wie der Raum, den die Umfriedungsmauer des
Flevators einschließt. Auf einigen Quadratklaftern sechszig Mil—⸗
ionen Kilogramm. Und die Caissons fassen allein 600 000 Meeter-
entner, und wenn sie voll sind, köunte es auf der Welt hier das
neiste Brot geben. Die Pläne sind von dem durch den Süd—
»ahnhof, das beste Stadtbahnprojekt und viele vortreffliche Arbeiten
hekaunten Wiener Ingenieur Wilhelm Ritter von Flattisch. Der
Slevatorbau mit seiner Einrichtung kostete 2300 000 fl. und zeigt,
daß man nicht, wie anderswo, so viel theorisirt und in Wirthschafts—
und Handelsangelegenheiten auf dem Papier experimentirt, son—
dern in den Werkstaͤtten, wo die Güter entstehen, studirt und rasch
und werkmäßig schafft. F. X. K. . pf.
Das neue Hamburger Krankenhaus
auf dem Ependorfer felde,
dessen Anlage und Einrichtungen geradezu musterhaft genannt
verden können, war kürzlich im Hamburger Architekten- und
Ingenieur-Verein Gegenstand eines interessanten Vortrages seitens
des Herrn Behuneck.
Wie das „Wochenbl. für Baukunde“ mittheilt, referirte der
Jgenannte Herr in folgender Weise über obigen Bau:
Schou seit langer Zeit hatte sich das alte Krankenhaus
hier, das ursprünglich auf 1000 Betten berechnet und nach und
hach durch Anbauten zur Aufnahme von 1300 Kranken er—
weitert und das wohl dadurch das ausgedehnteste in ganz Deutsch—
land geworden, als nicht ausreichend erwiesen. Durch das rasche
Anwachsen der Bevölkerung in den 70ger Jahren und durch
die Freizügigkeit wurde zu einer gründlichen Abhülfe gedrängt.
Daher entschloß man sich, nach längeren, eingehenden Ver—
handlungen, das alte Krankenhaus auf 1300 Betten zu re—
zuziren, dasselbe für Sieche, chronische Kranke und als Eva—
»uationsanstalt zu benutzen, dagegen für schwere, jedoch heilbare
Kranke eine neue große Anstalt für 1100 Betten im Pavillon⸗
ystem zu erbauen. Im Winter 1883, 1884 wurden die dies—
bezüglichen Projekte ausgearbeitet und sodann von den Behörden
genehmigt.
Vor Beginn des' Baues trat im Juni 1884 eine Cholera—
nvasion ein und wurden nun innerhalb 4 Wochen 6 hölzerne
Baracken, in 6 Wochen ein provisorisches Verwaltungsgebäude
ind ein Leichenhaus und endlich im Laufe des Herbstes desselben
Fahres 8 massive Pavillons und J Desinfektionsgebäude auf dem
ür die neue Anflalt bestimmten Bauplatz erbaut. Diese Ge—
»äude kamen glücklicher Weise nicht für den bestimmten Grund
in Gebrauch, wurden aber im Frübjahr 1885 schon zur Ent—
astung des alten Krankenhauses in Benutzung genommen. Durch
diesen Zwischenfall wurde der definitive Bau der neuen großen
Anstalt bis zum Frühjahr 1885 hinausgescheben. Nach dieser
Einleitung geht der Redner zu der Beschreibung des neuen
Krankenhauses selber über.
Der 17,8 ba eder 71 preußische Morgen große Bauplatz
liegt in der Nähe der Stadt Hamburg auf dem sogenannten
Ependorfer Felde und hat eine nach Südosten zugekehrte 450 m
sange Front. Der ganze Platz ist von dem nächsten Haupt—
zufuͤhrweg zur Stadt durch parkartige Anlagen getrennt, jedoch
durch neuͤe Straßenanlagen mit der Hauptstraße verbunden.
Ganz von der eigentlichen Anstalt getrennt, liegen auf einem
eirca 85 breiten und 200 mm langen Platze die ümfangreichen
Wirthschaftsgebäude, die jedoch wiederum von allen Theilen der
GBesammtanlage durch bequeme Wege zugänglich sind.
Von dem an der Vorderfront situirten Verwaltungsgebäude
heilt ein Hauptweg die aus 72 massiven Gebäuden bestehende
Anstalt in eine Frauen- und eine Männerabtheilung. Sämmtliche
Pabillons sind mit ihrer Längsrichtung diesem Hauptwege parallel.
Das Elevatorgebäude hat 120 Meter Länge, 50 Meter
Breite und 46 Meter Höhe, gliedert sich in sechs Partien und
ist an den vier Ecken je mit einem thurmartigen Risalit flan—
kirt. Seiner Länge nach laufen vier Eisenbahngeleise durch sein
Inneres, ein solches parallel auch außen, und greift sein riesen—
hafter Krahn auf die knapp unter ihm landenden Schiffe, hebt
frei ganze Waggons in die Lüfte und kann ihre Lasten beim
Ein- und Ausladen leicht umherbewegen. Die Basis des Ge—
bäudes bilden Piloten und eine Lage von 3 Meter hohen Fun—
damentsteinen, darauf eine starke Betonschichte und Eisenunter—
lagen, auf welche erst der eigentliche Bau, auf Granitunter—
pfeilern in Blei eingelassen, aufstrebt. Der innere Bau mit
seinem mechanischen Theil für verschiedene Operationen wird von
192 eisernen Säulen getragen. Hier sehen wir zwei mächtige
Transmissionen mit Haupt-, Hand- und Nebentransmissionen;
drei exakte Putzmaschinen (für Staub und Brand) und seltsame
Trichter und Reutern, 24 Wiege-Apparate und darunter auch solche
womit Wagenladungen von 10000 Meterzentnern gewogen wer—
den. Die Leistungsfähigkeit der Elevators beträgt 400 000 Meter—
zentner per Stunde. Das Ganze sieht fafst aus, wie eine ver—
größerte Unterbühne à la Asphaleia und wird von zwei stehenden
Kompoundmaschinen von je 200 Pferdekraft leicht wie eine Has—
pel in Thätigkeit gesetzt. Man findet hier 348 Caissons, genug
für 30 Millionen Meterzentner Getreide. Die Caissons sind
thurmhohe eiserne Zylinder, in welche das Getreide, je nach Gat—
tuͤng und Werth amtlich klassifizirt, geschüttet wird. In Mitte
der Caissons dreht sich eine wellenfoͤrmige, von Dampf getrie—