das neue Reichstagsgebände. — Das deutsche Voltstheater in Wien
echter Kunst betrachtet, sondern die Kunst für blutlos hält, der
)zie Mittel fehlen, sich reich zu geben.
Ich sah — so berichtet Cornelius Gurlitt in der „Köln.
Zztg.“ — im Bauhause des Reichstages ein nach den neuen
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ine Indiskretion, daß ich von ihm spreche. Aber es stand offen
da, und Niemand wehrte mir die Besichtigung. Das sah ganz
inders aus, als die bisher bekannt gewordenen Pläne. Die
Architektur war vollsaftiger, mächtiger, strotzender. Wallot ist in—
wischen in Rom gewesen und hat die so lange von den Helle⸗
nisten verketzerten Werke der alten Weltstadt studirt. Er hat
ich auch unter jenen Leuten umgesehen, welche die Wucht alt⸗
ömischer Bauweise am stärksten in sich aufgenommen haben,
inter den großen Barockmeistern, unter den Werken eines Ma—
derna oder Bernini, Fuga oder Fontana. Unbeengt durch aka—
demische Fesseln, hat er das seinen besonderen Zwecken Passende
n diesen Bauten gefunden: die sichere Kraft und Größe, den
Reichthum, der nicht in der Menge der Einzelheiten, sondern in
hrer geschickten Vertheilung beruht, die Sicherheit in der Ver—
wendung der großen Baumotive als Ausdrucksformen gewisser
Gedanken.
Und so ist denn ein Werk entstanden, das gerade die Ber—
liner sicher erfreuen wird, da es sich in gewissem Sinne der
Ueberlieferung der Schinkel'schen Zeit nähert. Es wäre vergeb—
iiches Bemühen, den Bau beschreiben zu wollen; denn das ge—
druckte Wort kann sinnliche Eindrücke, kann die Wirkung der
Verhältnisse, die Vertheilung der Gruppen nicht darstellen. Im
Wesentlichen blieb der Entwurf der alte: die Eckthürme und die
tuppel sind in den Hauptlinien erhalten. Aber ein ganz Neues
st dem Ganzen zugefügt. Gegen den Königsplatz wird sich eine
Säulenvorhalle mit mächtigem Giebel erheben. Doch wird sie
o wenig hellenisch sein, daß sie schwerlich die Billigung der
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römischen Barock, d. h. jenem Stile, welcher unter Kaiser Hadrian
vie auch um 1680 herrschte. Es vollzieht sich also die An—
näherung an Schinkel von rückwärts. Die stilistische Entwicke—
ung unserer Zeit schreitet so weit vor, daß sie bald ihren An—
angspunkt wieder erreicht, welchen in Berlin die Thürme des
Bensdarmenmarktes und das Opernhaus bezeichnen. Aus dem
Arbeiten mit Details, aus dem Nachempfinden der Schmuckformen
stt man zu einer Neubelebung der Baugedanken übergegangen.
Während somit das Grundwesen des Reichstagsgebäudes
ene Größe und derbe Kraft ist, welche die Weltstadt an der
Tiber auszeichnet, während also das starke deutsche Reich sich in
ähnlichen Gebilden darstellt, welche einst Rom zu den seinigen
nachte, während die Sorge um das „Maaßhalten“ und die Freude
ain der „bescheidenen Sparsamkeit“ einem thatkräftigen Selbst—
zefühl Platz gemacht hat, welches das Größte und Reichste giebt,
vas zu geben Zeit und Gelegenheit gestatten, während Wallot
das Vertretungshaus des deutschen Volkes mit echtem Ruhmsinne
o gewaltig als möglich gestaltet — haben die Einzelformen an
Vielgestalt entschieden eingebüßt. In höchst erfreulicher Weise
Jat es Wallot über sich gewonnen, eine liebgewordene Einzelheit
nach der andern zu streichen, so dem Rathe der Bauakademie
uus eigenem Antriebe folgend. Nicht in der Häufung von
Schnörkeln und Kartuschen, nicht im bildnerischen Umkleiden
aller Flächen sieht er das Wesen des Barock. Im Gegentheil,
eine Gebilde werden immer stämmiger und schmuckloser. Was
er aber an Detail bringt, ist um so bedeutender in Abmessung
ind Zeichnung. Er, hat das Geheimniß der Massenvertheilung
erlernt, er fürchtet sich nicht mehr vor ungegliederten Flächen
und vor dem außerordentlichen Maaßstabe aller Gebilde.
Mit Vertrauen können wir an das Walten hinter dem
Bauzaune denken. Dort wird sich aus der Unform von heute
bald, ein Gebild entwickeln, das der deutschen Kunst zur Ehre
zereichen und auf ihre ganze Gestaltung Einfluß nehmen wird.
Die deutsche Renaissance und die Sucht nach reizvollen
Motiven und Motivchen, namentlich aber der kunstgewerbliche
lebereifer haben der deutschen Baukunst die Monumentalität
zenommen. Aus der Aermlichkeit verfielen wir in das Prunken
nit allerhand Putz und Schmuck, in ein Behängen unferes Heims
nit überreichen Einzelheiten. Der Wohlstand mußte und erst
zur Gewohnheit werden, ehe er sich, wie im Reichstagsgebäude,
»reit und maͤchtig geben konnte.
Das deutsche Volkstheater in Wien.
iHierzu zwei Abbildungen.)
Am 14. September c. erhielt das schöne, mit Monumentalbauten
nn neuester Zeit reich geschmückte Wien abermals einen JPerrichen Zu⸗
vachs. Das „Deutsche Volkstheater“ wurde an diesem Tage eröffnet.
Die Freigebigkeit des Kaisers, das Entgegenkommen der Ge—
neinde, das Zusammenwirken der Bürgerschaft im Vereine mit aus—
ezeichneten Kunstkräften haben es zu Stande gebracht, in kurzer Zeit
in prachtvolles, allen Auforderungen der Gegenwart entsprechendes
dunstinstitut zur Vollendung zu bringen.
Die Entwürfe rühren von den anerkaunten Spezialisten des
heaterbaues, den Bauräthen Fellner und Helmer her, den Bau
ührte Stadtbaumeister Alvdis Schumacher aus. Wir geben nach—
ehend nach dem „Bautechniker“ eine kurze Beschreibung des in allen
einen Theilen gelungenen Bauwerkes, besprechen die inkeressante tech—
lische Einrichtung der elektrischen Beleuchtung und werden die Heiz—
ind Ventilations-Anlage nachfolgen lassen.
Das Gebäude erhebt sich nach allen Seiten frei in der Diagonale
es Gartenplanum mit der Hauptfront gegen die Stadt an der Ecke
er Burg⸗ und Museumsgasse, nach vorn mit einer großen Auffahrts—
ampe mit Blumenparterre; rechts vom Gebäude, entlang der Neustift-
asse, mit schmalen Gartenanlagen und mit den Anfahrten für den
lllerhöchsten Hof und zur Bühne; gegen die Burgstraße mit breiteren
snlagen und Gartenböschungen zur höher liegenden Straße; im Rücken
es Gebäudes endlich ebenfalls mit Gartenanlagen, durch welche der
Veg zur Bühne für Dekorationen, Wagen und Pferde führt.
Das Gebäude, dessen perspektivische Ansicht und Grundriß wir
eproduciren, zerfällt, sich den inneren Bedürfnissen anschließend, in den
elbstständig ausgebildeten Vestibül- und Feyertrakt, das Auditorium
ind die Bühne, die beiden letztereren umgeben von den niedrigeren
rforderlichen Nebentrakten. Die Façaden wurden in der italienischen
denaissance mit einigen barocken Anklängen entwickelt.
Die Hauptfacçade repräsentirt sich als hoher einstöckiger Bau, dem
räftig behandelten Parterre ist eine Unterfahrt vorgelegt. Ueber dem
Larterregeschoß erhebt sich ein Säulenportal, überragt von einem Giebel,
ꝛessen Feld durch einen lebhaft bewegten Dionvsuszug von Bildhauer
Logl geschmückt ist; zwischen den Säulen sind über den Thüren die
Züsten von Schiller, vessing und Grillparzer angebracht. Ueber diesem
Nittelbau ist eine Attika gezogen, bereichert durch Putten. Zwischen
er Haupt- und den Seitenfronten sind Einlagbauten, der Richtung
er Straße folgend, gegen die Vorderfront schiefwinkelig abfallend, müt
Lorhallen eingeschaltet, welche, wie die von Eckrisaliten flankirten Seiten—
ronten, einfacher, nur im Alignement entsprechend der Vorderfront
ehalten sind, während an der Vorderfront in der 1. Stock-Fußboden⸗
löhe über der Unterfahrt eine Terrasse angebracht ist. In den Bühnen⸗
ebentraktfacaden wurden den von innen bedingten Bedürfnissen Zu—
eständnisse gemacht und drei Etagen über dem Parterre eingefügt.
zin Parterre entlang dem Auditorium zählt das Gebäude an der Vorder⸗
ront sieben, an jeder Seite vier, daher zusammen 15 Ausgänge für
sas Publikum und einen solchen für den Hof.
In das Hauptvestibül an der Hauptfacade des Hauses führen
rei Thüren von der Unterfahrt für das Wagenpublikum und zwei
olche von den seitlichen Vorhallen für Fußgänger. Das Vestibül ist
wovaler Form mit gewölbter Decke in barocker Architektur weiß ge—
önt mit, die verschiedenen Zugänge umrahmenden Kariatyden von
Zildbauer Vogl ausgestattet. Man überblickt außer den früher er—
bähnten Eingängen beiderseits in diagonaler Richtung die breiten, in
inem Laufe zum 1. Rang führenden Haupttreppen und nach vorn
rei zum Parterre führende Thüren. Dazwischen sind zwei Publikum-
assen, zwei zu den behördlichen Inspektionsräumen führende Thüren
ind zwei Inschrifttafeln eingefügt. Diese. Tafeln tragen die Namen
es zur Zeit des Baues funktionirenden Vereinsausschlusses, sowie jene
er beim Bau beschäftigt gewesenen Künstler und Werkmeister.
Die Haupttreppen sind ebenfalls in Barockarchitektur ausgeführt
ind mit Spiegeln bereichert und zeigen als besonders in die Augen
allend zwei zierliche Kostümfigürchen von dem früher genannten Künstler,
nelche einladen, an ihnen vorbei weiter in das Haus zu schreiten.
Vom Vestibül, die Thüren gegen das Parterre benutzend, gelangt
nan in den rund um den Saal dgeführten breiten Parquetkorridor;
iesem sind in der äußeren Peripherie 4 Publikumgarderoben, 6 seit—
che kleine Vestibüle, die 2Logenkommunikationstreppen und die Pub—
ckumtoiletten, in der inneren Peripherie hingegen 17 zum Paraquet
ind Parterre führende Thüren eingefügt.
Betritt man das Auditorium durch eine der Thüren, so bekommt
nan sofort einen Ueberblick über das ganze Haus. Der Eindruck des—
elben weicht von den übrigen Theatern wesentlich ab. Ueber einem
reiten und tiefen Parterre, neben welchem keinerlei Logen oder volle
Wände, sondern in kontinuirlicher Reihenfolge Thüren in der Richtung
zer Sperrsitzreihen angebracht sind, entwickeln sich nur zwei Gallerien
nit breiten und tiefen Amphitheatern, im größten Theile des Saales
iur gegen das Proscenium init Logen in dreifacher Etagirung flankirt;
as AÄuditorium ist durch diese Anordnung bedeutend niedriger wie