Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 49, Bd. 8, 1889)

Das deutsche Volkstbeater in Wien. — Mittheilungen über Schulwejen. 
jrüher erwähnten zwei Treppen des Hauptvestibüles durch kreisförnuge 
Entrees zu dem ebenfalls um den ganzen Saal geführten breiten 
Galleriegang, findet daselbst, entsprechend der Parterreanlage, zwei ge— 
räumige Gardereben und gelangt durch 7T Thüren zu den 327. in 
10 Reiben angeordneten Balkonfauteuils. Die 6 vorderen Reihen sind 
nach oben vollkommen frei. F 
Auch hier ist die Anordnung derart getroffen, daß das Publikum 
direkt mit den Sperrsitzreiben korrespondirend in die Außengänge ge⸗ 
führt wird. An der Hauptfront stehen dem Publikum ein Fover mit 
oftener Terrasse, zwei Promenaden-Koerridere und zwei Raͤume zur 
Konditorei für kaltes Büffet zur Verfügung. 
Für das Logenpublikum sind zwei Treppen in den Seitentrakten 
angebracht. Dasselbe gelangt zu diesen Treppen und zwar zu den 
Balkonlogen durch den Parquetgang, zu den 1. und 2. Ranglogen 
über die1. Rangtreppe und Kerriders. In jedem Logenrang sind 
auf jeder Seite des Theaters zwei Logen für fünf Persenen und drei 
vegen für vier Personen angebracht. 
Das Publikum der 2. Gallerie kommt mit den übrigen Besuchern 
gar nicht in Berührung, sendern wird direkt durch zwei seitliche 
Vestibule über zwei große Treppen in den 2. Rang Feführt; dem 
selben steht an der Ausmündung der Treppen ein ca. 40 m langes, 
7m breites Fover mit Garderobe und zwei Büffets zur Verfügung 
Von diesem Feyer führen sieben Thüren zu den in zehn Reiben an 
Jebrachten 354 Sperrsitzen und 298 Stebplätzen, zusammen Plätze 
für 652 Personen. Zu beiden Seiten des Hauses führen vier Thüren 
zu zwei großzen Terrassen, welche als Premenaden, im Gefahrsfalle 
aber als direkte Zufluchtsstätte benutzt werden können. Die Gallerie 
ist bis unter dem Saalplafond vollkommen frei und bietet einen voll— 
fommen uneingeschränkten Ausblick, se daß sich dieser Rang als ein 
großer Balkon gestaltet. 
Die Räumlichkeiten für den Hof au der rechten Seite des Hauses 
iind wohl bescheiden dimensienirt, doch ist in der Dekoration der Be 
stimmung derselben Rechnung getragen. Sämmtliche Sperrsitze des 
Parterres, des Balkons und der Gallerie bis zum letzten Platz sind 
in gebogenem Holze mit rother Sammetvolsterung ausgeführt. 
Die 13,30 mbreite, 8,oßs m hohe Bübnen-Prosceniumsöffnung 
ist während der Zwischenakte der Aufführung gegen den Saal durch 
einen figuralen Hauptvorhang vom Maler Veith, ein Maifest zur Zeit 
Leorosd des Glorreichen darfstellend, abgeschlessen. Zum feuersicheren 
Abschlusse dient eine doppelwandige, hydrauliich von der Bübne und 
dem äußeren Bübnenkorridor aus, überdies auch mit Handbetrieb zu 
bethätigende Eisenkourtine: außerdem führt eine Eisenthür vom rechten 
Parquetgange zum Bübnentrakte. Besonders ist noch zu erwäbnen, 
daß im Gegensatz zu den meisten bestehenden Theatern hier jeder Punkt 
im Auditorium und alle Nebenräume volles Tageslicht besitzen. 
Die Bühne selbst hat eine Breite von MM'm und sammt der 
Hinterbübne eine Tiete von 15,20 m. Sie ist nach drei Seiten von 
den nöthigen Schauspieler-Fovers, Gardereben, Probezimmern, Möbel— 
und Requisitendepots, den Direktions- und sonstigen Kanzleien ümgeben. 
Für den Bühnentrakt sind zu beiden Seiten Steintreppen vom 
Souterrain bis unter das Dach emporgefübhrt, von welchen man direkt 
in's Freie gelangt. Zum Transport von Dekbrationen und für Wagen 
und Pferde führt ein großes Thor von der Hinterfacade zur Bühne. 
Die Einrichtung der Bühne ist durchweg in Eisen nach den 
neuesten Erfahrungen der Bühnentechnik hergestellt; die Souterrains 
der Bühnen- und Anditorium-Nebenräume sind für die Gentral⸗Luft⸗ 
beizung und Ventilationen, sowie für Portierswohnung, Feuerwach— 
kaserne und Musikerkevers verwendet. Das ganze Gebäude ist in 
Mauerwerk, Stein, Leimgyps und Eisen gusgefübhrt, sodaß außer 
einiger Fußbodenbelegungen, der Möbel und der Bühnendekoratiouen 
sich kein brennbarer Stoͤff im Hause befindet; alle Nebentraäkidecken 
und jene des Auditoriums sind gewölbt. Die Dachdeckung von Foyver, 
Auditerium und Bühne ist auf Eisendachstuüͤblen in Schiefer und Blech 
durchgeführt, während die Nebenträkte gar keine Dachböden haben, da 
hier die Holzeementdachung direkt auf die letzte Steckwölbung gelegt ist. 
Für die Beheizung ist, wie vorerwäbnt, Luftheizung mittelst 
Calerifers vorgeseben, während die Ventilation künstlich durch einen 
Gasmotor mit Pulsator im Keller und Exhanstor am Dabboden 
bethätigt wird. 
Die Wasserleitung, von welcher die Nutze und Feuerleitung ge— 
hrennt angelegt sind, wird vom städtischen Hochquellennetz gespeist und 
ind im Hause, entsprechend vertheilt, 17 Stck. Feuerhydranten angebracht. 
Ebenso ist das Haus von einer kompleten Feuersianal:Telegraphenleitung 
durchzegen. 
Die Belenuchtung des Hauies geschieht durchwegs mit elektrischem 
Lichte. Der elektrische Strom zur Speisung von 963 Glühlampen 
a 16 NK. und von 552 Glüblichtern à 33 RNK.und vens6 —RB 
lampen geschieht von der Centralstation der Wiener Elektrizitätswerke 
von der Neubadgasse aus durch direkt zum Theater geführte Kabel; 
zur Reserve und unbedingten Sicherung des Lichtstrobmes sind im 
Souterrain des Gebaudes Accumulateren auägestellt, welche genügend 
reichhaltig vergeseben sind, um zwei Drittel der ganzen Beleuchtungs⸗ 
anlage durch vier Ztunden ipeisen zu können, sodaß die Vorftelluͤng 
auch gesichert erscheint, wenn in der elektrischen Centralstation oder 
im Straßenkabel irgend welche Störung eintritt. 
Die Auditorium- und Bühnenlampen sind so regulirbar hergestellt, 
daß ein unbemerkbarer Uebergang von dunkel auf hell und umgekehrt 
tattfinden kann. Die Regulirmaschine befindet sich auf einem, auf 
der Bühne angebrachten Beleuchterpodium, von wo auch die Leitungen 
für Auditorium und Bühne einzeln aus- und eingeschaltet werden 
können. Die Regulirmaschine besteht aus 24 Regulatoren, deren 
Hebel vom Beleuchter sowohl einzeln als auch zusammen gehandhabt 
werden können; die dazu gehörenden Widerstände aus Eisendrahtgaze 
ind auf dein Dachboden untergebracht. 
Die Leitungen sind bestens isolirt und bestehen theils aus wasser 
dicht umsponnenen Drähten in Holzleisten, theils aus blanken asphal—- 
tirten, oder mit Eisenband armirten Bleikabel, welch' letztere direkt im 
Mauerpus oder in der Erde liegen. 
Der Spannungsverlust bis zur letzten Lampe beträgt ?—3 Volt. 
Der größte Theil der Leitungen ist auswechselbar verlegt. Die Strom⸗ 
zuführung für die Lampen der Sofitten, Versetzbeleuchtung, Coulissen— 
tänder und Effektbogenlampen erfolgt durch bestisolirte, bewegliche 
zuleitungen, welche mit Ausnahme der Sofitten an verschiedenen 
Punkten der Bühne an die Hauptleitung angeschlossen werden können. 
Der Anschluß der Hauptleitungen im Theater an die Straßen— 
tabel erfolgt auf einem Schaltbrett im Souterrain, auf dem sich auch 
die nöthigen Kontroll- und Meßapparate befinden. 
Sicherheitsvorrichtungen sind in der Weise durchgeführt, daß die 
Lampen für Auditoriumnebenräume, Korridore, Treppen, Vestibül, 
Foper ꝛc. durchwegs abwechselnd mit zwei unabhängigen Stromkreisen 
gespeist werden können, desgleichen die Lampen für Luͤster, Brüstungen 
und Bühne. 
Die Sicherung der Leitung gegen Erhitzung durch zu starken 
Strom erfolgt durch feuersichere, in Porzellan montirte Bleisicherungen. 
und zwar ist jede Leitung doppelt gesichert. 
Außer der elektrischen Beleuchtung ist im ganzen Hanse die Kerzen 
notbbeleuchtung vorgesehen; Gas ist im Hause nur für die Räume 
der Friseure verwendet. 
Die Kosten des Baues sammt aller Möbel, Dekorationsarbeiten. 
Beleuchtungskörper ꝛtc. fertig, schlüsselrein übergeben, betragen 905 000 M. 
»ei welchen Kosten sich der verbaute Im auf Mk 464, der verbaute 
bm auf Mk. 23 und die Kosten per Zuschauer auf Mk. 452 stellen 
Richt einbezogen in diese Kosten ist die elektrische Beleuchtungsanlage, 
velche im Amortisationswege durch den Lichtpreis getilgt wird. Der 
nit den Wiener Elektrizitätswerken abgeschlossene Vertrag fichert dem 
heater das Licht um einen Preis, der, die Amortisationsquote ein 
gerechnet, noch immer billiger fein wird, als der jeweilige reine Licht 
oreis gleich großer Konsumenten. 
Das Volkstheater hat einen Gesammtfassungsraum von 2000 
Personen; es ist hauptsächlich mit Sperrsitzen und theilweise mit Steh 
Aätzen, hingegen spärlich mit Logen, im ganzen 30, ausgestattet 
Dem großen Publikum sind die besten Plätze im Hause reservirt und 
jur die verhältnißmäßig minderen, für Ampbitheater nicht verwend— 
»aren Plätze im Proscenium für Logen ausgenützt. Um dem großzen 
Publikum aller Stände, welches mit bescheidenen Mitteln rechnen 
muß, auch den letzten Platz anständig und bequem zugängig zu 
nachen, befindet sich kein Platz höher, als im 2. Rang, überall mit 
equemen Sitzen in guter Lage ausgestattet. Dem Galleriepublikum 
ind die Hauptreppen im Vordertrakte, dem Logenpublikum zwei Neben 
reppen in den Seitentrakten angewiesen, sodaß hier in erster Linie 
ür die breiten Schichten und in zweiter Linie erst für das feinert 
Publikum Vorsorge getroffen wurde. 
Mittheilungen über Schulwesen. 
Oldenburg i. Gr. Die hiesige Baugewerkschule, welche am 
1. November ihr Winter-Semester beginnt, hat unter der Leitung des 
etzigen Direktors, des Architekten H. Diesener, eine Einrichtung ge— 
troffen, welche uns als sehr praktisch erscheint. Die Anstalt ist, den 
Anforderungen der heutigen Zeit durchaus entsprechend, natürlich eine 
vierklafsige; aber es ist leider nicht jedem jungen Bauhandwerker, der 
'ust und Liebe besitzt, sich eine gediegene Ausbildung anzueignen, ver— 
Jönnt, vier Semester hindurch eine Bäͤugewerkschule besuchen zu können, 
veil ihm die dazu nöthigen Mittel nicht zur Verfügung stehen. Um 
iun solchen Bauhandwerkern, welche den vollen Kuͤrsus der Anstalt 
nicht absolviren können, Gelegenheit zu geben, eine vollkommen ab— 
geschlossene Ausbildung trotzdem zu erreichen, ist die Einrichtung ge— 
roffen, daß dies in besonderen Kursen in zwei, resp. drei Semestern 
erfolgen kann. Es hat deshalb jeder Schüler bei seiner Meldung 
anzugeben, in wie viel Semestern er seine Ausbildung zu beendigen 
wünfscht. — Die Anstalt vermittelt ihren Abiturienten mit Erfolg 
qzute Stellungen; besonders finden dieselben Anstellung bei der Groß— 
berzoglichen Eisenbabn-Direktion und anderen Staats- und Reichs— 
»ehörden. w —
	        

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