rRestgrundstück ergeben oder ergeben können, unter Umständen für
den Entschädigungsanspruch des Expropriaten höchst gefährlich
werden könnten. Das Reichsgericht hat sich schon wiederholt für
gleichliegende Fälle aus ähnlichen Erwägungen gegen die Zu—
lässigkeit einer derartigen Kompensation oder Ausaleichung ausge—
sprochen.“
Ein Zimmermeister war für gekaufte und empfangene
Bretter eine Summe von 482 Mek. schuldig geblieben und wegen
dieser Summe verklagt worden. Er machte gegen den erhobenen
Anspruch geltend, daß er bei Eingehung der Geschäftsverbindung
mit dem Kläger verabredet habe, für die gekauften Bretter ihm
Arbeiten zu liefern, und Keiner von ihnen dürfe Baarzahlung
verlangen, Kläger fei also nur berechtigt, für den eingeklagten
Betrag Waare zu entnehmen, zu deren Lieferung der Beklagte
sich stets bereit erklärt habe. Der Kläger bestritt dieses Abkommen,
und ohne Anordnung einer Beweisaufnahme hat das Landgericht
die Verurtheilung des Beklagten ausgesprochen. Das vom Be—
klagten behauptete Abkommen erscheint, wie die Entscheidungs—
gründe ausführen, als eine im voraus verabredete Angabe an
Zahlungsstatt. Bei einer solchen müssen aber die Parteien in
Gemäßheit der 88 235 und folgende Theilel Titel 16 des All⸗
Jemeinen Landrechts sich sowohl, über die Hingabe und Annahme
einer bestimmten Sache, als auch über den Werth derselben aus—
drücklich einigen, da eben der Werth der Sache mit der zu tilgenden
Forderung beglichen werden soll. Hiernach erscheint das vom
Beklagten eingewendete Abkommen doch als viel zu unbestimmt;
denn es erhellt garnicht, welche Waaren der Kläger von dem
Beklagten zu entnehmen verpflichtet sein sollte, und wollte man
auch annehmen, daß nur die von dem Beklagten fabrizirten
Treppen gemeint sein könnten, so haben diese doch auch keinen
Kurs-, Börsen- oder Marktwerth, sodaß es in Ermangelung
einer vertragsmäßigen Werthsbestimmung auch ganz unerfindlich
bleibt, wie das eingeklagte Guthaben des Klägers durch eine
Gegenentnahme von Waaren des Beklagten getilgt werden soll.
Ein Abkommen aber, dessen Gegenstand sich nicht bestimmen läßt,
hat nach 8 71 Theil J Titel 5 des Allgeweinen Landrechts keine
verbindliche Kraft.
Ist durch ein mäßiges Versehen ein Knabe aus dem
Arbeiterstande, der voraussichtlich ebenfalls durch seiner Hände
Arbeit sich später seinen Unterhalt verdieren muß, an seinen
Händen derartig verlett worden, daß er als Erwachsener in seiner
Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt sein wird, so ist nach einem Urtheil
des Reichsgerichts, VJ. Civilsenats, vom 22. Dezember 1892, im
Gebiete des Preußischen Allgemeinen Landrechts der Thäter für
diesen Verlust haftbar.
Lehrlinge als „Lohnarbeiter“. Nach dem Gesetz vom
11. Juli 1887, betr. die Unfallversicherung der bei Bauten be—
schäftigten Personen, kann die Versicherungspflicht guch auf Ge—
werbetreibende ausgedehnt werden, welche nicht regelmäßig wenig—
stens einen Lohnarbeiter beschäftigen. Diese in 82 Absaß 2
des Gesetzes enthaltene Fassung gab vor kurzem Anlaß zu einer
Anfrage bei dem Reichsversicherungsamt über die Auslegung des
se „Lohnarbeitet“, wonach sich dasselbe in folgendem Sinne
äußerte:
Lehrlinge, welche Kost und Wohnung erhalten, sind „Lohn—
arbeiter“, da Kost und Wohnung als Lohn im Sinne des 88
des Unfallversicherungsgesetzes zu gelten hat. Eine Ausnahme
ist indessen dann zuzulassen, wemn ein Lehrling ein Lehrgeld zahlt
welches dem Werth von Kost und Wohnung etwa gleichkomnt.
Lehrlinge, welche weder Lohn noch Kost und Wohnung er—
halten, sind keine Lohnarbeiter. Geldbeträge, auf deren Bezug
der Lehrling keinen Anspruch hat, welche vielmehr den Charakter
von Geschenken tragen, können hierbei als Lohn nicht gelten
auch wenn sie in gewissen Zeiträumen wiederkehrend gegeben werden
Erfrieren — Unfall oder Krankheit? Vor dem Senat
des Reichs-Versi samts fürzlich ei i ß
eichs⸗Versicherungsamts wurde kürzlich ein Streit von außer—
ordentlicher Tragweite beendigt. Es handelte sich um die Frage
ob. das Erfrieren von Gliedern als entschädigungspflichtiger VBe⸗
triebsunfall, oder aber als nicht entschädigungspflichtige Be—
triebstrantheit anzusehen sei. Einem Arbeiter waren bei'm
Abreißen einer Festungsmauer in Graudenz drei Finger erfroren
sodaß die ganze Hand steif wurde und die Finger später abgenommen
werden mußten. Die Tiefbau-Berufsgeuossenschaft bestritt, daß
hier von einem Betriebsunfall gesprochen werden könne. Sa⸗
Gelet selhst gebe keine nähere Bestimmung des Begriffs, Unfall“.
Die Merkmale für das Vorliegen eines solchen mußten daher
den allacmeinen Sprachgebrauch entnommen werden. Voraus—
dn ei demnach, daß der Betroffene durch Verletzung eine
Sdhadigung — und geistigen Gesundheit erleide,
.daß diese Schädiaung auf ein plötzliches Eresanit
21
Entscheidungen.
220
urückzuführen sei, welches in seinen Folgen den Tod oder die
zörpetverletzung berursache. Daraus ergebe sich, daß Betriebs—
rankheiten, die als das Endergebniß der eine längere Zeit an—
»auernden, der Gesundheit nachtheiligen Betriebsweise auftreten,
nicht als Unfälle anzufehen seien, Die medizinische Wissenschaft
habe aber festgestellt, daß Frostschäden mit brandiger Zerstörung
jon Körpertheilen erst nach langdauernder Einwirkung von Kälte
rinzutreten pflegen. Das Schiedsgericht Königsberg verurtheilte
die Tiefbau-Berufsgenossenschaft, nachdem ein höherer Medizinal—
h»eamter erklärt halte, es sei sehr wohl möglich, daß brandige
Zerstörung von Körpertheilen in einem kurzen Zeitraum von
venigen Stunden durch Frost bewirkt werden könne. Hiergegen
zroteftirte die Tiefbau-Berufsgenossenschaft, verlangte ein Ober—
jutachten und bemerkte, daß der Verletzte bei der Arbeit Hand—
chuhe getragen habe. Das Reichs-Versicherungsamt erhob noch—
nals eingehenden Beweis, stellte fest, daß die Handschuhe sehr
nangelhaft waren, und ermittelte, daß innerhalb eines kurzen
Zeitraums die erfrorenen Finger schwarz geworden waren. Auf
ßrund dieser Ermittelungen nahm das Rieichs-Versicherungsamt
in, daß ein Unfall und nicht eine Betriebskrankheit vorlag. Der
Senat ging wie die Berufsgenossenschaft von der Ansicht aus,
aß allmälich bei der Betriebsarbeit und unter Einfluß derselben
intstehende äußere Verletzungen keine Unfälle seien. Frostschäden
chwererer Art könnten aber nicht nur allmälich, sondern auch in
inem kurzen Zeitraum sich entwickeln: ferner sei die Voraussetzung
»er Plößlichkeit der schädigenden Einwirkung nicht in
illzu engem Sinne auszulegen. Ein Frostschaden, der sich
neeinem kurzen Zeitraum entwickelt, sei als entschädigungs—
aflichtiger Unfall anzusehen; ein Frostschaden hingegen, der all—
nälich entstehe, müsse als nicht entschädigungspflichtige Betriebs⸗
rankheit andesehen werden. IX. D.
Bautechnische Notizen.
Ausbreitung des metrischen Maaßsystems. Daß das metrische
Paaß- und Gewichtssystem sich in Deutschland in verhältnißmäßig kurzer
Zeit in allen Kreisen völlig eingebürgert hat und selbst die Schätzung nach
Fußen, Ellen und Zollen im Volke kaum mehr stattfindet,“) spricht wohl
im besten für die Vorzüge und Bequemlichkeit des Systems; wundern
nuß man sich, daß nöch einige unserer ersten Culturstaaten sctuten, ihre
hisherigen zwölftheiligen Maaße und Gewichte nicht von einander abhängig
machenden Systeme mit dem Metermaaß zu vertauschen. Daß Deutschland
wirklich in dieser Beziehung verhältnißmäßig sehr schnell mit seinen früheren
iblichen Fußen, Ellen und Zollen gebrochen hat, die bekanntlich in jedem
der früheren Bundesstaaten andere waren, auch wohl ein Staat deren
nehrere hatte, geht daraus hervor, daß das Mutterland des Metermaaßes,
Frankreich, durchaus nicht so schnell mit der Einbürgerung des damals
ieuen Maaßsystems durchdrang, obgleich doch die krüheren Maaße die
denkbar ungünstigsten waren. Gegen das von der Schreckensherrschaft
ingeführte metrische System erließ die französische Regierung im Jahre 1812
vieder eine Verordnung, welche die Mitbenutzung eines Zweimeterstabes
uinter dem Namen Toise neben dem metrischen System gestattete, welche
n sechs Fuß getheilt war; ein solcher Fuß hatte zwölf Zoll, dieser zwölf
Linien: außerdem, um die Konfusion möglichst zu erhöhen und Betrügereien
zu erleichtern, wurde der Gebrauch einer Elle von 12 Decimetern ge—
tattet. Welche angenehme Aufgabe es war, solche Größen gegenseitig um—
jurechnen, ist wohl einleuchtend. Auch das Gewichtssystem des Kilo
rhielt noch einen Nebenbuhler im 500 Gramm-Pfund, welches in 60 Unzen,
iese wieder in 8 Groß getheilt wurde. Dieser Wirrwarr dauerte bis
840, wo man nur dem Metermagaß die Herrschaft anerkannte, trotzdem
jeute noch die meisten Krämer selbst in Paris nach altem Maaß rechnen
ind derkaufen sollen. — Es ist nicht zu leugnen, daß dem metrischen
System ein Fehler anhaftet, der sich am Zeichentisch beisim Entwerfen der
Pläne bemerkbar macht: Es bietet nur wenig Verkleinerungs-Verhältnisse.
Maaßstäbe in 1: 100, 1: 60, 1: 25, dann sofort auf 1: 10 und dann
ils geringste Verkleinerung 1:5 — damit ist die Theilbarkeit zu Ende.
Welche unendliche Menge Eintheilungen bietet dagegen das Duodecimal—
ystem mit der in ihren Vielfachen so zerlegbaren Zahl Zwölf! Dies ist
in Hauptgrund dafür, daß sich z. B. England mit seiner Industrie noch
mmer nicht entschließen kann, das sonst so praktische Metersystem anzu—
iehmen. Fühlbar wird dieser Mangel der Deecimaltheilung, z. B. bei
)en Gewindesystemen, bei Zahnrädern, bei Gasrohren, Hähnen und vielen
anderen, wo möglichst viele Unterabtheilungen nothwendig sind. — Die
Länder, die bis jetzt das Metermaaß als allein gültig angenommen haben,
ind Deutschland, Oesterreich, Belgien, Brasilen, Spanien, Frankreich,
Hriechenland, Italien, Mexiko, Holland, Peru, Portugal, Rumänien, Serbien,
Schweden-Norwegen, die Schweiz; gestattet ist der Gebrauch nebenbei in
Broßbritannien, Nordamerika, Japan, in der Türkei und in Rußland.
Noch im Jahre 1836 schrieb ein russischer Gelehrter, daß die allgemeine
Einführung des metrischen Systems eine Unmöglichkeit sei; aber selbst
in seinem Vaterlande gebrauchen Gelehrte und Techniker jetzt überall das
System, dieses dem gesetzlichen System der englischen Maaße und Gewichte
und der nebenhei noch üblichen Rechnung nach den russischen Maassen
*) Für das Bauwesen trifft diese Anficht nicht zu.
Redaktion d. „D. Baua.-BlI.“