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leber fseuchte Wände bewohnter Räume.
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Ueber feuchte Wände bewohnter Räume.
Im Nürnberger Verein für öffentliche Gesundheitspflege
hielt dor einiger Zeit Direktor O. Krelll einen Vortrag, der
sowohl durch die sachgemäße und eingehende Behandlung des
Jewählten Themas, als durch die sich anreihenden Debatten
allgemeines Interesse bieten dürfte, und den wir deshalb aus—
zugsweise nach dem „Nordwestd. Baugew. Anzeiger“ wieder—
geben. Aus den von Tirektor Krell zu seinen Nachweifungen
benutzten Tabellen, die wir weglassen, gehen die von ihm
nitgetheilten Resultate klar hervor.
Es ist nach dem Redner eine der hauptsächlichsten An—
forderungen, die an eine gesunde Wohnung zu stellen sind,
daß die Wände derselben trocken seien; in diesem Punkte
exiftirt auch zwischen Laien und Aerzten keinerlei Meinunas—
verschiedenheit.
Die Folgen des Bewohnens nasser Räume sind so allge—
mein erkannte und empfundene, daß eine feuchte Wohnung
im Sprachgebrauch gleichbedeutend mit einer ungesunden
Wohnung ist, weshalb auch in eine weitere Erörterung hier—
über nicht eingetreten werden soll.
Dagegen dürften die Ursachen und Bedingungen, unter
denen Wände feucht werden können, nicht so allgemein bekannt
sein, und soll deshalb hier etwas näher auf diesen Gegenstand
»eingegangen werden, wobei jedoch zu bemerken ist, daß von
der Feuchtigkeit in Mauern, verursacht durch Bodenfeuchtigkeit,
schlechte Bedachungen u. s. w., abgesehen wird.
Eine Wand wird im Winter meistens dadurch feucht,
daß sich auf ihr aus der Zimmerluft Feuchtigkeit niederschlägt,
ein Vorgang, ganz analog dem Bethauen eines kalten Glases
Wasser, oder dem Beschlagen der Brillengläser im Zimmer.
Als Bedingung dieses Niederschlages von Feuchtigkeit gilt,
daß die Oberflächen dieser Gegenstände kälter als die Zimmer-
luft sind und unter der Thaupunktstemperatur dieser Luft
liegen.
Um diese Temperatur der inneren Wandoberfläche er—
mitteln zu können, müssen wir den ganzen Vorgang des Wärme—
austausches zwischen Innen- und Außentemperatur verfolgen.
Derselbe ist keineswegs ein solcher, daß die innere Wandfläche
die Temperatur des Zimmers, die äußere Mauerfläche die der
außeren Luft besitzt, während innerhalb der Mauer die Tempe—
raturen sich ausgleichen, sondern, weil die Wärme bei dem
Eintritt aus der Luft in die Maueroberfläche einen gewissen
Widerstand zu überwinden hat, ebenso wie bei'm Austritt aus
der Mauer in die Außenluft, muß eine bestimmte Temperaturdif-
ferenz zwischen dieser Oberfläche und der wärmeabgebenden Luft
vorhanden sein. Die einschlägigen Versuche von Péclet und die
Untersuchungen von Redtenbacher und Weiß, welche in der
Praxis längst volle Bestätigung gefunden haben, geben die
Möglichkeit, die Temperaturverhäaͤltnisse einer derartigen Mauer
genau zu verfolgen, und zwar unter verschiedenen Temperatur—
differenzen zwischen innen und außen, bei verschiedenen Wand—
stärken, sowie auch für verschiedene Baumaterialien.
Wir haben nun, wie theilweise schon bemerkt, dreierlei
Widerstände bei'n Durchgang der Wärme durch eine Wand
zu unterscheiden: 1) den Eintrittswiderstand, 2) den Durch—
gangswiderstand, 3) den Austrittswiderstand. Die diesen
Widerständen entsprechenden Temperaturdifferenzen theilen sich
in die Gesammttemperaturdifferenz zwischen innen und außen
(nach Redtenbacher) in der Weise, daß diese Temperatur—
differenzen untereinander umgekehrt proportional den Durch—
gangscoẽfficenten sind.
Der Coefficient für den Wärmeeintritt, d. h. die Anzahl der
Wärmeeinheiten, welche bei 19 C. Temperaturdifferenz stündlich
in 1qm Wandoberfläche aus der Luft eintreten, kann für
die vorliegenden Untersuchungen und bei Voraussetzung
normaler Verhältnisse — 5, gesetzt werden. Der Coẽfficient
für Wärmeaustritt ist dann gleichfalls — 5,5.
Der Wärmedurchgangs-Coëfficient für Ziegelmauerwerk,
d. h. die Anzahl Wärmeeinheiten, welche bei 19C. Temperatur—
differenz durch eine Mauer von 1mm Ticke stündlich pro qm
Oberfläche hindurchgehen, ist nach Voclet — O,s zu nehmen.
Einige nach Vorstehendem berechnete Beispiele werden das
Verständniß der Vorgänge bei'm Durchgang der Wärme er—
eichtern. Für eine Mauer von O,eßem S 1 Ziegelstärke ver—
heilen sich die den dreierlei Widerständen entsprechenden Theil—
emperaturdifferenzen derartig, daß für den Eintritt 2400, für
den Durchgang durch die Mauer 520/0, für den Austritt
240,0 der ganzen Temperaturdifferenz zwischen innen und außen
derbraucht werden, oder, auf einen konkreten Fall angewendet,
.B. wenn außen die Temperatur Ob, die Zimmertemperatur
— 100, so würde die Oberflächentemperatur der Wand im
Zimmer — 7,30 und die Oberflächentemperatur der Wand
rußen im Freien — 2,40 betragen; sie nimmt innerhalb der
Mauer also von 7,60 bis 2,10 ab.—
Analog Vorstehendem vertheilen sich die Widerstände bei
einer 50 cm (2 Ziegel) starken Mauer wie folgt: Eintritt in
die Mauer — 150/0, Durchgang — 700/0, Austritt — 1500,
Die Oberflächentemperatur der Wand ist dann innen 8,56,
nußen 1,350.
Uns interessirt für die vorliegende Frage in erster Linie
iur die Temperatur der inneren Wandoberfläche, denn es ist
lar, daß, sobald die Temperatur dieser Oberfläche gleich oder
niedriger wird, als die Thaupunktstemperatur der Zimmerluft,
in Niederschlag von Wasser auf der Wandfläche stattfinden
nuß, die Mauer mithin feucht wird.
Der Feuchtigkeitsgehalt der Luft in warmen Wohnräumen
vährend der Heizperiode ist, wie langjährige Beobachtungen
jzeigen, ein sehr verschiedener, je nach der Art und der Be—
iutzung der Räume. In den Zimmern der besser Situirten,
velche geräumige Wohnungen haben, ist die Luft im Winter
m Allgemeinen trockener, als in den dicht bevölkerten
Wohnungen der Aermeren, welchen nicht nur durch die Aus—
»ünstung der Bewohner, sondern meistens noch durch haus—
virthschaftliche und gewerbliche Verrichtungen (als Speise—
hereitung, Plätten, Waschen) Feuchtiakeit im Ueberfluß zu—
geführt wird.
Nach dem Bericht der meteorologischen Station Nürnberg
detrug z. B. im August 1890 bei der mittleren Temperatur
m Monat von 17,79 C. der mittlere Sättigungsgrad für
Feuchtigkeit der Luft 77,00/0, — Verhältnisse, unter denen sich
notorisch die Mehrzahl der Menschen wohl befindet. Da nun
msere Zimmertemperatur, im Winter 180 C., mit obiger
Temperatur des Monats August ziemlich übereinstimmt, könnte
nan die Forderung stellen, auch die entsprechenden Feuchtigkeits—
zrade von ca. 800,0 in den Zimmern herzustellen. Ein so
joher Feuchtigkeitsgehalt der Luft ist aber im Winter auch bei
jach hiesigen Begriffen sehr starken Mauern im Innern der
Wohnungen nicht zulässig, da alle solche Wohnungen feucht
werden müßten, und wir nehmen deshalb übereinstimmend
mit den Forderungen der Aerzte und Hygieniker eine Feuchtigkeit
der Zimmerluft von nur 50— 600/0 noch als zulässig an und
etzen im weiteren voraus, daß in den Wohnungen 600/0
Feuchtigkeit als Maximalnorm eingehalten werde. In engen
Wohnungen würde dies durch Vermehrung des Luftwechsels
zu erreichen sein, wogegen in großen, weiten Gebäuden, wie
Kalais, und in stark ventilirten Anstalten, wie Hospitälern,
-„chulen u. dergl., der Ventilationsluft künstlich eine ent—
vprechende Menge Feuchtigkeit zugeführt werden müßte.
Die Zahlen der Tabellen sind unter der Voraussetzung
herechnet, daß außen ruhige Luft und der Himmel bedeckt ist.
Bei klarem Himmel und Frost ist die Ausstrahlung der Außen—
läche der Wand nach dem Himmelsraum bedeutend vergrößert,
vas in gleicher Weise wie Wind eine größere Abkühlung auch
der Innenfläche der Wand verursacht. Nur wenn die Wand
direkt von der Sonne beschienen wird, sind die Verhältnisse
aünstiger.
Ein weiteres ungünstiges Moment ist die oft sehr be—
deutende Schwankung der Temperatur in den Wohnräumen
elbst. Bei der Abkühlung derselben bleibt der absolute Wasser—
gehalt, also auch die Thaupunktstemperatur, konstant, während
zie Oberflächentemperatur der Innenfläche mit der Zimmer—
emperatur fällt.
Wenn aber einmal ein Niederschlag, auch nur ganz ge—