Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 53, Bd. 12, 1893)

Bautechnische Notizen. — Vermischtes. 
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besitzreform“ hat an das Abgeordnetenhaus eine Petition gerichtet, deren 
Forderungen zum Schluß dahin zusammengefaßt werden: „Das hohe Haus 
wolle bei der königlichen Staatsregierung auf den baldigen Erlaß ron 
Bestimmungen zum Schutz der Bauhandwerker, Baulieferanten, Konstrukteure 
und Arbeiter vorstellig werden“. Der Petition wurde freilich in der 
Justizkommission, wohin dieselbe überwiesen wurde, kein günstiges Schicksal 
zu theil. Obwohl der Berichterstatter Schumacher nach eingehender Dar— 
legung der einschlägigen Verhältnisse dringend beantragt hatte, die Petition 
der Staatsregierung zur Erwägung dahin zu überweisen, ob nicht alsbald 
für das Königreich Preußen derartige gesetzliche Schutzbestimmungen ein— 
zuführen seien, beschloß die Kommission schließlich dennoch, zu beantragen, 
mit Rücksicht auf die in Aussicht genommene reichsgesetzliche Regelung der 
Materie zur Tagesordnung überzugehen. Man darf diesen Beschluß nur 
dann gutheißen, wenn in der That augenblicklich eine besondere reichs— 
gesetzliche Regelung dieser Frage in der Schwebe wäre oder nahe bevor— 
stände. Sollte aber, wie aus einer in der 1. Beilage der Morgenausgabe 
des „Leipz. Tagebl.“ vom 12. d. M. Mr. 2115) abgedruckten Berliner 
Korrespondenz hervorzugehen scheint, mit dem angedeuteten „Reichsgesetz“ 
das „bürgerliche Gesetzbuch für das Deutsche Reich“ gemeint sein, so wäre 
eine so weite Hinausschiebung einer so dringenden Frage vom sozialen 
Standpunkte ebenso gefährlich, wie vom rechtlichen und redlichen Stand— 
punkte aus ungebührlich. Preußen sollte dann gerade hier mit nach— 
ahmenswerthem Beispiel den anderen Einzelstaaten vorangehen. 
In einer Generalversammlung des „Deutschen Bundes für Boden— 
besitzreform“ sind im vorigen Jahre statistische Angaben veröffentlich— 
worden, denen man bei ihrer Ungeheuerlichkeit erst dann Glauben beimaaß 
als der „Reichsanzeiger“ nicht umhin konnte, die Zahlen ohne Berichtigung 
wiederzugeben. Danach sind in der Zeit vom 1. Oktober 1889bis 
30. September 1890 bei den in diesem Feitraume aufgeführten Neubauten 
von Handwerksmeistern und Lieferanten allein in Berlin dreißig Millionen 
Mark verloren gegangen. Von 535 in dieser Frist aufgeführten Neubauten 
sind 133 subhastirt worden. Von 186 Neubauten, die in den letzten zwei 
Jahren in vier neu angelegten Straßen auf dem Terrain der ehemaligen 
Maschinenfabriken von Borsig. Wöhlert und Eggells errichtet wurden, sind 
nur sechs nicht subhastirt worden. Viele dieser Bauten verfielen nicht 
hlos ein Mal, sondern zwei und drei Mal der Subhastation. 
Wem aber sind die 30 Millionen Mark verloren gegangen, wem sind 
sie zugefallen? 
Ein Blick auf die Art und Weise, in welcher heute die großstädtische 
Bauspekulation betrieben wird, giebt uns die Antwort. Der Baustellen— 
händler X. verkauft, entweder direkt oder durch die Hände weiterer Speku— 
santen, die von ihm erworbene Baustelle unter ansehnlichem Preis zuschlag 
an den Bauunternehmer Y. Da M. gewöhnlich vollständig mittellos ist 
o „beguuiut“ sich X., boer der andere Vorbesiger mil einer descherocken Au— 
‚zahlung, den Rest läßt er hypothekarisch auf das Grundstück eintragen 
Y. beginnt nun auf Kredit des X. zu bauen. Damit beginnt das Unglück 
der Bauhandwerker. Da der Grund und Boden verpfändet ist, so wird 
nach dem geltenden Recht jede darauf errichtete Baulichkeit sofort und 
schon während der Bauzeit von dem Pfandrecht mitergriffen. In dem 
Augenblick also, wo der Lieferant ein Stück Waare zu dem Bau ge— 
liefert, der Handwerker eine Arbeit auf dem Bau ausgeführt hat, hat er 
das Recht daran verloren, der Hypothekengläubiger ohne irgend welches 
Zuthun von seiner Seite es gewonnen. Jedes Stück Waare des Lieferanten, 
jede Arbeit des Handwerkers verfällt unrettbar dem Hypothekengläubiger. 
Kommt das Haus dann zur Subhastation, so dient das ganze Grundstück 
natürlich vorweg zur Befriedigung des Spekulanten, als zuerst eingetragener 
Gläubigers, der nunmehr in die Röglichkeit kommt, für denfelben Preis, den 
er für ein unbebautes Grundstück gegeben hatte, dasselbe Grundstück bebau 
zurückzuerwerben. In den Rest, der, wenn er überhaupt vorhanden ist 
nur verschwindend gering sein kann, können sich dann — aber auch nur, 
soweit nicht noch andere Hypothekengläubiger vorgehen — die Bauhand— 
werker theilen. Hieraus sind die empfindlichen Verluste zu erklären, 
welche bei jeder Zwangsversteigerung Hunderte von armen, strebsamen 
Handwerkern erleiden. Hier ist der Grund zu suchen, warum der Ruẽ 
iach gesetzgeberischer Hilfe immer lauter ertönt. 
Handelt es sich doch, wie jüngst Heinrich Freese in einem beachtens— 
werthen Aufsatze in Schmoller's Jahrbüchern richtig betont hat, hier nich: 
um eine einfache Rechtsfrage, handelt es sich doch um eine Frage „vor 
höchster politischer und volkswirthschaftlicher Bedeutung“, die an Erheb— 
lichkeit gewinnt in einer Zeit, wo Gährung und Unzufriedenheit ohnehin 
von gewissenlosen Agitatoren in die große Menge getragen, das Vertrauen 
zu der sozialen Fürsorge in der Gesetzgebung, zu der Unparteilichkeit in 
der Rechtsprechung erschüttert wird. Soll die Gesetzgebung jeder Spur 
eines Verdachtes 'entgehen, als ob sie durch einseitige Beschützung der 
Hypothekengläubiger gegenüber dem Schutzbedürfnisse der Bauhandwerker 
die Macht des wirthschaftlich Starken über den wirthschaftlich Schwachen 
noch erhöhen wolle, so wird sie sich den Forderungen des Bauhandwerker⸗ 
ttandes nicht länger entziehen können. Es ist klar, daß ein hinreichcuder 
Schutz nur dadurch gewährt werden kann, daß den Ansprüchen der Bau—⸗ 
handwerker ein Vorzügsrecht vor den Hypotheken und, Grundschulden zu— 
gesichert wird. — Daͤß dadurch, wie von den Motiven des Entwurfs 
eines bürgerlichen Gesetzbuchs aͤngedeutet und von den Gegnern jener 
Forderung immer betont wird, ein „Bruch in das Eintragungsprinzip 
des heutigen Rechts gerissen und die nugtürlichen Grundlagen der 
Ippothekarischen Sicherheit gefährdet werden, soll his zu einem aewissen 
Maaße zugestanden werden. 
Aber hierbei spielen zum größten Theil theoretische Erwägungen mit. 
Die Praris ist weitsichtiger, als die starre Formel der Lehrmeinung. Der 
soziale Gedanke muß den Ausschlag geben. Wohl kann der Kapitalist 
verlangen, daß die rechtlichen Beziehungen, welche seine Sicherheit beein— 
trächtigen können, klar zu Tage liegen, daß nicht durch nachträgliche 
Forderungen Anderer seine ursprüngliche Forderung an Wer:h verliert. 
Aber mit ebendemselben Rechte kann der Handwerker beanspruchen, das 
seine Arbeit ihm nicht verloren geht und einem Anderen zu gute kommt. 
Dem einen Kapitalisten, dessen Sicherheit möglicher Weise eine Beein— 
trächtigung erfährt, stehen Hunderte gegenüber, deren Existenz auf dem 
Spiele steht. Die verlangte Schutzbestimmung soll überdies dem 
Hypothekengläubiger nur ein Pfandobjekt nehmen, das ihm zu Unrecht zu— 
gefallen ist, das er nicht hatte, als er die leere Baustelle belieh, das daher 
ine Bercicherung auf Kosten Anderer darstellt. 
Die Gefahr, welche dem Hypothekengläubiger zum Theil droht, wird 
dadurch abgewendet, daß man die vorgeschlagene Aenderung der Gesetz— 
gebung nach einer Anregung des Geh. Justizraths Prof. Dernburg durch 
eine Bestimmung abändert, wonach den Hypothekengläubigern sofort von 
edem auf ihrem Pfandgrundstücke geplanten Neubau eine Nachricht 
seitens der Baupolizei zugehen muß und ihnen das Recht zugesprochen 
wird, binnen 3) Tagen nach der Anzeige ihre eingetragenen Kapitalien zur 
sdückzahlung in drei Monaten zu kündigen. Der „Bruch in das Ein— 
ragungsprinzip“ kann ferner dadurch erheblich gemildert werden, daß man 
die Handwerker und Lieferanten verpflichtet, ihre bevorrechteten Forderungen 
bei Nichtzahlung binnen einer kurzen Frist nach Fertigstellung des Gebäudes 
in das Grundbuch eintragen zu lassen, sodaß der Käufer genau weiß, 
welche Lasten auf dem Hause ruhen. 
Mit diesen Zugeständnissen an den Hypothekenbesitzer, schreibt das 
„Leipz. Tagebl.“, wird das angestrebte Vorrecht der Bauhandwerker — 
auch wenn man dieses nicht blos auf den Mehrwerth beschränkt, den das 
Brundstück infolge des durch ihre Thätigkeit errichteten Neubaues erhalten 
hat, — den Interessen beider Theile in fast gleichem Maaße nahe kommen, 
der schwindelhaften und unfruchtbaren Spekulation aber ein Gebiet ent— 
reißen helfen, welches bereits zu Besorgniß erregenden Auswüchsen geführt 
hat, und damit einen bedeutsamen Schritt in der wirthschaftlichen und 
'ozialen Gesetzgebung bilden. Dr. T. 
Wasserhebmaschine. Als die Pulsometer in Aufnahme gekommen 
— 
kaum mehr herstellen lassen könnte. Nun ist doch noch eine recht einfache 
Wasserhebmaschine, die beliebig betrieben werden kann, keine Ventile, 
Kolben und überhaupt die denkbar einfachste Anordnung hat, von dem 
französischen Ingenieur Dejean ausgeführt worden. Die eigentliche Pumpe 
besteht aus einer hohlen Nabe, an welcher vier oder mehr Rohre radial, 
wie die Speichen eines Rades, befestigt und in demselben Sinne wie die 
Arme einer Riemscheibe gebogen sind. Dieser „Stern“ wird auf das 
obere Ende des Saugrohres horizontal aufgesetzt und in die verlängerte 
Nabe in einer Erweiterung der oberen Saugrohrmündung eingeschliffen; 
zurqh ein oben auf der Rabe befeftigtes Getriebe, Aa örgelege und eint 
Kurbel kann das Rad in schnelle Rotation versetzt werden, sodaß die da— 
bei auftretende Centrifugalkraft zuerst die Luft aus dem Rade, bezw. 
Saugrohr ausschleudert und das Wasser durch die entstandene Luft— 
verdünnung nachgedrückt wird. Das Saugrohr hat unten am besten ein 
Fußventil, um die Wassersäule stetig zu erhalten, auch ist zur etwaigen 
Nachfüllung des Saugrohres ein Fülltrichter vorgesehen. Obgleich das 
Prinzip das bekannte des Seegner'schen Wasserrades ist, wurde dasselbe, 
nach dem Bericht der „Zeitschr. f. Transp. und Straßenb.“, in dieser 
einfachen, billigen Anordnung noch nicht zur Anwendung gebracht, und 
dürfte die neue Pumpe besonders zur Entwässerung von Teichen, Bau— 
gruben, zum Betriebe mit Windmotoren, Treträdern ꝛc. recht brauchbar sein. 
Uermischtes. 
Zum Submissionowesen. In der Stadtverordneten-Sitzung in 
Wiesbaden vom 19. Mai wurde an den Magistrat die Anfrage gerichtet: 
welche Gründe dasür maaßgebend gewesen seien, daß die eisernen Dach— 
sonstruktionen zum Theater-Reubau in beschränkter Submission zur Ver— 
gebung gelangt sind. 
Der Oberbürgermeister beantwortete die Anfrage dahin: „An die 
Stelle der öffentlichen sei die beschränkte Submission nur im Interesse 
der Beschleunigung der Arbeiten getreten. Konstruktionen seien nicht vor 
der Einforderung von Lieferungsofferten angefertigt worden, weil Herr 
Baurath Fellner, Fellner und Helmer, Wien) das nicht für nöthig, die 
Erlangung von Konstruktionsplänen von den Submittenten dagegen für 
vortheilhaft gehalten habe.“ 
Hierauf wurde aus der Versammlung erwidert: „Die Zeichnungen 
für die Dachkonstruktionen hätten längst fertig sein können. Durch die 
geforderte Einsendung von Plänen sei mancher hiesige Schlosser verhindert 
worden, sich an der Submission zu betheiligen. Zweifellos würde im 
Falle der Vorlage von fertigen Zeichnungen die Betheiligung an der Sub— 
mission eine weit größere gewesen fein.“ 
Ohne Frage ist hier ein Mißstand zur öffentlichen Kenntniß gekommen, 
der verurtheilt werden muß. Abgesehen von der Größe des Baues und 
der Summe, die für Planfertigung gezahlt wird, muß bei jeder Ver— 
zebung gefordert werden, daß die nöthigen zeichnerischen Unterlagen bei 
der Verdingung ausliegen. Wohin würde es führen, wenn für jede 
einzelne Branche solche Zumuthungen gestellt würden? In diesem Falle 
ist es doch ganz klar, daß die Konstruktionszeichnung für einen eisernen 
Theaterdachstuhl nicht Sache eines Schlossers sein kann, sondern das — 
nag der Verttag noch so unklar sein — es Sache der Architekten ist
	        
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