Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 53, Bd. 12, 1893)

Entscheidungen. — Bautechnische Notizen. — Vermischtes. 
legung des Aborts an der vorhandenen Grenze zu Unrecht er— 
theilt; derselbe ist dann insoweit ungiltig und steht der Anwendung 
des 8 4 auf die Abortsanlage nicht entgegen. I. K. 
(Deutsche Bauzeitg.) 
Von einem hypothekarisch eingetragenen Kapitale 
hatte ein Kaufmann eine Summe von 5000 Mek. durch Cession 
erworben und die Zinsen derselben, da sie in Güte nicht gezahlt 
wurden, eingeklagt. Der beklagte Eigenthümer beantragte die 
Abweisung der Klage, weil er mit seinen sämmtlichen Hypotheken— 
gläubigern, insbesondere auch mit dem klägerischen Cedenten, 
schriftlich vereinbart habe, daß dieselben ihre Kapitalien bis 
Ende 1892 nicht kündigen oder einklagen dürften, sofern bei der 
Vertheilung der reinen Grundstückseinkünfte auf die Zinsen die 
Rangordnung des Grundbuchs beobachtet wird. Dies sei aber 
stets geschehen und deshalb der Kläger zur Anstellung einer Klage 
vor Ablauf des Jahres 1892 nicht berechtigt, da der Schuldner 
einer cedirten Post alle Einwendungen, die er gegen den Cedenten 
rügen könnte, nach den 88 407, 408, Theil J, Titel 11 des All— 
gemeinen Landrechts auch dem Cessionar entgegensetzen kann. 
Das Gericht hat den Beklagten dem Antrage des Klägers gemäß 
»erurtheilt. Wie die Entscheidungsgründe ausführen, finden die 
beiden vorerwähnten Bestimmungen auf den vorliegenden Fall 
keine Anwendung, weil es sich hier um Zinsen eines hypothekarisch 
eingetragenen Kapitals handelt. Denn wenn auch der Schnldnet 
einer in das Grundbuch eingetragenen Forderung dadurch allein 
nicht die ihm sonst gegen die Giltigkeit zustehenden Einwendungen 
verliert, so kann er doch nach den 88 422, 423, Theil J, Titel 20 
des Allgemeinen Landrechts und 8 38 des Gesetzes vom 
5. Mai 1872 gegen einen Dritten, der nach Eintragung der 
Forderung durch einen lästigen Kontrakt ein Recht auf dieselbe 
erworben hat, von solchen Einreden, die er dem Dritten vorher 
nicht kundgethan hat, keinen Gebrauch machen. Daß der Kläger 
aber vor der Cession Kenntniß von der getroffenen Abrede gehäbt 
hat, hat der Beklagte nicht behauptet, geschweige denn erwiesen. 
Bauntechnische Notizen. 
VAr horch gpebaunt:· Eine Angetegenheit; ganz tihntich derjentgen, die 
den Eckthurm des Gebäudes „Friedrichshof“ in Verlin lange Zeit von 
Berüsten umgeben sein ließ, spielt jetzt auch in Wiesbaden. Dort errichteten 
Hirsch und Wollweber an der Ecke der Langgasse und Bärenstraße zwei 
prachtvolle Eckhäuser, die eine Zierde der Kurstadt sind. Die Häuser 
wurden fertiggestellt und nach erfolgter baupolizeilicher Abnahme bezogen 
Es schien Alles in bester Ordnung. Da lief nun nach ungefähr anderthalb 
Jahren eine Denunziation an maaßgebender Stelle ein, in der behauptet 
wurde, das eine Haus sei 37 cm, das andere 43 über die gesetzliche 
Bauhöhe errichtet. Es wurde nun nachgemessen, die Behauptung richtig 
hefunden und den Erbauern die Aufgabe gemacht, ihre Häuser um die 
angegebene Höhe zu kürzen. Von Seiten der Behörde wurde als erschwerender 
Faktor angesehen, daß der Regierungspräsident eine Ueberschreitung der 
zulässigen Höhe um ein Meter gestattet hatte. Der Beschwerdeweg 
wurde eingehalten, ein Gnadengesuch an den Kaiser gerichtet — Alles ohne 
Erfolg. Da nun die Erbauer mit der Niederlegung nicht vorgingen und 
Wiesbadener Handwerker sich dazu nicht bereit erklärten, wurden von der 
Polizei von dem naheliegenden Dotzheim Maurer requirirt, die unter 
polizeilichem Schutz die Ablegung bewerkstelligen sollten. Die Bürgerschaft 
Wiesbadens hat nun beschlossen, ein weiteres Gnadengesuch an den Kaiser 
zu richten, worin die Bitte ausgesprochen wird, daß Hirsch und Wollwebe; 
nur zu einer Geldstrafe verurtheilt werden mögen. Die Petition has 
bereits 4000 Unterschriften erhalten. Ob Hirsch und Wollweber, die sich 
auf den Architekten verließen, für ihren sehr bedeutenden Schaden einen 
Rückhalt an den Bauleiter haben, wird wohl das Gesetz entscheiden müssen. 
Eine sehr empfehleuswerthe Gerüstkonstruktion, die dem 
Zwecke dienen soll, auf Dächern Maurer-, Klempner- und Dachdecker 
Arbeiten ohne Gefahr vornehmen zu können, besteht nach der Angabe des 
Amerikaner Farlant aus zwei durch Charnier mit einander verbundenen 
Dachlatten oder schwachen Balken, die mit dem Charnier über den Firs 
des Daches gelegt werden, sodaß sich beide Schenkel auf beide geneigte 
Dachflächen auflegen. Soll nun z. B. ein Gerüst um einen durch den 
First gehenden Schornstein aus diese Weise gebaut werden, so wird zu 
beiden Seiten desselben je eine solche schmiegenartige Latte gelegt, an 
deren Enden unten wiederum mittels Gelenken gezahnte Stäbe angeschlossen 
— 
einlegen, die einerseits an den, den Fuß umgebenden Winfelhölzern miit 
Gelenk angeschlossen sind und, als parallele Doppelhölzer gestaltet, die 
gezahnten Balken umfassen und sich mit Querstiften in deren Zahnlücken 
einlegen; diese Doppelhölzer können also durch Verstellung der gezahnten 
Streben völlig horizontal gelegt werden und dienen als Aufiager der 
Gerüstbohlen. Ebenso kann die Anordnung auch für eine Hälfte eines 
Daches und vom First entfernt getroffen werden, wo dann die auf dem 
Dache aufliegenden Hölzer an dem First mit Haken angehängt werden. 
Der Gelenkschuh, welcher alsdann die horizontal zu legenden Hölzer an 
einem Ende umgiebt, ist an dem schrägen Holz in zahnartigen Kerben 
perschiebbar gehalten. 
Vermischtes. 
Herzogliche Bangewerksschule SHolzminden. Die am Schlusse 
des Sommerhalbjahrs 18033 stattgefundene Reifeprüfung, zu welcher sich 
50 Schüler in der Abtheilung für Bauhandwerker gemeldet hatten, haben 
14 Schüler bestanden, und zwar 27 Maurer, 13 Zimmcerer und 4 Bau— 
ischler. Das Durchschnittsalter der Prüflinge betrug 21,5 Jahre; die 
werkthätige Beschäftigung 5,6 Jahre 2 Jähre als Vehrling, 2. Jahre 
ils Geselle). Die Berechtigung zum einjährigen Militärdienfte besaßen 5, 
der Militärpflicht hatten genügt 7 Prüflinge; 17 waren im Besitze eines 
Innungs-Lehrbriefes. In der Abtheilung für Maschinenbauer bestanden 
21 Schüler der J. Klasse die Reifeprüfung, und zwar 14 Schlosser und 
Maschinenbauer, 5 Mühlenbauer und Müller, 1 Mechaniker unde1 Kupfer⸗ 
chmied. Die Anstalt war im Sommerhalbjahr 1893 von 207 Schulern 
esucht 4. 
Die neue Musterkellerei der Firma Hoffmann, Heffter u. Co. 
in Leipzig. Die zahlreichen Kellereien und Flaschenlager der Firma— 
velche, bisher in verschiedenen Straßen der Stadt verstreuͤt, die Kontrole 
ür den Chef des Hauses sehr erschwerten, sind in diesem Muster-Speicher 
iber⸗ und unterirdisch zu einem großen Ganzen vereinigt worden An 
Stelle eines erschwerenden Betriebs trat damit' die denkbat vollkommenste 
lebersicht über denselben. Allerdings hat auch der rastlos wirkende 
Inhaber des genannten, in aller Welt bekannten Weinhauses mehr als 
ein Jahrzehnt alle nur erdenklichen praktischen Ideen zu einem solchen 
dause aufgezeichnet, um dieselben nun im Verein mit“ dem Architekten, 
derrn Fritz Drechsler, welch' Letzterer auch für die architektonische Schönheit 
Sorge trug, zu der jetzt vor Aller Augen stehenden Verwirklichung 
u bringen. 
Mit einem schönen, vornehmen und imponirenden Eindruck giebt sich 
das Aeußere des unter Anwendung aller praktischen Neuerungen und 
Erfahrungen geschaffenen, in sich abgeschlossenen Geschäftshauseßs. Wer 
»as Innere der Muster-Speicherei betritt, dem fallen sofort vor allem die 
praktischen Anlagen eines erfahrenen und kundigen Groß⸗Kaufmanns 
n's Auge. Das Haus ist durchmeg von Stein und Eisen erbaut und 
inter Einfügung von 36 -Trägern in den fünf Stockwerken mit einet 
Tragfähigkeit von 1800 kg pro qem ausgerüstet. Seine gute Ausführung 
jag in den Händen der Firma Friedrich Ullrich u. Co. 
Selbstverständlich ist die größte Sorgfalt auf die Herrichtung der 
Keller- und Flaschenlager gerichtet worden, von denen sich 15 große 
Abtheilungen unter dem Gebäude, sowie den ganzen Hofraum entlang 
ausbreiten, während die anderen Lagerräume sich vier Stockwerke hoch 
iber diesen thürmen, gleichmäßig solid und zweckmäßig ausgestaltet. Sie— 
dienen zur Aufnahme aller südlichen Produkte, wie der Griechenlands 
lmarns, Oiens, Spaniens und Frankreichs; das Gebäude selbst wird 
zu einem Stapelplatz köstlicher heimischer und fremder Marken. Sie sind 
alle gut aufgehoben in dem gewölbten, mit Borsdorfer Klinkern ver 
blendeten, theils mit Asphalt, theils mit Cementkomposition ausgelegten 
Abtheilungen, die außerdem noch von Jsolirschichten umgeben sind. 
Sinnreich arbeitende Ventilationseinrichtungen ergäuzen die praktische 
Anlage dieser Lager, welche jederzeit rasch gereinigt und frisch gelüftet 
verden können. Ein großer Theil derselben liegt unter Zollverschluß, 
uu welchem Zwecke praktische Rollthüren gute Dienste leisten 
Durch alle Stockwerke führt gleichzeitig eine vom unterkellerten Hof 
von zwei Kesseln ausgehende Heißwasserheizung, welche auch den höherer 
Temperatur bedürftigen Weinlagern zugewiesen wird. 
Daß es inmitten des streng geschäftlichen Getriebes an Gemüthlichkeit 
aicht fehle, dafür sorgt ein schmucker, gewölbter, säulengetragener Banket⸗ 
aal, in dem dereinst das, was die Sonne des Südens reifte, was am 
Weingelände des Rheins und an den Mosel-Gemarkungen die Sonne küßte 
jier zur Probe geschlürft werden soll. 
So erweist sich das Werk der Firma Hoffmann, Heffter u. Co. als 
ein in allen seinen Theilen gelungenes, würdig des Anfehens und des 
Namens dieses Hauses, als eine Schöpfung lebendigen, weitschauenden 
Heschäftsgeistes in der regsamen Thätigkeit der heimischen Handelswelt. 
Vom Architekten, Herrn Fritz Drechsler, gehen der Baupost“ noch 
aachstehende technische Bemerkungen zu: 
Das ganze Gebäude hat eine Länge von 44 mm, eine Gesammthöhe 
von 15 mmerkl. der 4,70 m hohen Keller. Allein die Kellerräume unter 
dem Gebäude mit der Hofunterkellerung umfassen 1500 qm Lagerfläche, 
„um größten Theil für Rhein- und Mosel-Weine bestimmt. Tas Erd— 
zeschoß enthält die Spül-, Flaschen⸗, Etiquetten-, Pack- und Portierräume. 
Im Zuge des Treppenthurmbaues ist ein hydraulischer Fahrstuhl imit 
000 Rg Tragfähigkeit, welcher die Verbindung zwischen sämmtlichen 
Stockwerken erleichtert, eingebaut. Das erste Sbergeschoß enthält die 
Räume für's Komtoir, den Chef, den Prokuristen, die Kasse, einen großen 
Empfangsraum, nach dem Hofe gelegen, dahinter, durch Korridor getrennt, 
agerräume für Südweine und Pasteurisirraum; mit dem letzteren sind 
noch zwei darüber befindliche Lagerräume verbunden, in welchen die 
Lersandweine einen Klärprozeß durchmachen. Das zweite Obeigeschoß 
enthält lediglich Lagerräume für Südweine; das dritte Obergeschoß einen 
großen Kistenraum und einen abgegrenzten Raum zum Fässerspülen, 
getreunt hiervon zwei Beamtenwohnungen. Da die Räume durchgehend 
eine hohe Belastung erhalten (1800 kg), schien mir ein Kappengewölbe 
0 cin Spannung zwischen eisernen Trägern von Borsdorfer Klinkern 
das Solideste und Dauerhafteste. Der Fußboden in den Lagerräumen 
ist zum Theil in Asphalt, theils in Cement und Eisendrahtspänen her— 
gestellt, desgl. der Hofbelag, die Treppenstufen von gekochtem Cement, auf 
Trägern montirt. Auf dem vorderen, frei bleibenden Äreal sind Villen 
rrichtet mit besserer, bürgerlicher Ausstattun
	        
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