Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 53, Bd. 12, 1893)

Die feuergefährlichen Fachwerk-Gebäude auf dem Lande wie in kleineren Städten und die Feuer-Versicherungs-Gesellschaften. 
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Aus diesen einfachen und deutlichen Zahlen dürfte mit 
Leichtigkeit zu ersehen sein, von wie großer Bedeutung die ge— 
lochten Formsteine für den Kaminbau sind. 
Vor allen Dingen kaun nicht genug vor dem Gebrauch von 
Steinen gewarnt werden, welche in ungeeigneter Weise 
gelocht sind (z. B. eine Lochreihe durch die Mitte) und welche 
aus kalkhaltigem Rohmaterial hergestellt sind, da die— 
selben infolge ihrer Porosität die Feuchtigkeit sehr stark 
ansaugen und dadurch leicht Veraulassung zum Schief— 
werden und Reißen der Schornsteine geben, wie dies bei 
Verwendung der süddeutschen Steine sehr häufig 
geschieht. — 
und Vagabunden und Strolche suchen und finden passenden 
Unterschlupf. 
Etwas günstiger gestaltet sich die Sache noch, wenn der neue 
Besitzer das Restgut bezieht oder dasselbe beziehen läßt, eine 
böllige Ausnutzung der Gebände ist aber ausgeschlossen, folglich 
werden auch in solchem Falle Ausbesserungen meist nur in ganz 
ungenügender Weise vorgenommen. Das schüsßende runde Holz— 
dach über dem Schornstein ist länugst vielfach durchbrochen, Schnee 
und Regenwetter lösen auch hier den Lehm von den Stückhölzern 
und der Schornstein besteht zum großen Theil schließlich aus 
dürrstem Holz. 
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Lande sonst sind, so gefährlich werden dieselben, wenn Schäden 
nicht rechtzeitig beseitigt werden; die Feuersgefahr mehrt sich mit 
edem Tage. Unter folchen Verhältnissen ist aber noch zu be— 
»euken, daß der Besitzer nicht einmal ein Interesse daran hat, eine 
Jründliche Verbesserung herbeizuführen, da für ihn das Abbrennen 
jer Ruine schließlich am günstigsten und wünschenswerthesten er— 
cheinen muß. Ein solches „Restgut“ hält aber oft, auch Jahre 
ang die ganze Nachbarschaft, meist die ganze Gemeinde in 
tändiger Augsi, auch ihre Häuͤser und Wirihschaften sind fort— 
vährend der Gefahr ausgesetzt, bei einem Brande des alten 
Danses mit vernichtet zu werden; dazu häufig geradezu die Furcht, 
daß die Restbesitzung nur durch Brand verschwinden werde. 
Häufig genuͤg ist dies thatsächlich der Fall. Brennt dann 
das Restgut bei Tage und ist die Windrichtung eine günstige, so— 
daß die Gluth des Feuers nach dem Felde streicht, also andere 
Häuser nicht gefährdet, so wird Niemand auf dem Lande hinter 
dem Verge halten, sondern das Feuer offeun als „Freudeufeuer“ 
»ezeichnen. Eine Untersuchung ist zwar schnell im Gange, über 
die Entstehung des Feuers ist jedoch selten Klarhett zu erreichen. 
Nur auf Muthmaaßungen beruhen meist die Ergebnisse. Oefter 
nag wohl der Urheber des Brandes ermittelt werden, oft auch 
in Unschuldiger laͤngere Zeit in Untersuchungshaft kommen, und 
venn derselbe auch schließlich freigesprochen wird, so bleibt der 
Verdacht doch gewöhnlich für die Zeit seines Lebens ein Makel 
ür den Betreffenden. Je nach dem Ergebniß der Untersuchung 
indet sich dann wohl die bett. Versicherungs-Gesellschaft bereit, 
den entstandenen Brandschaden zu decken. 
Du Horstehendem dürften die Uebelstände der alten, schlecht 
»ewohnbaren oder unbewohnten Häuser genügend besprochen sein. 
Zelbstverständlich beziehen sich diese Mängel nicht nur auf Rest— 
züter, sondern auch auf Häusler-Nahrungen und andere Wirth— 
ichaften. 
Wenn wir nunmehr dazu übergehen, Mittel zur Besserung 
dieser Verhältnisse anzuführen, so möge gleich vorausgeschickt 
verden, daß wir in keiner Weise für Staatshilfe schwärmen, 
„ielmehr bei allen Fragen den Schwerpunkt darauf legen, daß 
»olitische und finanzielle Unabhängigkeit des Einzelnen im vollsten 
Sinne gewahrt bleibe. 
Zunächst müßte angestrebt werden, daß man auf gesetzmäßige 
Weise durch die Versicherung eines Fachwerk-Grundstückes, für 
velches lange Jahre die entsprechend hohen Feuer-Versicherungs— 
Präutien bezahlt wurden, nach bestimmter Zeit ein Anrecht auf 
VBauhilfs-Gelder erwirbt, wenn man das feuergefährliche Haus 
zurch ein massives mit harter Bedachung ergänzen will. Unseres 
Wisfens besteht im benachbarten Königreich Sachsen diese Ein— 
cichtung läugst und scheint sich sehr gut zu bewähren. Das, 
vas dort in dieser Beziehung geleistet werden kann, ist nach den 
Frefahrungen im Wege der freien Konkurrenz Seitens der Gesell— 
schaften wie der Bau⸗Ausführenden entschieden billiger, mindestens 
aber ebenso billig und zweckmäßig zu erreichen. 
Was sodann den Neubau ländlicher Grundstücke anbelangt, 
so muß zunächst eine billigere Bauart angestrebt werden, ohne 
der Solidität Eintrag zu thun. Bisher wurden auf dem Lande 
nit Vorliebe Bruchsteine und sogeuannte Findlinge kulbige Feld⸗ 
ind Wassersteine) zum Bau verwendet, weil dieses Material außer 
dem Betrage für das Anfahren fast nichts kostete; die Billigkeit 
dieses Materials dürfte aber durch vermehrten Zeitaufwand bei'nt 
Bau und dementsprechend vermehrte Löhnung mehr als aufgewogen 
verden, während zu Fundamenten und Grundmauern in der Erde 
dieses Steinmaterial hach wie vor Verwendung finden kann. 
Entschließt man sich im Allgemeinen, zur Verwendung ge— 
hrannter Ziegeln überzugehen, so kann auch im Bau zu einem 
anderen System übergegäugen werden. 
Durch Gesellschaften und Private werden seit langen Jahren 
Arbeiter-Wohnungen gebaut. Hier kam es hauptsächlich darauf 
n, für möglichst wenig Geld solide und praktische Wohnhäuser 
für Arbeiterfamilien herzustellen. Dabei sind ganz vorzägliche 
nesultate erzielt worden und werden allerliebste und für den 
Die feuergefährlichen Fachwerk-Gebäude auf 
dem Lande mie in kleineren Städten und 
die Feuer-VYersichernugs-Gesellschaften. 
Die große Trockenheit des diesjährigen Sommers und die 
vielen und verhältnißmäßig großen Brände auf dem Lande, 
speziell in Schlesien, regen unwillkürlich zum Nachdenken an, 
ob sich nicht bessere Verhältnisse einestheils in der Versicherung 
dieser feuergefährlichen Gebäude, zum anderen Theil in der Her— 
deene neuer ländlicher Wohn- und Wirthschaftsgebäude erzielen 
ießen. 
Bezüglich der Versicherung dieser Fachwerk-Gebände mit 
Stroh- oder Schindelbedachung sei zunächst erwähnt, daß ver— 
schiedene Feuer-Versicherungs-Gesellschaften solche Grundstücke über— 
haupt nicht zur Versicherung annehmen. Die Auswahl unter den 
Gesellschaften ist somit schon eine beschränkte und die Versicherungs— 
zebühr beträgt bei solchen Gebänden 5 bis 12 pro Mille. 
Mobiliar in derartigen feuergefährlichen Gebäuden wird so— 
gar bis 15 pro Mille berechnet. Wenn Schreiber Dieses nicht 
irrt, giebt es nur eine einzige Gesellschaft, die derartige Gebäude 
im Verbande, (d. h. wenn sich der größere Theil der Gemeinde 
betheiligt) zu einem wesentlich niedrigeren Prozentsatz, und zwar 
zu 3—4 pro Mille, versichert, während massive Gebäude auf dem 
Land? MAllgemeinen mit 2/ pro Mille und der Inhalt de 
Gebäude mit ca. 3/,6 pro Mille versichert werden. 
Von jedem ordnungliebenden Landwirth erwartet man aber 
heut zu Tage mit Recht, daß er stets seine Feldfrüchte gegen 
Hagel, seine Ernte, sein Mobiliar, seine Gebäude gegen Feuer 
versichert. — Aus den oben angeführten Sätzen läßt sich nun 
sehr leicht ermessen, welche Unsummen der Besitzer von solchen 
feuergefährlichen Gebäuden danernd aufzubringen hat. 
Dazu ist Folgendes zu erwägen: Die Gebäude dienen zur 
Wohnung für die Familie des Besitzers, des Dienstpersonals, zur 
Unterbringung des Rind- und Zugviehes, des Getreides, der 
Futter-Vorräthe und der nöthigen landwirthschaftlichen Geräthe 
und Maschinen; sie liefern also keinen Ertrag, im Gegentheil — je 
kostspieliger die Gebäude waren, um so größere Summen mußten 
darin festgelegt und verzinst werden. Demnach begreift man sehr 
wohl, daß der Landwirth vielfach nur schwer an die Errichtung 
neuer Gebäude geht und an alten Gebäuden oft nur das Aller— 
dringendste ausbessern läßt. Die Folge hiervon ist, daß solche 
Gebäude immer mehr verfallen, das ursprüngliche gesunde Sparren— 
holz durch Witterungs-Einflüsse leidet und schließlich harte Be— 
dachung nicht mehr trägt. 
Eine Wirthschaft mit so beschaffenen Gebänden ist nun schwer 
verkäuflich und selbst die eigenen Söhne gehen ungern daran, die 
Wirthschaft zu übernehmen, denn die darauf ruhenden Lasten 
sind zu groß. Gewöhnlich haben aber die Besitzer mehrere 
Kinder, die auch aus der Wirthschaft ausgestattet werden müssen 
und nicht dem Besitzthum zu Liebe dem Proletariat überantwortet 
werden können. Daher kommt es vielfach, daß das Besitzthum 
schließlich an Ausschlächter übergeht. Es sind dies nicht, wie die 
Antisemiten in ihren Hetzereien glauben machen wollen, stets 
wucherische Juden, sondern Leute aus den verschiedensten Kreisen, 
die zu dem Behufe als ein Konsortium die Mittel zum Kauf 
aufbringen und schließlich den Gewinn theilen. Die guten Aecker 
und Wiesen werden parzellirt und finden willige Abnehmer zu 
guten Preisen. Der Rest wird bei'm Gut belassen und letzteres 
findet jetzt zu einem billigen Preise seinen Käufer. Die Wirth— 
schaftsgebäude sind natürlich für den Rest von Feldern und 
Wiesen viel zu groß und werden häufig mir während der Ernte— 
zeit und zum Ausdreschen benutzt. Ausbesserungen werden daher 
fortan nur noch seltener vorgenommen und hier und da fällt der 
Lehm von den Stückhölzern, schließlich verschwinden die letzteren
	        
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