Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 53, Bd. 12, 1893)

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Die feuergefährlichen Fachwerkgebäude auf dem Lande wie in kleineren Städten ꝛc. — Euntscheidungen. 
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Zweck praktische Häuser zu ganz überraschend billigen Preisen 
Jebaut. Diefe Häuser sind, je nach Bedarf, 1- und 2⸗stöckig; 
pielfach werden die Mauern mit Luftschichten gebaut, wodurch 
sich die inneren Räume trocken und warm halten, während da— 
durch noch viel theures Baumaterial gespart wird. Alle Vor— 
theile, die sich für den Bau von Arbeiter-Wohnungen erreichen 
ließen, dürften sich aber auf Nenbauten in den Törfern und 
kleineren Städten übertragen lassen. 
Hier wie dort handelt es sich um Befriedigung einfacher 
Bedürfnisse, um Herstellung einfacher und billiger, zweckentsprechen— 
der Wohnungen und Wirthschaftsgebäude; diese sind hier wie 
die Arbeiter-Wohnungen, 1- und 2⸗stöckig, sodaß man die Kosten— 
Anschläge der ersteren bei den letzteren zu Grunde legen kann. 
Zu berücksichtigen wäre dabei, daß in den ländlichen Ort— 
schaften auch darauf Bedacht geuommen wird, mehr als bisher 
Häuser mit 2 Arbeiter- oder Handwerker-Wohnungen zu errichten. 
Bei unbedeutenden kleinen Häusler-Nahrungen ohne Land, in 
denen weder Ziegen noch Geflügel gehalten werden können, würde 
sich eine Einrichtung zu 2 Wohnungen empfehlen, wovon die eine 
zu vermiethen wäre; der Ertrag des Hauses wäre dadurch ge— 
sicherter. 
Das Bedürfniß hierfür wird sich mehr und mehr entwickeln. 
Seit längerer Zeit schon ist man bestrebt, Fabriken und dergl. 
dort anzulegen, wo billige Arbeitskräfte in genügender Zahl vor— 
handen find. Ferner weiß man, daß, während sonst Maurer, 
Zimmerleute und sonstige Handwerker ihren Wohnsitz in die 
Städte verlegten, dieselben jetzt in den mitunter ziemlich entfernten 
Dörfern ihr Heim aufschlagen, per Fahrrad am Morgen ihre 
Arbeitsstätte aufsuchen und am Abend in ihr Heim auf dem 
Dorfe zurückkehren, weil sie und ihre Familie dort billiger und 
gesünder leben, als in den großen Städten mit ihren oft engen 
und dumpfigen Straßen. — Wir befinden uns aber erst am 
Anfang dieser Bewegung, und es liegt in hohem Interesse der 
ländlichen Kreise, diese Bewegung mit allen Mitteln zu unter— 
stützen. Bei der Einschränkung der Geschäftszeit in den Städten 
auläßlich der Sonntagsruhe dürfte es sich empfehlen, hier und 
dort einen Laden einzubauen; auf dem Lande wird in dieser Be— 
ziehung noch wenig geboten und doch schließt man nach der 
äußeren Ausstattung sehr oft auf die innere, ein mit einem 
Laden ausgestättetes Haus dürfte sich auch hier bald sehr gut 
derzinsen. 
Vielleicht ließen sich auch auf unseren bäuerlichen Besitzungen 
bessere Arbeitsverhältnisse erzielen, wenn bei'm Neubau von 
Seitengebäuden auf eine oder zwei freundliche Wohnungen Be— 
dacht genommen wurde. Bei zahlreicher Familie wird es selten 
möglich sein, daß alle Kinder sich wieder in bäuerliche Besitzungen 
einheirathen oder solche erwerben können. Manches der Kinder 
dürfte vielleicht eine solche Wohnung in der elterlichen Heimath 
peranlassen, dort zu bleiben und dem Bruder oder der Schwester 
eine zuverlässige Stütze in der Wirthschaft zu sein. Diese 
Stellung selbst würde durch die kleine Rente, die aus dem 
elterlichen Nachlaß ihnen nebenher zur Verfügung stünde, sehr 
oft eine freiere und angenehmere sein, als wenn dieselben mit zu 
geringem Kapital Wirthschaften übernehmen, die ihren Mitteln 
nicht entsprechen. 
Die Frage, die uns nun zunächst beschäftigt, ist di:: Wer 
soll bauen? 
Der Besitzer solcher feuergefährlicher Gebände auf dem 
Lande, wie wir sie oben beschrieben, gleichviel ob Bauer, Gärtner 
oder Häusler, verfügt selten über die Mittel zum Bauen. Wo 
die Mittel dazu vorhanden sind, dürfte ein Umbau in den meisten 
Fällen erfolgen, doch kann man trotz alledem in manchen Gegenden 
sehr viele Häuser finden, die, wenn auch nicht mehr zu den ganz 
feuergefährlichen, so doch zu den ewig reparaturbedürftigen zu 
zählen sind. Unter der Masse Grundbesitzer, die hier in Betracht 
kommen, dürfte es schließlich auch Solche geben, die aus eigenen 
Meitteln etwas zum Bau zuschießen wollenn; um diesen Betrag 
würde sodann die Belastung des Grundstücks geringer. 
GEs schweben uns verschiedene Korporationen vor, die ein 
genügendes Iuteresse an solchen Bau-Unternehmungen hätten; wir 
gehen jedoch über dieselben hinweg, weil wir von ihnen nur schwer 
die von uns gestellten Bedingungen erfüllt sehen würden. — Da— 
gegen halten wir die Fener-Versicherungs-Gesellschaften für die 
geeignetsten Unternehmer, weil gerade diese nebst den Besitzern 
das ureigenste Juteresse an der Beseitigung aller zweifelhaften 
Gebäude haben müssen und diese in der Lage sind, mit Leichtigkeit 
sich das Bau-Kapital zu verschaffen und Verzinsung und 
Amortisirung in Verbindung mit der Verficherung am billigsten 
für die Besitzer zu bewerkstelligen. 
Zur Frage der Beschaffung des Bau-Kapitals sei Folgendes 
zur Erwägung gestellt: 
Man kapitalisire die Differenz, welche zwischen den Feuer— 
Versicherungs-Prämien eines massiven Grundstücks und den 
Prämien eines Fachwerk-Grundstückes mit Stroh- oder Holz— 
»edachung liegt, und man wird schon ein ganz nettes Sümmchen 
herzeichnen können. Dieses Sümmchen vermehrt sich zunächst in 
derfelben Weise durch die Mobiliar-Versicherung, ebenso durch 
die Versichernug der Ernte gegen Feuersgefahr. 
Das Unternehmen müßte im Verbande durchgeführt werden, 
d. h. die sämmtlichen Besitzer feuergefährlicher Häuser zunächst 
iner Gemeinde müßten auf den Antrag eingehen. 
Die Regelung der Hypotheken zu einem mäßigen Zinsfuß 
nüßte ebeufalls die Fener-Versicherungs-Gesellschaft in die Hand 
jehmen und ev. neue, in Folge des Baues entstehende Hypotheken 
eslen resp. einheitlich auf einen langen Zeitraum hinaus 
edeln. 
Entscheidnugen. 
In einer Entscheidung vom 22. September d. J. hat der 
V. Senat des Oberverwaltungsgerichts, abweichend von der 
»isherigen Rechtsprechung des Gerichtshofes, den Grundsatz gus— 
gesprochen, daß Zäune und Gitter zu den Bauwerken (Neu⸗ 
‚auten, Um- und Ausbauten) nicht gehören, deren Errichtung über 
eine in Aussichtgenommene Straßeuflüchtlinie hinaus nach Maaßgabe 
des Baufluchtengesetzes vom 2. Juli 1875 untersagt werden darf. 
Zwei Streitfälle lagen dem Gerichtshofe zur Entscheidung vor, 
n denen es auf diese Frage ankam. In dem einen Falle war 
dem Eisenbahn-Betriebsamt Breslau von der Polizeiverwaltung 
einer schlesischen Stadt die Genehmigung zur Einzäunung eines 
hmm gehörigen Terrainstreifens nur mit der Magßgabe ertheilt 
vorden, daß die Einzäunung unterbleiben müsse, soweit sie über 
ie Straßenfluchtlinie hinausgehe. Im anderen Falle war einem 
dausbesißer in Charlottenburg-Westend von der dortigen Polizei— 
direktion aufgegeben worden, das sein Vorgartenterrain gegen 
die Straße abschließende Gitter zu beseitigen, soweit es über die 
ZStraßenfluchtlinie hinausgehe. Hier wie dort war mittels der 
dlage gegen die potizeilichee Verfügumgen zugleich gelteud gemacht 
vorden, daß eine endgiltige Festsetzung der Fluchtlinie noch gar 
aicht stattgefunden habe. Dieser Einwand wurde vom Ober—⸗ 
»erwaltungsgericht verworfen. Dasselbe hielt vielmehr an seiner 
hisherigen Praxis fest, daß die Versagung des Baufkonsenses 
vegen Ueberschreitung der Fluchtlinie an sich auch bereits während 
)es Feststellungsverfahrens zulässig ist, sobald nur ein Einver— 
tändniß der Gemeinde- und Polizeibehörde über die einzuhaltende 
Fluchtlinie erzielt ist. Dagegen ging der Gerichtshof in der 
ingangs erwähnten Beziehung von dem in früheren Entscheidungen 
estgehältenen Standpunkte ab und erkannte aus diesem Grunde 
»em Klageantrage gemäß auf Außerkraftsetzung der polizeilichen 
Verfügungen, soweit dieselben auch für Gitterbaufen die Einhaltung 
der Fluchtlinie forderten. 
Bei der Verabredung der Gewährung eines Dar— 
ehns an ein Genossenschaftsmitglied, wobei definitiv der Ge— 
rossenschaftsvorstand zu befinden hat, war von dem Kassirer mit 
»em Bürgen die mündliche Nebenabrede getroffen, daß die 
Bürgschaft im Falle späterer hypothekarischer Sicherstellung er— 
öschen solle. Diese Sicherstellung war erfolgt, und als der 
Bürge später in Anspruch genommen wurde, erhob er den Ein— 
vand aus der verlangten mündlichen Nebenabrede, wurde jedoch 
rotzdem verurtheilt. Das Reichsgericht, III. Civilsenat, hat dies 
m Urtheil vom 29. April 1893 dahin begründet: Daß die 
Henossenschaft an die mündliche Nebenabrede gebunden sei, würde 
ruur dann ohne Bedenken angenommen werden können, wenn der 
dzassirer allgemein oder durch besonderen Beschluß des über die 
hewährung von Darlehen beschließenden Organs des Vereins 
zum Abschluß der Nebenverabredung ermächtigt war. Hatte der— 
elbe aber unter Ueberschreitung seiner Vollmacht nur persönlich 
eine derartige Zusicherung ertheilt, so konnte der Beklagte aus 
herselben keine wirksame Einrede gegen den Anspruch des klagenden 
Vereins herleiten. Die schriftliche Bürgschaftsurkunde bildete die 
Grundlage, auf Grund deren der Vereinsvorstand über die Ge— 
vährung oder Ablehnung des Darlehusgesuches Beschluß faßte, 
und indem der Beklagte diese Urkunde unterzeichnete, ohne daß 
n derselben ein Vorbehalt zum Ausdruck gelangte, mußte er sich 
sagen, daß die Bürgschaftsverpflichtung, wie sie schriftlich lante, 
ür den Beschluß über die Darlehnsgewährung maaßgebend sein 
önne. Hatte der Beklagte solchermaaßen den klagenden Verein 
zurch Abgabe seiner schriftlichen Bürgschaftserklärung zur Ge—
	        
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