Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 53, Bd. 12, 1893)

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Entscheidungen. — Bautechnische Notizen. 
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26. April 1892 zwei an den Bäckermeister J. als Miether des 
Kellergeschosses und an M. gerichtete Verfügungen. Auf ihre 
Aushebung wurde Letzterer klagbar. Der vierte Senat des Ober— 
derwaltungsgerichts erkannte in der Berufungsinstanz nach dem 
Klagegutrage. Zwar enthalte die Bau-Polizei-Ordunng nicht eine 
nähere Bestimmung des Begriffes eines erheblichen Veränderungs- 
haues, bei der tief einschneidenden Wirkung aber, die 840, Abs. 3 
an die Vornahme erheblicher Veränderungsbauten knüpfe, werde 
daran festgehalten werden müssen, daß nicht blos ganz un— 
bedeutende bauliche Aenderungen auszuschließen seien, sondern 
daß umgekehrt die Erheblichkeit des Veränderungsbaues klar zu 
Tage liegen müsse. Der Gerichtshof verneint unter näherer Dar— 
legung, daß dies vorliegend der Fall, und nahm damit zugleich 
an, daß die Konsensbedingung und die auf diese gestützte Auflage 
an den Kläger, sowie an den Bäckermeister J. der geseslichen 
Unterlage entbehrt. 
Zur Errichtung eines Wohngebäudes außerhalb einer 
m Zusammenhang gebauten Ortschaft ist einerseits die An— 
siedelungsgenehmigung, andererseits, unabhängig davon, die ge— 
wöhnliche Bauerlaubniß erforderlich. Letztere ist zu versagen, 
sofern nicht die Ansiedelungsgenehmigung bereits ertheilt ist oder 
gleichzeitig ertheilt wird. Dagegen gewährt die Ertheilug der 
Ansiedelungsgenehmigung dem Bauenden keinen Anspruch darauf, 
daß ihm nunmehr auch die Bauerlaubniß nicht vorenthalten werde. 
Diese kann vielmehr auch nach erhaltener Ansiedelungsgenehmigung 
verweigert werden, wenn dazu ein selbstständiger Grund vorliegt, 
wenn 3. B. das Bauprojekt unter das ortsstatutarische Bauverbot 
des Anbaues von einer projektirten, aber noch nicht anbaufertigen 
Straße fällt. Urtheil des Oberverwaltungsgerichts, IV. Senats, 
vom 17. Januar 1893. 
Dem Eigenthümer eines an einer öffentlichen 
Straßze anliegenden Grundstückes ist nach einem Urtheil des 
Reichsgerichts, V. Civilsenat, vom 14. Dezember 1892 im Ge— 
biete des Preußischen Allgemeinen Landrechts eine im Rahmen 
der 88 78 81 J, 8 des Allgemeinen Landrechts sich haltende 
Benutzung der Straße zu Privatzwecken, insbesondere zur Anlage 
einzelner baulicher Einrichtungen, gemäß der polizeilichen Bauer— 
laubniß gestattet, ohne daß die Stadigemeinde als Eigenthümerin 
der Straße dagegen Einspruch erheben oder dafür eine Ent— 
schädigung verlangen kann. 
Dem Gläubiger aus einer vollstreckbaren Schuld— 
urkunde steht nach einem Urtheil des Reichsgerichts, V. Civil⸗ 
senats, vom 1. Februar 1893, gesetzlich frei, von der ihm ein— 
geräumten sofortigen Vollstreckbarkeit Gebrauch zu machen oder 
nicht und den Prozeßweg zu beschreiten. Insbesondere wird der 
im Prozeß unterliegende Schuldner die Prozeßkosten jedenfalls 
dann zu tragen haben, wenn er seine Verbindlichkeit bestritten hat. 
Der Einwand der Verletzung über die Hälfte aus 
88 58 ff. J. 11 Allgemeines Landrecht, wonach, wenn der Kauf— 
preis den doppelten Betrag des Werths der Säche übersteigt, der 
Käufer die Aufhebung des Kaufpvertrages verlangen kann, ist 
nach einem Urtheil des Reichsgerichts, V. Civilsenats, vom 
4. Februar 1893, bei Käufen in Bausch und Bogen nicht ausge— 
schlossen. Auch steht dieser Einwand einem sachverständigen 
Käufer zu. 
Dem Kläger war eine Hypothek cedirt, ohne daß in 
dem gebildeten Hypothekenbrief die Vorrechtseinräumung vor noch 
eingetragenen Posten in Höhe von 7063 Mk., wie dies im Grund— 
buch geschehen, vermerkt war. Der Kläger verlangte Schadens— 
ersatz von dem Richter. Dieser Anspruch wurde vom Reichsge— 
cicht, IV. Civilsenat, im Urtheil vom 17. September 1892 für 
begründet anerkannt. Aus den Gründen ist hervorzuheben: Der 
sich für den Cessionar ergebende Irrthum betraf weder „ausdrücklich“ 
noch „gewöhnlich“ vorausgesetzte Eigenschaften, wohl aber den 
Gegenstand der Willenserklärung, weil der „Lokus“ ein anderer 
war, als augenommen worden. (Allgemeines Landrecht J. 48 75), 
sodaß durch diesen Irrthum die Willenserklärung des Cessionars 
entkräftet wurde. Der Cessionar war durch die Cession der 
Hypothek und Zahlung der Valuta geschädigt. Die anderweite 
Unmöglichkeit für den Kläger, Ersaß zu erlangen, war außer 
Streit. 
TDrängt Jemand in Ausübung seines Hausrechts 
einen Eindringling hinaus nach der Treppe und fällt demzufolge 
dieser, allerdings gegen die Äbsicht des Hinausdrängenden, die 
Treppe hinunter und verunglückt, so ist der Thäter nach einem 
Urtheil des Reichsgerichts, TeStrafsenats, vom 10. Januar 1898, 
wegen fahrlässiger Tödtung, bezw. Körperverletzung zu bestrafen. 
Die fahrlässig ertheilten Auskünfte der Auskunfts-— 
bureaux konnten bis jetzt nicht angegriffen werden, weil die 
Auskunfisburedux unter allen Umständen den Schus des 8 193 
Wahrung berechtigter Interessen, für sich in Anspruch nahmen. 
Es scheint jedoch, daß jetzt die Gerichte zu einer anderen An— 
schauung gelangt sind. Ein soeben veröffentlichtes Urtheil des 
Amtsgerichts München J bestraft diejenigen Auskünfte, welche nicht 
auf Wahrheit, sondern nur auf müßigem Gerede beruhen. In 
einem Prozesse hatte es sich herausgestellt, daß die von einem Aus— 
unfts-Bureau über einen Geschäftsmann gegebene ungünstige 
Nuskunft falsch war. Das Bureau verlangte für sich den Schuütz 
des 8 193, aber das Gericht entschied, daß das fragliche Bureau 
allerdings Anspruch auf den Schutz des erwähnten Paragraphen 
machen könne, jedoch nur so lange, als eine Auskunft auf 
Wahrheit und nicht auf müßigem Geschwätz beruhe; es gehe 
nicht an, daß unter dem Deckmantel dieses Paragraphen die 
Fristenz eines Mannes vernichtet werde. Das Urtheil lautete 
uuf 50 Mk. Geldstrafe, Tragung sämmtlicher Kosten und Vubli— 
'ation des Urtheils. 
Zweck und Umfang der Verbindlichkeit des Gewerbe⸗ 
internehmers zur Einrichtung von Schnutzvorrichtungen. 
Die Schutzeinrichtungen, welche 8 120 Abs. 3 der Reichs-Gewerbe— 
»rdnung den Unternehmern zur Pflicht macht, bezwecken nicht nur 
die Abwendung von solchen Unfällen, von welchen die Arbeiter 
hei dem Betriebe bedroht werden, auch wenn ihrerseits mit aller 
Vorsicht gehandelt wird. Es soll vielmehr auch Unfällen vor— 
zebeugt werden, zu denen die nach praktischer Erfahrung zu er— 
vartenden Unachtsamkeiten und Unvorsichtigkeiten der Arbeiter 
Anlaß geben. Fehlt es an einer polizeilich oder sonst durch die 
Beschaffenheit des Betriebes gebotenen Schutzvorrichtung und er— 
eignet sich in Folge des Versehens eines Arbeiters ein Unfall, 
velchem die Schutzmaaßregel vorgebeugt haben würde, so wird 
der Gewerbeunternehmer besondere Umstände zu seiner Entlastung 
darzulegen haben. Er kann sich der Regel nach nicht allein 
darauf berufen, daß der Arbeiter den Unfall durch eigene Un— 
vorsichtigkeit und insbesondere durch Uebertretung eines Verbotes 
»er Vornahme der gefährlichen Handlung herbeigeführt habe. 
Dieser Umfang der Verbindlichkeit der Unternehmers, seinen 
Arbeitern thunlichste Sicherheit gegen Gefahr für Leben und 
Gesundheit zu verschaffen, ist in der Rechtsprechung des Reichs— 
Oberhandelsgerichts und des Reichsgerichts stets anerkannt. (Ent— 
scheidung des III. Cipilsenats des Reichsgerichts vom 1 Juli 1892 
Bautechnische Notizen. 
Wetterfeste Putz- und Anstrichmasse. Der Zweck der vor— 
liegenden Erfindung, welche C. F. Rasmussen in Kopenhagen patentirt 
vurde, ist, eine haltbare und schön aussehende Putze, beziehungsweise 
Anstrichmasse für Holz- und Steinflächen herzustellen, welche aber auch, 
n Formen gepreßt oder gegossen, zu den verschiedensten Zwecken dienen 
ann. 
Den Hauptbestandtheil der Masse bildet gebrannter, stark magnesia⸗ 
jaltiger Kalkstein, der mittels einer wässerigen Chlormagnesiumlösung ge— 
öscht wird. Dem hierbei in Pulvberform zerfallenden Kalkstein wird eine 
entsprechende Menge Oelsäure, die in Verbindung mit dem Magnesiakaltk 
Magnesiakalkseife bildet, zugesetzt und hierdurch ein Material erbalten, 
welches in Wasser nicht mehr löslich ist. 
Dieser Masse werden je nach dem Verwendungszwecke des Endpro⸗ 
duktes folgende neutrale Stoffe zugesetzt: Sand, Granit u. s. w. (machen 
hart), Kaolin (giebt eine glatte Fläche), Sägespäne (geben Elastizität), 
Kreide, pulversirter Marmor, Magnesit, Schwerspat und Zinkweiß (machen 
hart, geben eine weiße Farbe). 
Ist es beabsichtigt, die Masse in Formen zu pressen, dann werden 
derselben Kuhhaare zugesetzt. 
In der Regel setzt sich der Hauptbestandtheil aus einer Mischung 
von 10-20 Theilen 80prozentiger Chlormagnesiumlösung, 25 Theilen 
Magnesiakalk und roher Oelsäure im Verhältnisse von 5—100/,0 vom Ge⸗— 
wichte des Magnesiakalkes zusammen. Sowohl die Quantität wie die 
Art der zur Verwendung kommenden neutralen Stoffe kann dem Zwecke 
der fertigen Masse entsprechend abgeändert werden. Dieses gilt auch be— 
züglich der Menge des zu verwendenden Chlormagnesiums, wenn man 
inter Zusatz einer größeren Menge neutraler Stoffe eine größere Menge 
von Chlormagnesiumlösung anwenden muß, um der Mischung eine passende 
Festigkeit zu geben. Der fertigen Masse können alle Arten meiallischer 
ind Erdfarben zugesetzt werden; dieselbe läßt sich poliren, mit den 
tärksten Desinfektionsmitteln abwaschen und ist nach Verlauf einiger 
Stunden gegen Witterungseinflüsse völlig unempfindlich. 
Der Holzschwamm. Mit den ersten Anzeichen des Frühlings 
macht sich. auch auf sehr vielen Holztheilen in Gebäuden der Holzschwamin 
höchst unliebsam bemerkbar. Die „Schwammfrage“ wurde in der 
„Deutschen Bauzeitung“ kürzlich erörtert und es wurde in Beantwortung 
einer Anfrage geäußert, Schwamm ließe sich aus bereits infizirten und 
zerstörten Holztheilen nicht vertreiben. Die Anfrage bezog sich auf ein 
ils Riegelwandbau errichtetes Haus, das so von Schwamm verheert war, 
daß sowohl der Fußboden zur Hälfte neu gelegt werden mußte, wie auch 
die Balken und Dielen bereits so angegriffen waren, daß Nägel nicht 
mehr „anziehen“ wollten. Unter diesen Gesichtspunkten war die erwähnte 
Antwort gegeben. Dieselbe hat eine Zuschrift an das genannte Fachblatt
	        
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