71
Entscheidungen. — Bautechnische Notizen.
172
26. April 1892 zwei an den Bäckermeister J. als Miether des
Kellergeschosses und an M. gerichtete Verfügungen. Auf ihre
Aushebung wurde Letzterer klagbar. Der vierte Senat des Ober—
derwaltungsgerichts erkannte in der Berufungsinstanz nach dem
Klagegutrage. Zwar enthalte die Bau-Polizei-Ordunng nicht eine
nähere Bestimmung des Begriffes eines erheblichen Veränderungs-
haues, bei der tief einschneidenden Wirkung aber, die 840, Abs. 3
an die Vornahme erheblicher Veränderungsbauten knüpfe, werde
daran festgehalten werden müssen, daß nicht blos ganz un—
bedeutende bauliche Aenderungen auszuschließen seien, sondern
daß umgekehrt die Erheblichkeit des Veränderungsbaues klar zu
Tage liegen müsse. Der Gerichtshof verneint unter näherer Dar—
legung, daß dies vorliegend der Fall, und nahm damit zugleich
an, daß die Konsensbedingung und die auf diese gestützte Auflage
an den Kläger, sowie an den Bäckermeister J. der geseslichen
Unterlage entbehrt.
Zur Errichtung eines Wohngebäudes außerhalb einer
m Zusammenhang gebauten Ortschaft ist einerseits die An—
siedelungsgenehmigung, andererseits, unabhängig davon, die ge—
wöhnliche Bauerlaubniß erforderlich. Letztere ist zu versagen,
sofern nicht die Ansiedelungsgenehmigung bereits ertheilt ist oder
gleichzeitig ertheilt wird. Dagegen gewährt die Ertheilug der
Ansiedelungsgenehmigung dem Bauenden keinen Anspruch darauf,
daß ihm nunmehr auch die Bauerlaubniß nicht vorenthalten werde.
Diese kann vielmehr auch nach erhaltener Ansiedelungsgenehmigung
verweigert werden, wenn dazu ein selbstständiger Grund vorliegt,
wenn 3. B. das Bauprojekt unter das ortsstatutarische Bauverbot
des Anbaues von einer projektirten, aber noch nicht anbaufertigen
Straße fällt. Urtheil des Oberverwaltungsgerichts, IV. Senats,
vom 17. Januar 1893.
Dem Eigenthümer eines an einer öffentlichen
Straßze anliegenden Grundstückes ist nach einem Urtheil des
Reichsgerichts, V. Civilsenat, vom 14. Dezember 1892 im Ge—
biete des Preußischen Allgemeinen Landrechts eine im Rahmen
der 88 78 81 J, 8 des Allgemeinen Landrechts sich haltende
Benutzung der Straße zu Privatzwecken, insbesondere zur Anlage
einzelner baulicher Einrichtungen, gemäß der polizeilichen Bauer—
laubniß gestattet, ohne daß die Stadigemeinde als Eigenthümerin
der Straße dagegen Einspruch erheben oder dafür eine Ent—
schädigung verlangen kann.
Dem Gläubiger aus einer vollstreckbaren Schuld—
urkunde steht nach einem Urtheil des Reichsgerichts, V. Civil⸗
senats, vom 1. Februar 1893, gesetzlich frei, von der ihm ein—
geräumten sofortigen Vollstreckbarkeit Gebrauch zu machen oder
nicht und den Prozeßweg zu beschreiten. Insbesondere wird der
im Prozeß unterliegende Schuldner die Prozeßkosten jedenfalls
dann zu tragen haben, wenn er seine Verbindlichkeit bestritten hat.
Der Einwand der Verletzung über die Hälfte aus
88 58 ff. J. 11 Allgemeines Landrecht, wonach, wenn der Kauf—
preis den doppelten Betrag des Werths der Säche übersteigt, der
Käufer die Aufhebung des Kaufpvertrages verlangen kann, ist
nach einem Urtheil des Reichsgerichts, V. Civilsenats, vom
4. Februar 1893, bei Käufen in Bausch und Bogen nicht ausge—
schlossen. Auch steht dieser Einwand einem sachverständigen
Käufer zu.
Dem Kläger war eine Hypothek cedirt, ohne daß in
dem gebildeten Hypothekenbrief die Vorrechtseinräumung vor noch
eingetragenen Posten in Höhe von 7063 Mk., wie dies im Grund—
buch geschehen, vermerkt war. Der Kläger verlangte Schadens—
ersatz von dem Richter. Dieser Anspruch wurde vom Reichsge—
cicht, IV. Civilsenat, im Urtheil vom 17. September 1892 für
begründet anerkannt. Aus den Gründen ist hervorzuheben: Der
sich für den Cessionar ergebende Irrthum betraf weder „ausdrücklich“
noch „gewöhnlich“ vorausgesetzte Eigenschaften, wohl aber den
Gegenstand der Willenserklärung, weil der „Lokus“ ein anderer
war, als augenommen worden. (Allgemeines Landrecht J. 48 75),
sodaß durch diesen Irrthum die Willenserklärung des Cessionars
entkräftet wurde. Der Cessionar war durch die Cession der
Hypothek und Zahlung der Valuta geschädigt. Die anderweite
Unmöglichkeit für den Kläger, Ersaß zu erlangen, war außer
Streit.
TDrängt Jemand in Ausübung seines Hausrechts
einen Eindringling hinaus nach der Treppe und fällt demzufolge
dieser, allerdings gegen die Äbsicht des Hinausdrängenden, die
Treppe hinunter und verunglückt, so ist der Thäter nach einem
Urtheil des Reichsgerichts, TeStrafsenats, vom 10. Januar 1898,
wegen fahrlässiger Tödtung, bezw. Körperverletzung zu bestrafen.
Die fahrlässig ertheilten Auskünfte der Auskunfts-—
bureaux konnten bis jetzt nicht angegriffen werden, weil die
Auskunfisburedux unter allen Umständen den Schus des 8 193
Wahrung berechtigter Interessen, für sich in Anspruch nahmen.
Es scheint jedoch, daß jetzt die Gerichte zu einer anderen An—
schauung gelangt sind. Ein soeben veröffentlichtes Urtheil des
Amtsgerichts München J bestraft diejenigen Auskünfte, welche nicht
auf Wahrheit, sondern nur auf müßigem Gerede beruhen. In
einem Prozesse hatte es sich herausgestellt, daß die von einem Aus—
unfts-Bureau über einen Geschäftsmann gegebene ungünstige
Nuskunft falsch war. Das Bureau verlangte für sich den Schuütz
des 8 193, aber das Gericht entschied, daß das fragliche Bureau
allerdings Anspruch auf den Schutz des erwähnten Paragraphen
machen könne, jedoch nur so lange, als eine Auskunft auf
Wahrheit und nicht auf müßigem Geschwätz beruhe; es gehe
nicht an, daß unter dem Deckmantel dieses Paragraphen die
Fristenz eines Mannes vernichtet werde. Das Urtheil lautete
uuf 50 Mk. Geldstrafe, Tragung sämmtlicher Kosten und Vubli—
'ation des Urtheils.
Zweck und Umfang der Verbindlichkeit des Gewerbe⸗
internehmers zur Einrichtung von Schnutzvorrichtungen.
Die Schutzeinrichtungen, welche 8 120 Abs. 3 der Reichs-Gewerbe—
»rdnung den Unternehmern zur Pflicht macht, bezwecken nicht nur
die Abwendung von solchen Unfällen, von welchen die Arbeiter
hei dem Betriebe bedroht werden, auch wenn ihrerseits mit aller
Vorsicht gehandelt wird. Es soll vielmehr auch Unfällen vor—
zebeugt werden, zu denen die nach praktischer Erfahrung zu er—
vartenden Unachtsamkeiten und Unvorsichtigkeiten der Arbeiter
Anlaß geben. Fehlt es an einer polizeilich oder sonst durch die
Beschaffenheit des Betriebes gebotenen Schutzvorrichtung und er—
eignet sich in Folge des Versehens eines Arbeiters ein Unfall,
velchem die Schutzmaaßregel vorgebeugt haben würde, so wird
der Gewerbeunternehmer besondere Umstände zu seiner Entlastung
darzulegen haben. Er kann sich der Regel nach nicht allein
darauf berufen, daß der Arbeiter den Unfall durch eigene Un—
vorsichtigkeit und insbesondere durch Uebertretung eines Verbotes
»er Vornahme der gefährlichen Handlung herbeigeführt habe.
Dieser Umfang der Verbindlichkeit der Unternehmers, seinen
Arbeitern thunlichste Sicherheit gegen Gefahr für Leben und
Gesundheit zu verschaffen, ist in der Rechtsprechung des Reichs—
Oberhandelsgerichts und des Reichsgerichts stets anerkannt. (Ent—
scheidung des III. Cipilsenats des Reichsgerichts vom 1 Juli 1892
Bautechnische Notizen.
Wetterfeste Putz- und Anstrichmasse. Der Zweck der vor—
liegenden Erfindung, welche C. F. Rasmussen in Kopenhagen patentirt
vurde, ist, eine haltbare und schön aussehende Putze, beziehungsweise
Anstrichmasse für Holz- und Steinflächen herzustellen, welche aber auch,
n Formen gepreßt oder gegossen, zu den verschiedensten Zwecken dienen
ann.
Den Hauptbestandtheil der Masse bildet gebrannter, stark magnesia⸗
jaltiger Kalkstein, der mittels einer wässerigen Chlormagnesiumlösung ge—
öscht wird. Dem hierbei in Pulvberform zerfallenden Kalkstein wird eine
entsprechende Menge Oelsäure, die in Verbindung mit dem Magnesiakaltk
Magnesiakalkseife bildet, zugesetzt und hierdurch ein Material erbalten,
welches in Wasser nicht mehr löslich ist.
Dieser Masse werden je nach dem Verwendungszwecke des Endpro⸗
duktes folgende neutrale Stoffe zugesetzt: Sand, Granit u. s. w. (machen
hart), Kaolin (giebt eine glatte Fläche), Sägespäne (geben Elastizität),
Kreide, pulversirter Marmor, Magnesit, Schwerspat und Zinkweiß (machen
hart, geben eine weiße Farbe).
Ist es beabsichtigt, die Masse in Formen zu pressen, dann werden
derselben Kuhhaare zugesetzt.
In der Regel setzt sich der Hauptbestandtheil aus einer Mischung
von 10-20 Theilen 80prozentiger Chlormagnesiumlösung, 25 Theilen
Magnesiakalk und roher Oelsäure im Verhältnisse von 5—100/,0 vom Ge⸗—
wichte des Magnesiakalkes zusammen. Sowohl die Quantität wie die
Art der zur Verwendung kommenden neutralen Stoffe kann dem Zwecke
der fertigen Masse entsprechend abgeändert werden. Dieses gilt auch be—
züglich der Menge des zu verwendenden Chlormagnesiums, wenn man
inter Zusatz einer größeren Menge neutraler Stoffe eine größere Menge
von Chlormagnesiumlösung anwenden muß, um der Mischung eine passende
Festigkeit zu geben. Der fertigen Masse können alle Arten meiallischer
ind Erdfarben zugesetzt werden; dieselbe läßt sich poliren, mit den
tärksten Desinfektionsmitteln abwaschen und ist nach Verlauf einiger
Stunden gegen Witterungseinflüsse völlig unempfindlich.
Der Holzschwamm. Mit den ersten Anzeichen des Frühlings
macht sich. auch auf sehr vielen Holztheilen in Gebäuden der Holzschwamin
höchst unliebsam bemerkbar. Die „Schwammfrage“ wurde in der
„Deutschen Bauzeitung“ kürzlich erörtert und es wurde in Beantwortung
einer Anfrage geäußert, Schwamm ließe sich aus bereits infizirten und
zerstörten Holztheilen nicht vertreiben. Die Anfrage bezog sich auf ein
ils Riegelwandbau errichtetes Haus, das so von Schwamm verheert war,
daß sowohl der Fußboden zur Hälfte neu gelegt werden mußte, wie auch
die Balken und Dielen bereits so angegriffen waren, daß Nägel nicht
mehr „anziehen“ wollten. Unter diesen Gesichtspunkten war die erwähnte
Antwort gegeben. Dieselbe hat eine Zuschrift an das genannte Fachblatt