Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 58, Bd. 17, 1898)

71 Beitrag zur Bestimmung zwechmaͤßiger Abmessungen für Treppenstusen. — Baugenossenschaften. — Binden der Schornsteine. 72 
diesen Gründen dürfte es sich empfehlen, daß die Gewerbevereine 
dieser Augelegenheit volle Aufmerksamkeit zuwenden und die von 
rinzelnen derselben durch Abhaltung von Unterrichtskursen er— 
Fielien Erfolge zu verwerthen suchen. Der Gewerbe- und In— 
duͤstrieberein'in Mannheim hat sich, nach der „Bad. Gewerbe⸗ 
zeitung“, bereits entschlossen, der Frage näher zu treten. 
II. 
Beitrag zur Bestimmung zweckmäßiger Ab- 
messungen für Treppenstufen. 
In der „Zeitschr. f. Archit. u. Ingen.“ spricht sich Bauiuspektor 
Wildte über die zweckmäßigsten Abmessungen über Treppenstufen 
dus Er erklärt zunächst, daß, um eine angemessene Neigung der 
Treppe zu haben, zunächst die Stufenhreite dadurch als gegeben an— 
zusehen sei, daß der Anforderung, für'den Fuß einen bequemen 
ind sicheren Auftritt zu schaffen, entsprochen werden müsse. Die 
Auffassung, daß die Bequemlichkeit mit Abnahme der Stufenhöhe 
und Zunahme der Auftrittsbreite innerhalb gewisser Grenzen 
wächst, erkennt der Genannte nicht als zutreffend an und er be— 
weist ferner, daß die bisher für die Berechnung der Treppen 
maaßgebende Formel Z nb — s nicht völlig gengu ist. Nach 
ihm kist die Breite (b) und Schrittlänge (8) für jeden Fall be— 
fannt, nicht aber die Höhe h, wie dieses sonst allgemein ange— 
sommen wird. Wilcke findet demnach als neue Formel: 
pAs,wobei stets h zu bestimmen, b und s aber als 
bekannt vorausgesetzt sind. 
Um für eine bestimmte Treppenanlage die Abmessungen der 
Stufen zu ermitteln, ist zunächst festzustellen, ob dieselbe vorzugs— 
weise von Männern, Frauen oder Kindern benutzt wird. 
Beispielsweise würde für eine Kaserne die Schrittlänge zu 
39 cem, die Fußlänge zu 27 can anzusetzen sein: dann wäre 
2 
2i h27 69 also h — — 42.7 3 * I8 . 
2*43 
Um jedoch dem Fuße eine größere Auftrittsbreite zu gewähren, 
erhält der Auftritt einen Üeberstand von 3 cau bei massiven 
und 4— 5cm bei hölzernen Treppen. Daraus würde eine Ge— 
iammt-Auftrittsbreite von 3032 am resultiren. 
In Schulen für Kinder bis zu 16 Jahren sind die Treppen 
wie folgt anzuordnen: Schrittlänge 54 cn, Fußlänge 21 . 
Daraus folgt: 
33 30 
2 — 5 85* l4.ix rd. 1I& 
Für höhere Schulen und Wohnungen sind aus beiden die 
Mittelwerthe anzunehmen. Wenn daher die Schrittlänge à — 61 
und die Fußlänge b — 24 6mn ist, so folgt für die Stufenhöhe 
2h —4 24 — 61oder 
37 111 
b — —A 152 rd. IG c. 
In der nachstehenden Tabelle giebt Wilcke die praktisch em— 
pfehlenswerthen Abmessungen für innere Treppen: 
Benutzung 
hauptsächlit 
durch: 
Sc 
Neatritfsbreite Rei⸗ 
zern VNein 
1 
tang x 
Nei⸗ 
zungs⸗ 
winkel 
Maänner 
Frauen 
NKinder 
O. 330 421 
Die auf Grund vorstehender Tabelle angeleaten Trevven 
sind bequem zu ersteigen. 
Baugenossenschaften. 
Verbesserungsmittel entstehen aus einem vorhandenen Be— 
dürfnißz oder Uebelstand. Für ihre Verbreitung aber muß der 
Entwickelungstrieb nach Verbesserung der Lage bereits so kräftige 
Wurzeln in breiten Schichten geschlagen haben, daß der bewußie 
Wille jeden Weg zur Vervollkommnung einzuschlagen bereit ist. 
Die Wohnungsverhältnisse unserer unbemittelteren Klassen sind 
vielfach taurige. Das Bewußisein davon ist wohl bereits einem 
erheblichen Bruchtheil der betreffenden Klassen gekommen. Abefr 
der energische Wille, Abhilfe dafür zu schaffen, fehlt bei uns 
leider noch bielfach. Wir haben in Deutschland etwa 1655 Bau— 
iud Sparbereine und Baugenossenschaften. Davon haben nach 
dem Jaͤhresbericht des Allgemeinen Verhands der deutschen Er— 
werbs- und Wirthschaftsgenossenschaften für 1896 von Dr. Erüger 
23 berichtende Genossenschaften 5374 Mitglieder gehabt, die 165 
hestehenden dürften also im Verhältniß dazu höchstens etwa 
38000 Meiitglieder zählen. In anderen Ländern haben die Bau— 
genossenschaften bereits weit mehr Boden gewonnen. So zählte 
B. der Kopenhagener Arbeiter-Bauverein 1896 13461 Mit— 
slieder. Die sämmtlichen 23 berichtenden Bau-Genossenschaften, 
esp. Bauvereine, haben demnach noch nicht die Hälfte der Mit— 
liederzahl des einzigen Kopenhagener Baupereins erreicht. 
Aber das Beispiel desselben beweist auf das Deulichste, 
daß den Baugenossenschaften in Deutschland noch eine große 
Zukunft bevorsteht. Wir hatten nach der Berufszählung vom 
J. Juni 1895 im Dentschen Reich im Handel und Gewerbe 
ind Veikehr eine Arbeiterzahl von 7,2 Mill. und mit Familien— 
ingehörigen von 15,, Mill. Wenn in Kopenhagen, wo die 
Wohnungsverhältnisse doch gewiß nicht viel ungesunder liegen, 
vie in unseren Großstädten, ein Bauverein allein es auf 13 000 
Mitglieder bringen kann, dann werden wir annehmen können, 
aß im Deutschen Reich nach 10 Jahren diese Genossenschaften 
dhunderttausende von Mitgliedern zählen werden. Von den 165 
in Deutschland bestehenden Wohnungsgenossenschaften waren 
70 sogenannte Spar- und Bauvereine, d. h. solche Genossen— 
chaften, welche eigene Häuser erwerben oder bauen, um die 
Wohnungen billiger und von ihrer Seite aus unkündbar an ihre 
Pitglieder zu vermiethen. Die übrigen sind sogenannte Bauge— 
iossenschaften, welche kleinere Familienhäuser bauen und die— 
elben auf dem Weg der Abzahlung in das Eigenthum der Mit— 
zlieder überführen. 
Beide Atten sind gleich wichtig und berechtigt; letztere 
eignen sich vielleicht mehr für die bessergestellten arbeitenden 
tlassen, erstere mehr für die fluktuirende Arbeiterbevölkerung, 
ür Arbeiter, die wegen der wechselnden Erwerbsverhältuisse — 
venigstens in vielen Gewerbszweigen — sich nicht an die Scholle 
fesseln können und dürfen, sondern stets gewärtig sein müssen, 
den Unterhalt an einem anderen Ort zu suchen. Nichts aber 
wäre nun verfehlter, als daraus zu folgern, daß Baugenossen— 
schaften und Bau- und Sparvereine zwei Gruppen darstellen, 
velche gänzlich verschiedene Ziele verfolgen und daher nur neben— 
einander und nicht miteinander arbeiten können. Im Gegentheil, 
die beiden Genosseuschaftsarten müßten sich ergänzen, sollten, 
vo irgend das Bedürfniß vorhanden ist, Hand in Hand arbeiten. 
Wenu' nun aber in letzter Zeit wieder Versuche gemacht sind, 
aus den beiden Baugenossenschaftsgattungen Sonder-Verbände 
zu bilden, und künstlich Gegensätze zu konstruiren, so ist dies 
iebhaft zu beklagen; damit wird in die Baugenossenschaftsbe— 
vegung eine Spaltung hineingetragen, die nur zum Schaden der 
Entwicklung führen kann. 
(Df3) 
Binden der Schornsteine. 
Vor einiger Zeit wurde im Regierungsbezirk Hildesheim der 
Tod eines Arbeiters durch das Herabfallen eines gesprengten 
Schornsteinbandes herbeigeführt. Dies gab der dortigen Ge— 
werbe-Inspektion Veranlassung zu eingehenden Untersuchungen 
über die Ursachen derartiger Vorkommnisse. Assistent Zollenkopf 
herichtet in der Zeitschrift der Centralstelle für Arbeiter-Wohl⸗ 
'ahrts-Einrichtungen vom 1. Mai 1897 über die Befunde und 
egt zugleich die Grundsätze dar, welche beim Anbringen von 
Bändern an den Schornsteinen der Gewerbebetriebe beachtet 
werden müssen, wenn Unfälle hintangehalten werden sollen. 
Infolge der großartigen Entwickelung der Gewerbethätigkeit 
und der von den Gemeindeverwaltungen geforderten Sicherung 
der Rachbarschaft gegen Abgase, Ruß u. dergl. werden neuer— 
dings an die Abmessungen der Schornsteine Forderungen gestellt, 
velche sich mit der Standfestigkeit und Dauerhaftigkeit dieser Bau— 
verke nur schwer vereinigen lassen. Die bedeutenden Wärme— 
interschiede, welche ständig im Mauerwerk eintreten, rufen Be— 
vegungen und Spannungen in ihm hervor, welchen selbst bester 
Mörtel auf die Dauer nicht ausreichenden Widerstand zu bieten 
hermag. Infolge dessen ist man vielfach gezwungen, die Stand— 
estigkeit dieser mächtigen Säulen durch Anlegen von Bändern 
icher zu stellen
	        
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