Abteilung IV.
einspielen, ohne sie starr mitzumachen. Die Figuren
stehen auf einer flachen Schrankenwand, die mit
dreiteiligem Basis- und Kopfprofil versehen ist
(Fig. 6).
Fig. 2—4 zeigen Schnitt und Ansicht der tiefen
Kassettendecke, die aus großen Steinplatten quer
über den Raum gelegt ist. Es sind ionische Kas
setten im Gegensatz zu den dorischen (vgl. Nike
tempel, Tafel 27). Man sieht das auch aus dem
Grundriß Fig. 8. Die Einzelheiten des Gebälkes
und des über dem Kopf der Koren eingeschalteten
architektonischen Kapitellgliedes zeigt Fig. 5. Es
bleibt stets zu bewundern, mit welch großem Ge
schick scheinbar ganz organisch die architektonisch
notwendige Stützenkrönung mit der Figur ver
bunden ist. Das ionische Epistyl mit drei Faszien
und Kymation trägt den Zahnschnitt nach klein
asiatischer Weise und darüber ein lesbisches Kyma
mit Astragal. Ein kräftiges Eierstabglied schließt
die Platte oben ab. Interessant sind die Verhält
nisse der kleinen Halle: ihre Höhe ohne Stufenbau
ist nur wenig geringer als die Breite an der Brüstung
gemessen. Die Figurenhöhe ist gleich der halben
Achsentfernung der äußersten Stützen. Es klingt
also der Gesamtumriß (ohne Stufenbau), der ein
vom Quadrat nur wenig abweichendes, liegendes
Rechteck ist, wieder in dem aus zwei ähnlichen
Rechtecken zusammengesetzten Raum zwischen den
Eckfiguren.
Tafel 52, Fig. 1—4. Ungewöhnliche ioni
sche Kapitelle.
AusdemTempel zu Phigaleia (Material: Kalk
stein). Ein früher Versuch, die Vorderansicht auch
auf die Seiten zu übertragen, also daß ein sog.
Diagonalkapitell entsteht. Das schwere Voluten
band verdeckt fast ganz die sonst üblichen Wulst
profile, wobei an Stelle des Eierstabs ein lesbisches
Kyma und eine Hohlkehle getreten ist. Auf dem
Polster ruht ein schwerer viereckiger Aufsatz, von
dem ein Profil zu der kräftigen Platte überleitet,
die wie beim Diagonal- und korinthischen Kapitell
gebuchtet und an den Ecken in eine Spitze aus
gezogen ist.
Fig. 5—8. Vom Forum trianguläre in
Pompei.
Im 2. Jahrhundert v. Chr. hat sich in Pompei
eine wahrscheinlich auf peloponnesische Einflüsse
aufbauende Formenwelt entwickelt, die sich aus
zeichnet durch große Virtuosität in der Behand
lung des weichen Kalktuffes (Tuffstil) und durch
eine elegante, oft bizarre und barocke Linien
führung. Dort sind um diese Zeit ionische Kapi
telle der normalen Form nicht mehr üblich. Man
liebt das nach allen Seiten gleich entwickelte Dia
gonalkapitell, bei dem, wie aus den Schnitten 7
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Egle, Baustil-u. Bauformenlehre. Text von Fi echt er.
u. 8 ersichtlich ist, die Volutenbänder stark vor
geneigt sind und zu der weit ausladenden Platte
überleiten. Der Eierstab ist verkümmert, besonders
die eigentliche sog. Eiform nur noch wie ein
Kügelchen innerhalb einer spitzbogig geschnittenen
Schale. Kennzeichnend für diesen hellenistischen
Stil in Pompei, Unteritalien und Sizilien sind die
großen fahrigen Palmettenwedel und der glatte
Säulenhals, gegen den die rechtwinklig begrenzten
Kannelüren anlaufen. Diese Tufformen wurden in
absichtlicher Nachahmung von Marmor mit feinstem
Stuck überzogen, und zum Teil auch farbig gefaßt.
Fig. 9. Vereinzelte Form aus Athen (Artemis
Eukleia). Perlstab und Schaftansatz sind ergänzt. Die
Mitte des Volutenbandes ist in altertümlicher Weise
geteilt, und mit einem Palmettenornament verziert.
Tafel 53. Westseite des Erechtheions
(Material: Marmor). Links die Nordhalle, deren
Seitenflucht vor die Rückwand des Hauptbaues
vortritt, rechts die Korenhalle auf höherer Terrasse.
Ein älteres Heiligtum hatte schon früher hier be
standen, denn die uralten heiligen Kultmale Athens
lagen hier im tiefen Felsboden: das Dreizackmal
und das Grab des göttlichen Kekrops. Wahrschein
lich entstand im Nikiasfrieden der neue Tempel,
der nicht nur die verschiedenen Kultstätten har
monisch umschließen sollte, sondern auch der un
gleichen Höhenlage des Geländes angepaßt werden
mußte. Die östliche Vorhalle (Tafel 50 u. 51)
führte zur Cella der Athena. Die tiefer gelegene
Nordhalle (vgl. ebenfalls Tafel 50 u. 51, Fig. 7 E)
dagegen bildete den Zugang zu dem tiefer liegen
den Kultraum des Poseidons Erechtheus. ln der
Halle selbst stand ein Altar, links nahe an der
Rückwand war im Felsboden das alte Dreizackmal.
Der Plattenboden fehlte deshalb, und in Decke und
Dach war darüber eine Öffnung ausgespart, denn
das Mal mußte unter freiem Himmel liegen. Von
der Vorhalle führte die schöne Tür (vgl. Tafel 54
u. 55) zuerst in einen Vorraum D mit drei Türen.
Eine östliche führte in die Poseidoncella (C), die
südliche war der Ausgang zur Treppe nach der
Karyatidenhalle, die westliche zum Pandroseion, in
dem der alte heilige Ölbaum der Athene stand.
Rechts neben dieser Tür, unter der Südwestecke des
Baues, lag das alte Kekropsgrab. Vermutlich mußten
die Architekten deshalb die Westwand, die sie sicher
weiter gegen Westen hinausrücken wollten, zurück
ziehen, heiligem Eifer der Priester und Frommen
nachgebend. Dadurch ist die jetzige unbefriedigende
Anordnung und in den Einzelheiten unfertige Lösung
entstanden. Zwischen die Halbsäulen derWestfront
wurden erst in römischer Zeit Fensterwände ein
gefügt. Vorher waren die vier nördlichen Zwischen
räume durch hölzernes Gitterwerk geschlossen.
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