Abteilung V.
45
46
hinausragen und ein breites horizontales Gesims
bilden, das beiderseits als Stütze für das vorsprin
gende Dach, aber auch zur Anbringung von figür
lichem Schmuck diente. Alles Holzgebälk war wie
in Sizilien mit reich gegliederten und bemalten Ton
platten bekleidet und verdeckt. Die vorliegende
Ergänzung mit Stichbalken an der Giebelfront ist
also nicht ganz zutreffend.
Fig. 6—11. Etruskische Einzelformen, die zum
Teil an Dorisches anklingen (Fig. 7 u. 9), sind
häufig. Durchaus üblich war die Basis bei meist
glattem Schaft. Die eigentliche Holzform des Ka
pitells ist nicht bekannt, alle überlieferten Formen
sind Steinbildungen. Fig. 11 erinnert an ein Pflanzen
kapitell. Fast alle etruskischen Architekturformen
sind nur rohe Nachbildungen griechischer Vor
bilder und ohne innere Schönheit.
Tafel 4. Fig. 1—6. Römisch-dorischer
Tempel zu Cori. Dieser Bau ist ein Ergebnis
der in Italien vom 3. Jahrhundert an allmählich
eindringenden hellenistischen Kunst. Der Tempel
von Cori steht am Ende jener Epoche griechischen
Einflusses, der von Unteritalien herkam. Er ist zu ver
gleichen mit den Bauten der Tuffperiode in Pompei.
Die Einzelformen sind bei diesen Werken aus dem
weichen Material meist sehr klein und verwischt,
aber reich durch viele Zwischenglieder und tiefe
Unterschneidungen. Der Stein wurde mit weißem
Stuck überzogen und zart bemalt. Bei dem starken
Vordringen griechischen Einflusses veränderte sich
auch der italisch-etruskische Grundriß. Der Tem
pel bekam eine mehr in die Länge gezogene Form,
ln Cori steht noch die ganze Vorhalle mit Gebälk
und Giebel und Türwand aufrecht. Beides, die tiefe
Vorhalle und das Podium, sind noch altitalisch, aber
die Formgebung, dieüberschlanken dorischen Säulen,
das Triglyphengesims und die Türbildung sind
hellenistisch. So zeigt dieser Bau zwar etwas ver
wischt die Grundzüge italisch-etruskischer Gestal
tung, in den Einzelheiten aber die unverstandenen
und stark verwässerten griechischen Formen.
Fig. 7. Am Sarkophag des Scipio Barbatus
manifestierte sich bereits anderthalb Jahrhunderte
früher der griechische Einfluß von Unteritalien her
in der Verbindung von dorischen Triglyphen mit
ionischem Zahnschnitt und in der Altarform mit
den Polstern an beiden Seiten.
Tafel 5. Tempel der Fortuna virilis in
Rom. Noch etwas weiter vom altitalischen Typus
entfernt als Cori, ihn aber doch noch in der tiefen
Vorhalle und im Podium bewahrend, ist der ioni
sche Pseudoperipteros am Forum boarium, der
sog. Tempel der Fortuna virilis. Die Formenbildung
verrät nichts mehr von jenem Tuffstil; sie erinnert
vielmehr an den kleinasiatischen Hellenismus, wenn
sie sich hier auch nur im bescheidenen Peperin,
nicht in Marmor ausdrücken muß (man vgl. IV,
Tafel 36). Die Profile sind in Stein vorgearbeitet,
wurden aber mit einer ziemlich starken Stuckschicht
verkleidet, ln der römischen Kaiserzeit machte der
Bau noch einmal eine Veränderung durch, er wurde
neu verputzt und dadurch entsprechend vergröbert.
Tafel 6—8. Tempel des Vespasian in
Rom (Marmor). Etwa 120 Jahre später als der
kleine ionische Bau ist dieser Prachttempel zu
Ehren des Göttlichen, d. h. des zu den Göttern
erhobenen Kaisers Vespasian am Nordrand des
Forum Romanum errichtet worden. Im Grundriß
(Tafel 7) erkennen wir wieder die tiefe Vorhalle,
die Cella aber ist wegen des beschränkten Platzes
kurz. Von ihrer Ausstattung (Tafel 7 u. 8) wissen
wir gar nichts; was hier gezeichnet ist, ist ledig
lich Vermutung. Das Äußere (Tafel 6) zeigt die
völlig auf griechisch-kleinasiatischer Grundlage er
neuerte und ins Monumentale gesteigerte römische
Baukunst, die nun natürlich hinter den Vorbildern
nicht Zurückbleiben, sondern sie überbieten will.
Die Säulen sind eng gestellt, nicht mehr weit wie
die etruskischen; sie zeigen reiche Bildung mit
korinthischen Kapitellen. Das dreiteilige Gebälk
ist durch den Konsolenkranz noch bereichert.
Auch die Konsole kommt aus dem hellenistischen
Stil, und wird von der großen Architektur der
Kaiserzeit als unentbehrliches Glied zur Erhöhung
und Bereicherung des Kranzgesimses aufgenommen.
Die Inschrifttafel auf der Vorderseite stammt erst
aus der Zeit einer Wiederherstellung des Tempels
unter Septimus Severus. Er ließ die Architravfaszien
und die Friesdekoration (vgl. Tafel 8) abarbeiten,
nicht zum Vorteil der Gesamterscheinung.
Von großem Reiz und ein charakteristisch römi
sches Motiv ist bei allen Tempeln die mächtige
Freitreppe, die vor der Front in ganzer Breite an
geordnet wird. Bei älteren Tempeln hatte man sich
mit schmaler Treppe in der Mitte begnügt. Oft steht
hier auf einem Zwischenpodest der Brandopferaltar.
Tafel 9—13. Colosseum in Rom (Material
der Außenwände: Travertin). Der berühmteste
Bau des alten Rom, das riesige Amphitheater,
schlechtweg das Kolossale — Colosseum — ge
nannt, wurde von den Kaisern aus dem flavischen
Hause errichtet. Es hatte wie seine Vorläufer in
Pompei und Capua die Grundform einer Ellipse
und war, alle früheren Anlagen an Größe über
treffend, für etwa 50000 Zuschauer berechnet.
Seine große Achse wird zu 187,7 m, die kleine zu
155,6 m angegeben. Die Anordnung der Treppen
und Korridore erreicht hier einen hohen Grad der
Vollkommenheit in der möglichst zweckmäßigen
Führung, die zur Füllung und Entleerung eines