Full text: Erläuternder Text (Textband) (1905)

Abteilung V. 
mit Tonnengewölben überdeckte und mit ihren 
Apsiden rückwärts aneinanderstoßende Kulträume. 
Die starken Wände waren an der Aussenseite mit 
Marmor verkleidet, nach innen durch Nischen ge 
gliedert und ebenfalls mit reichem Marmorbelag 
verziert. Tonnengewölbeund Apsiden waren kasset- 
tiert, mit Stuck verkleidet und bemalt. 
Der Bau waran beiden Langseiten von schmalen 
Hallen eingefaßt, deren Flucht durch Propyläen 
unterbrochen war. Ob auch an den Schmalseiten 
Hallen standen, ist nicht festzustellen. Rechts und 
links erhoben sich Einzelsäulen, wahrscheinlich 
mit den Standbildern des Kaisers und seiner Ge 
mahlin Sabina. 
Tafel 45. Römische Theater. Von den 
vielen Ruinen römischer Baukunst gehören die 
Reste von Theatern zu den bedeutendsten. Über 
all, wo römische Kultur hinkam, entstanden 
römische Theater, im Osten (Syrien) wie im Süden 
(Afrika), im Westen (Spanien und England) und im 
Norden (in den germanischen Kolonien). Im Gegen 
satz zum griechischen Theater besitzt das römische 
eine breite niedrige Bühne und nur eine Halbkreis 
orchestra. Weit vortretende seitliche Flügel um 
rahmen den Bühnenspielplatz, um den herum die 
Wände so hoch geführt sind, daß sie mit den 
Abschlußmauern über dem ansteigenden Sitzraum 
gleiche Höhe erreichen. Das Gebäude erscheint 
auf diese Weise als ein architektonisches Ganzes, 
recht im Gegensatz zum griechischen Theater, 
dessen Bühnenhaus mit dem Koilon niemals bau 
lich zu einer Einheit zusammengefaßt worden ist. 
Dieser große Fortschritt ist zweifellos ein Verdienst 
der Römer. Er ist begründet in dem Werdegang 
des alten stadtrömischen Theaters. Dieses war 
zuerst ein »theatrum tectumein gedeckter, somit 
einheitlicher Bau, in kleineren Verhältnissen. Erst 
in der letzten Zeit der Republik wurde die griechische 
Form des Koilon übernommen und damit bei 
großen Verhältnissen ein offener Zuschauerraum 
geschaffen. Die Bühne blieb wohl stets überdeckt. 
Da die römischen Theater sehr oft als völlige 
Freibauten errichtet wurden, entwickelte sich an 
ihnen ähnlich wie bei den Amphitheatern die 
Stockwerksarchitektur, sowie in den Unterbauten 
des Koilons ein System von Treppen und Gängen, 
das mit dem Zuschauerraum in Verbindung stand. 
Alles dies kannte der griechische Theaterbau nicht. 
Die beiden Abbildungen auf Tafel 45 zeigen, 
als wichtiges Kennzeichen des römischen Theaters, 
die mit Säulen geschmückte Bühnenwand. Fig. 1 
gibt ein Beispiel einer geradlinigen Wand mit 
kleinen Nischen, vortretenden Säulen und drei 
Haupttüren. Das ist der »östliche Bühnenwand 
typus«. Fig. 2 zeigt den »westlichen Typus«, wo 
59 
die Wand selbst in drei Nischen aufgelöst er 
scheint: eine große gerundete in der Mitte und 
zwei rechteckige zu beiden Seiten. Auch hier 
dient ein vortretendes Säulengerüst als Schmuck. 
In Orange war dieses sogar dreistöckig und 
bildete eine reiche Prunkfassade, die mit dem In 
halt der Stücke natürlich nichts mehr zu tun hatte 
und auch für die Aufstellung von Dekorationen 
wenig geeignet war. 
Tafel 46 u. 47. Amphitheater zu Verona. 
Grundriß und Schnitt lassen das wohlüberlegte 
System der Treppen erkennen. Zu den unteren 
Sitzreihen führen 12 Treppen vom mittleren Gang 
aus direkt; in den oberen Umgang und zugleich 
zu den Eingängen in halber Höhe gelangt man 
auf weiteren 12 Treppen, die zuerst einläufig und 
dann geteilt sind. Sieben Stufen unterhalb des 
oberen Ganges ist ein Podest, von dem aus man 
über den Unterlauf zurückkehrend und dann noch 
über 7 Stufen ansteigend die mittleren Zugänge 
zum Zuschauerraum erreicht (M in Schnitt N O). 
Zu den oberen Sitzen gelangt man vom oberen 
Umgang auf 16 geraden Treppen (K in Schnitt PQ); 
endlich zu den obersten Sitzen auf nur 8 kleinen 
Treppen, die etwas ungeschickt in das Gewölbe 
einschneiden. Der oberste Umgang muß als ge 
deckter Gang rekonstruiert werden. Auf seinem 
Dach war die Vorrichtung für die Sonnensegel, die 
an gespannten Seilen über das Amphitheater ge 
zogen werden konnten. Starker Wind machte es 
oft unmöglich, sie auszubreiten; dann mußten sich 
die Leute mit großen Hüten behelfen. 
Die äußere Architektur ist fast ganz Zweck 
mäßigkeitsform, nur an Kämpfern und Kapitellen 
sind grobe Simaprofile. Die Quadern sind rauh 
bossiert. Das oberste Geschoß wirkt in Natur nicht 
so schwer wie auf der Zeichnung, da oben die 
dicken Mauerleitungen der unteren Arkaden fehlen. 
Tafel 48—51. Thermen des Caracalla. Die 
Badeanlagen Roms gehören zu den großartigsten 
Bauschöpfungen der antiken Welt. Entstanden 
aus dem Bedürfnis, Badegelegenheit für Tausende 
von Bürgern zu schaffen, die in elenden Miets 
wohnungen zusammengepfercht hausten, entwickel 
ten sich, von den Kaisern gefördert und gestiftet 
immer bedeutendere Anlagen dieser Art. Alle aber 
wurden übertroffen von den Thermen des Cara 
calla, denen Diokletian die seinigen 100 Jahre 
später nach fast demselben Plan folgen ließ. 
Das Hauptgebäude wird von einem großen 
Hof umgeben, der umschlossen ist von einer Folge 
verschiedener Baulichkeiten: vorne sind es in zwei 
Stockwerken Einzelbadezellen, seitlich folgen Räume, 
mit D und E bezeichnet, die wahrscheinlich Frei- 
baderäume waren, während der Hof selbst als 
60
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.