Full text: Erläuternder Text (Textband) (1905)

Abteilung V. 
Tummelplatz bei gutem Wetter diente. Hinter H 
sind die Wasserbehälter; dort tritt die Zuleitung 
auf hohem Aquädukt ein; F' Aborte (?). 
Tafel 49 zeigt den Grundriß des Hauptbaues; 
ein ungeheurer Komplex, aber welch klare An 
ordnung der Haupträume! Zum Vergleich wird 
ein den Stuttgartern bekanntes Gebäude, das seiner 
zeit als vorbildlicher Schulbau galt, in Fig.2 daneben 
gestellt. Jetzt erst gewinnen wir eine Vorstellung 
von den Riesenabmessungen dieser Thermensäle. 
Die Kolossalität des Kolosseums ist nichts Ver 
einzeltes in Rom, sie gehört zum Stil. Rom ist 
ungeheuer gewaltig in allen seinen Äußerungen 
gewesen, seit es Kaiserstadt eines Weltreichs war, 
und es hat diese »Übergröße« auch in der neueren 
Zeit beibehalten. Die Sankt-Peters-Kirche und viele 
andere gewaltige Kirchen und riesige Paläste waren 
nur in Rom möglich, wo die alten ungeheuren 
Zeugen weiter fortwirkten unter einem Geschlecht 
ehrgeiziger Kirchenfürsten und Baumeister. Noch 
heute steht Rom unter diesem Einfluß des unge 
heuren Maßstabes der alten Kaiserstadt und des 
Willens zur Macht der päpstlichen Residenz. 
ln den alten Thermen treten hauptsächlich drei 
Räume als Bestandteile des Bades hervor: das 
Tepidarium oder lauwarmer Raum, das Caldarium 
oder heißes Bad, das Frigidarium oder Kaltbad. 
Diese drei Haupträume liegen in der Mittelachse. 
Das Frigidarium P enthält einen großen Schwimm 
teich von rund 17 x 51 m; Q dagegen, der mit 
Kreuzgewölben überspannte große Mittelsaal vier 
große Nischen mit Wasserbecken zur Körper 
reinigung, und zwei runde Wasserkünste. Wir 
erinnern uns dabei an die Gestalt der Maxentius- 
Konstantins-Basilika (Tafel 36), die dieses Raum 
system gesteigert übernommen hat. Kleinere Türen 
führen zu S, dem lauwarmen Raum (Tepidarium), 
und dann zu R, der großen Kuppelhalle mit dem 
heißen Bad (Caldarium), das sieben Wandbecken 
in tiefen Nischen und einen Mittelteich enthielt. 
Die kleinen Höfe 1 und 2 hatten unterirdischen 
Zugang und enthielten die verschiedenen Feue 
rungsstellen für die warmen Bäder. Die Badekur 
begann nach dem Ablegen der Kleider in T mit der 
Reinigung in den Nischen von Q. Darauf begab man 
sich durch das Tepidarium in das heiße Bad, wie es 
noch heute im Orient Sitte ist, ging dann durch die 
gleichen Räume zurück und nahm zur Erfrischung 
zuletzt ein kaltes Bad. Diesem Gebrauche entspra 
chen die großen Haupträume, die offenbar für die 
Hauptmasse der Besucher eingerichtet waren, während 
an der Südseite des Gebäudes noch weitere Fluchten 
von Baderäumen ähnlicher Art, vermutlich für vor 
nehmere Besucher eingerichtet waren, denen natürlich 
die Haupträume ebenfalls offen standen. In der Längs 
achse sind mit dem großen Mittelsaal Palästren ver 
bunden, die mit mehreren im einzelnen nicht sicher 
bestimmbaren Nebenräumen umgeben sind. 
Tafel 50 u. 51 zeigen Schnitte durch die Haupt 
räume. Da sieht man, wie gewaltig sie waren, 
der Heißbaderaum 35 m im Durchmesser und 
49 m hoch, das Pantheon an Höhe übertreffend; 
der Mittelsaal etwa 33 m hoch bei etwa 23 m 
Spannweite. Von der einst reichen Marmor- und 
Stuckdekoration, dem figürlichen Schmuck und den 
Mosaiken sind nur noch dürftige Reste vorhanden. 
Gigantisch aber ragen die Ruinen der Backstein 
gewölbe in die Höhe. 
Tafel 52. Pompeianische und römische 
Wohnhäuser. Fig. 1 zeigt das italische Normal 
haus. Diese Form überliefert uns Vitruv, und sie 
ist erhalten in einem der ältesten pompeianischen 
Häuser. Charakteristisch ist das Atrium, der 
Mittelraum mit seinem Oberlicht — Compluvium —, 
dem im Fußboden eine seichte Vertiefung, das Im- 
pluvium, entsprach (vgl. Schnittfigur 5). Hier lag 
ursprünglich der Herdplatz. Von der Straße aus war 
der Hauptraum zugänglich durch einVestibulum, 
zu dessen beiden Seiten Schlaf räume, in späterer 
Zeit aber Läden (Fig. 6) lagen. Seitlich öffneten 
sich kleinere Kammern — Cubicula — gegen das 
Atrium, von dem sie Licht und Luft empfingen. 
Die Alae dienten als Platz für die wenigen 
Möbel, Truhen und Schränke, dort wurden auch 
die Bilder der Voreltern und die der Hausgötter, 
aber auch allerhand Geräte aus Kriegsbeuten auf 
gestellt. Das Tablinum, ursprünglich das Ehe 
gemach, ist hier als schöner Wohnraum mit einem 
Fenster auf den Garten ausgestattet; daneben liegen 
größere Wohn- und Speisezimmer. Daß dieser 
Typus schon ein Luxushaus war, sieht man aus 
dem Vergleich mit den kleinen und kleinsten Häus 
chen aus Pompei (Fig. 2 u. 3), die kein Atrium 
besitzen. Fig. 4 dagegen zeigt ein kleines helleni 
stisches Peristylhaus mit viersäuligem Hof. 
An den alten italischen Hausgrundriß, der etwa 
vom 4. Jahrhundert v. Chr. an in Mittelitalien für 
das vornehme Wohnhaus üblich war, wurde etwa 
um 200 ein Peristylhaus angefügt. Sein Haupt 
raum war der Oecus, das Wohnzimmer. Daneben 
lagen oft noch besondere Speisezimmer, Schlaf 
zimmer, Küche und Nebenräume (Fig. 6). Oft 
folgte hinter dem Oecus noch ein Garten. Bei dem 
vorliegenden Beispiel wird der Häuserblock noch 
ausgefüllt von einer Anzahl von Nebengelassen, be 
sonders Läden und vermietbaren Räumen, die der 
Bauherr zum Gewinn einer Rente anlegen ließ. 
In der Enge der Großstadt Rom ist das ver 
einigte Atrium- und Peristylhaus zu einem schmalen 
Gebilde geworden (Fig. 7). Vorne sind tiefe Läden 
mit schmaler Front, und der Eingang. Das Atrium 
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