Abteilung V.
hat meist seine Alae verloren, es dient jetzt als
Vorraum; wenn möglich, sind noch Seitenkammern
abgegrenzt, oder ein Treppenhaus zum oberen
Stock. Das Tablinum ist Durchgang zum Peri-
styl, gegen das sich die Wohnräume vorne und
hinten öffnen. Sie sind wohl abgelegen vom Lärm
der Straße, aber eng und ohne viel Licht und
Sonne. Und doch waren diese Häuser im kaiser
lichen Rom die Behausung wohlhabender Bürger.
Die Mehrzahl der Einwohner mußte in vielge
schossigen Mietshäusern schlimmster Art wohnen;
es herrschte ein Wohnungselend, das in unseren
Großstädten nie erreicht worden ist.
Tafel53. Inneres eines römischen Hauses.
Die anschauliche Perspektive zeigt den Blick vom
Atrium durch das Tablinum nach dem Peristyl.
Eine reiche Ausstattung mit Stuck und Farben und
marmornen Bodenbelägen ist angedeutet. Die
Wände waren gegen die Mitte des 1. Jahrhunderts
n. Chr. mit ornamentalen Malereien geschmückt,
die architektonische Motive vermischt mit aller
hand phantastischem Zierat und figürliche Bild
chen zeigten, und außerordentlich farbenfreudig
gehalten waren (der sog. 4. Stil). Diese lockeren
Kompositionen lösten sich später immer mehr auf zu
linearen spielerischen Formen, die ohne Zusammen
hang, unbekümmert nebeneinandergesetzt wurden.
Das öffnete der Verwendung von Musterkarten und
Schablonen Tür und Tor. Die Kunst der dekora
tiven Wandmalerei ging denn auch im 2. Jahrhun
dert allmählich zugrunde.
Tafel 54u.55. Römische Friesornamente.
Wenn man das griechische Ornament etwa vom
Erechtheion oder von Didymae neben diese römi
schen Bildungen hält, so wird man bald inne,
wie sehr die römischen Formen bei aller Anleh
nung doch etwas Selbständiges sind, das in seinem
Wesen vom griechischen Empfinden, von jener
Feinfühligkeit für jede kleinste Linie weit abge
rückt ist, dagegen mehr auf große Wirkung der
Masse ausgeht und die Nebensache vernach
lässigt. Diese Art ist charakteristisch römisch. Sie
führt zu einer wachsenden Derbheit der dekorativen
Formen. Diese wurden im 3. und 4. Jahrhundert
völlig nebensächlich behandelt. Die römische Bau
kunst hatte ihre eigene Aufgabe im Wölben ge
waltiger Räume gefunden.
Tafel 56 u. 57. Fig. 1—3. Die Türumrah
mung vom Tempel in Cori (vgl. Tafel 4) zeigt
noch die dünnen Formen der hellenistischen Zeit.
Man wird mehr an eine Holzumrahmung gemahnt,
wie sie ja auch bis in das 3. Jahrhundert v. Chr. hin
ein an Steinbauten noch üblich war. Seitliche Konso
len tragen die Verdachung mit ihren dünnen Zier
gliedern. Die eingezeichneten Türflügel sind ergänzt.
Auch die Tür vom Rundtempel in Tivoli
(Fig. 4 u. 5) hat noch den griechischen »Anzug«,
d. h. die Öffnung wird oben um weniges enger
als unten. Das Verkleidungsprofil wird aber ohne
Ohren (wie bei Fig. 1) herumgeführt und die Ver
dachung ohne Konsolen über den Fries gesetzt.
Diese vereinfachte Form bleibt dann bei stadt
römischen Monumentaltüren üblich, wie Tafel 57
zeigt. Der Anzug verschwindet ganz, die Profi
lierung des Rahmens wird reicher. Die hier ein
gezeichneten Türflügel sind antik, ihre Umrahmung
mit Pilastern aber spätere Zutat.
Tafel 58 u. 59. Nordwestseite des Forum
Roman um. Die geometrische Zeichnung ist zu
vergleichen mit dem Grundriß auf Tafel 40. Vom
Aufbau der kapitolinischen Tempel ist nicht viel
bekannt. Bei der Basilika Julia muß das obere
Geschoß bis auf die Flucht des unteren hinaus
gerückt werden. Die Rekonstruktionen der Tor
bauten und Basen sind im einzelnen willkürlich.
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Tafel 60. Römische Wasserleitung. Pont
du Gard bei Ntmes, wahrscheinlich erbaut von
Agrippa etwa 10 v. Chr., Material: Kalkstein ohne
Mörtel, oben Ziegel. Von den vielen Aquädukten
der Römer ist dieser einer der berühmtesten. In
zwei Stockwerken sind weitgespannte Bögen über
einandergestellt, die oben auf kleiner Arkade den
Wasserkanal tragen. Außer bescheidenen Kämpfer
gesimsen sind Architekturformen nicht verwendet.
Der Reiz der Brücke liegt in der wohltuenden
Gleichmäßigkeit der Bögen, die jedoch ohne mathe
matische Gleichheit durchgeführt ist, und im Gegen
satz zu den kleinen Arkaden des oberen Geschos
ses. Diese Anordnung stellt sich als ein höherer
Grad von Architektur dar als der, den wir leider
bei manchen unserer »architektonisch verzierten«
Brückenbauten finden. Die Verbreiterung der un
teren Arkade mit einer Straße ist eine sehr ge
schickte Anpassung vom Jahre 1747.
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