Full text: Erläuternder Text (Textband) (1905)

Abteilung VI. — Abteilung VII. 
lung der Streben erreicht wird. Im Untergeschoß 
wechseln Kreuzgewölbe mit dreieckigen Kappen, 
im Obergeschoß bilden steigende Tonnen einen 
wirksamen Gegendruck gegen die Muldenkuppel 
auf dem lichtspendenden Tambour, dessen Ecken 
noch durch vortretende Strebepfeiler verstärkt 
wurden. Die großen Öffnungen der Achteck 
wände sind durch eingestellte Säulen in zwei 
Reihen übereinander nach byzantinischem Vor 
bild reizvoll und lebhaft gegliedert. Im Osten 
war eine Apsis, an deren Stelle sich jetzt ein 
prachtvoller gotischer Chor erhebt; im Westen 
wird die Vorhalle von zwei runden Treppen 
türmen flankiert. 
Der Bau zeigt eine umfassende Kenntnis der 
Wölbetechnik, sein Organismus ist einfacher als 
der von S. Vitale; aber in künstlerischer Hinsicht 
ist er von nicht so großer Bedeutung als sein 
Vorbild. 
Das Innere war mit Mosaik und Marmor einst 
reich geschmückt. Prachtvolle Bronzegitter vom 
Theoderichgrab in Ravenna bilden jetzt noch die 
Brüstung des oberen Umganges. 
Die Idee des achteckigen Zentralraumes be 
schäftigte in karolingischer Zeit und später außer 
ordentlich lebhaft die Geister. Das beweisen einige 
ähnliche Bauwerke, unter ihnen die Kirche in Ott 
marsheim im Elsaß (10. Jahrhundert), ferner das 
als Westchor benützte halbe Achteck in der Essener 
Damenstiftskirche, die zentralisierenden Ostpartien 
der Kirchen in Köln, Reste eines Zentralbaues zu 
Wimpfen im Tal mit dreiapsidialem Abschluß und 
Westtürmen neben einer Vorhalle, und andere 
kleinere Zentralbauten in Süddeutschland. 
Abteilung VII. Romanische Baukunst. 
9.—13. Jahrhundert. 
Tafel 1. Fig. 1. Grundriß einer altchristlichen 
Basilika mit römischem Querschiff; in der Apsis 
Sitze der Ältesten und Cathedra des Bischofs. 
Altar im Querschiff, davor im Mittelschiff, von 
Schranken umschlossen, die schola cantorum 
und die beiden Ambonen. 
Fig. 2. Erweiterter Chor und erweiterte Vierung, 
Seitenapsiden. Altäre in den Apsiden bezeichnen 
den tiefgehenden Unterschied der frühmittelalter 
lichen Basilika von der altchristlichen. 
Fig. 3. Kreuzbasilika. Die Seitenschiffe werden hin 
ter dem Querschiff fortgeführt, endigen mit Apsiden. 
Das Querschiff wird dadurch in einen festen Organis 
mus mit dem Langhaus gebracht, der in der Vierung 
den räumlichen Höhepunkt bildet. Diese wird zum 
Quadrat. Pfeiler statt Säulen tragen die Hochwand. 
Fig. 4. Eine weitere Neuerung ist der in 
Deutschland beliebte Stützenwechsel, der für die 
frühromanische Bauweise bezeichnend ist. Der 
Ansatz zu der vielleicht schon im 9. Jahrhundert 
beabsichtigten, im Anschluß an karolingische Bauten 
auch theoretisch erfaßten, aber doch erst im 12. Jahr 
hundert durchgeführten Einwölbung. Einstweilen 
ist der Stützenwechsel als wirksames Motiv be 
liebt. Der germanischen Gruppierung wird der 
Vorzug vor der klassischen Reihung gegeben. 
Eine zweite Neuerung: der Chorumgang, wahr 
scheinlich zuerst aus dem Bedürfnis nach Erwei 
terung hervorgegangen. Darin radial angelegte 
Nischen für Nebenaltäre. Frankreich scheint mit 
dieser Anordnung vorangegangen zu sein. 
Auch derWestchor entspringt ritualenWünschen, 
der Auszeichnung eines besonderen Heiligenaltars 
oder Grabes. Einer der ältesten (auf europäischem 
Boden) in St. Riquier (793—798). Sonst fast nur 
im deutschromanischen Stil bis Ende des 12. Jahr 
hunderts üblich. 
Fig. 5. Grundriß wie Fig. 3. Das Mittelschiff 
ist als Säulenbasilika gebildet. Das erste Joch im 
Mittelschiff vor der Vierung durch einen Pfeiler 
gebildet, vielleicht mit der für den mönchischen 
Kult notwendigen Einrichtung und Benutzung des 
Raumes über die Vierung hinaus in Zusammen 
hang zu bringen. Das Langhaus ist durch eine 
spätere Vorkirche mit Westtürmen erweitert. 
Fig. 6. Zisterzienserkirche: Kennzeichen sind 
der geradlinig abgeschlossene Chor, die Anord 
nung von möglichst tiefen und geschlossenen kleinen 
Altarkapellen. Türme fehlen laut Ordensregel. Das 
hier vorgebaute »Paradies« an der Westseite fehlt 
sonst bei deutschen Zisterzienserkirchen. 
Fig. 7. Pfeilerbasilika mit verwischter Quer 
schiffanlage, Westempore, Westtürmen und großer 
Vorhalle zwischen diesen. 
Fig. 8. Im Gegensatz zu den Kreuzbasiliken, 
die im Süden Deutschlands seltener sind, eine 
Basilika mit T-förmigem Grundriß (crux commissa), 
eine der altchristlichen Form noch nahestehende Bil 
dung. Es fehlt das typisch romanische Raum 
gestaltungsbestreben. 
Tafel 23. Aureliuskirche in Hirsau. 
1066-1071. 
Fig. 1. Grundriß zeigt die strenge Ausbildung 
der Kreuzform einer Säulenbasilika. Ursprünglich 
waren nach deutscher Art am Querschiff Apsiden 
(vgl.Tafel 1, Fig.2). Mit der Einführung der strengen 
cluniacensischen Regel unter Abt Wilhelm entstan 
den dann die Seitenkapellen neben dem Presbyterium; 
doch blieben die Apsiden am Querschiff zunächst 
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