Abteilung VI. — Abteilung VII.
lung der Streben erreicht wird. Im Untergeschoß
wechseln Kreuzgewölbe mit dreieckigen Kappen,
im Obergeschoß bilden steigende Tonnen einen
wirksamen Gegendruck gegen die Muldenkuppel
auf dem lichtspendenden Tambour, dessen Ecken
noch durch vortretende Strebepfeiler verstärkt
wurden. Die großen Öffnungen der Achteck
wände sind durch eingestellte Säulen in zwei
Reihen übereinander nach byzantinischem Vor
bild reizvoll und lebhaft gegliedert. Im Osten
war eine Apsis, an deren Stelle sich jetzt ein
prachtvoller gotischer Chor erhebt; im Westen
wird die Vorhalle von zwei runden Treppen
türmen flankiert.
Der Bau zeigt eine umfassende Kenntnis der
Wölbetechnik, sein Organismus ist einfacher als
der von S. Vitale; aber in künstlerischer Hinsicht
ist er von nicht so großer Bedeutung als sein
Vorbild.
Das Innere war mit Mosaik und Marmor einst
reich geschmückt. Prachtvolle Bronzegitter vom
Theoderichgrab in Ravenna bilden jetzt noch die
Brüstung des oberen Umganges.
Die Idee des achteckigen Zentralraumes be
schäftigte in karolingischer Zeit und später außer
ordentlich lebhaft die Geister. Das beweisen einige
ähnliche Bauwerke, unter ihnen die Kirche in Ott
marsheim im Elsaß (10. Jahrhundert), ferner das
als Westchor benützte halbe Achteck in der Essener
Damenstiftskirche, die zentralisierenden Ostpartien
der Kirchen in Köln, Reste eines Zentralbaues zu
Wimpfen im Tal mit dreiapsidialem Abschluß und
Westtürmen neben einer Vorhalle, und andere
kleinere Zentralbauten in Süddeutschland.
Abteilung VII. Romanische Baukunst.
9.—13. Jahrhundert.
Tafel 1. Fig. 1. Grundriß einer altchristlichen
Basilika mit römischem Querschiff; in der Apsis
Sitze der Ältesten und Cathedra des Bischofs.
Altar im Querschiff, davor im Mittelschiff, von
Schranken umschlossen, die schola cantorum
und die beiden Ambonen.
Fig. 2. Erweiterter Chor und erweiterte Vierung,
Seitenapsiden. Altäre in den Apsiden bezeichnen
den tiefgehenden Unterschied der frühmittelalter
lichen Basilika von der altchristlichen.
Fig. 3. Kreuzbasilika. Die Seitenschiffe werden hin
ter dem Querschiff fortgeführt, endigen mit Apsiden.
Das Querschiff wird dadurch in einen festen Organis
mus mit dem Langhaus gebracht, der in der Vierung
den räumlichen Höhepunkt bildet. Diese wird zum
Quadrat. Pfeiler statt Säulen tragen die Hochwand.
Fig. 4. Eine weitere Neuerung ist der in
Deutschland beliebte Stützenwechsel, der für die
frühromanische Bauweise bezeichnend ist. Der
Ansatz zu der vielleicht schon im 9. Jahrhundert
beabsichtigten, im Anschluß an karolingische Bauten
auch theoretisch erfaßten, aber doch erst im 12. Jahr
hundert durchgeführten Einwölbung. Einstweilen
ist der Stützenwechsel als wirksames Motiv be
liebt. Der germanischen Gruppierung wird der
Vorzug vor der klassischen Reihung gegeben.
Eine zweite Neuerung: der Chorumgang, wahr
scheinlich zuerst aus dem Bedürfnis nach Erwei
terung hervorgegangen. Darin radial angelegte
Nischen für Nebenaltäre. Frankreich scheint mit
dieser Anordnung vorangegangen zu sein.
Auch derWestchor entspringt ritualenWünschen,
der Auszeichnung eines besonderen Heiligenaltars
oder Grabes. Einer der ältesten (auf europäischem
Boden) in St. Riquier (793—798). Sonst fast nur
im deutschromanischen Stil bis Ende des 12. Jahr
hunderts üblich.
Fig. 5. Grundriß wie Fig. 3. Das Mittelschiff
ist als Säulenbasilika gebildet. Das erste Joch im
Mittelschiff vor der Vierung durch einen Pfeiler
gebildet, vielleicht mit der für den mönchischen
Kult notwendigen Einrichtung und Benutzung des
Raumes über die Vierung hinaus in Zusammen
hang zu bringen. Das Langhaus ist durch eine
spätere Vorkirche mit Westtürmen erweitert.
Fig. 6. Zisterzienserkirche: Kennzeichen sind
der geradlinig abgeschlossene Chor, die Anord
nung von möglichst tiefen und geschlossenen kleinen
Altarkapellen. Türme fehlen laut Ordensregel. Das
hier vorgebaute »Paradies« an der Westseite fehlt
sonst bei deutschen Zisterzienserkirchen.
Fig. 7. Pfeilerbasilika mit verwischter Quer
schiffanlage, Westempore, Westtürmen und großer
Vorhalle zwischen diesen.
Fig. 8. Im Gegensatz zu den Kreuzbasiliken,
die im Süden Deutschlands seltener sind, eine
Basilika mit T-förmigem Grundriß (crux commissa),
eine der altchristlichen Form noch nahestehende Bil
dung. Es fehlt das typisch romanische Raum
gestaltungsbestreben.
Tafel 23. Aureliuskirche in Hirsau.
1066-1071.
Fig. 1. Grundriß zeigt die strenge Ausbildung
der Kreuzform einer Säulenbasilika. Ursprünglich
waren nach deutscher Art am Querschiff Apsiden
(vgl.Tafel 1, Fig.2). Mit der Einführung der strengen
cluniacensischen Regel unter Abt Wilhelm entstan
den dann die Seitenkapellen neben dem Presbyterium;
doch blieben die Apsiden am Querschiff zunächst
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