Abteilung VII.
nicht geschwellten (vgl. dagegen Portal von Paulin-
zelle) und nicht verjüngten Schäften die aus der
Antike überlieferte attische Normalform; aber sie
ist steil und steif, mehr Schaft als Überleitung zur
Unterlage. Die hier gezeichneten Basen stammen
alle aus der romanischen Zeit, man vergleiche da
mit die Weiterentwicklung im 12. Jahrhundert
Tafel 75.
Fig. 14—15. Germanische Bandornamente.
Tafel7. Antikisierende frühromanische
Kapitelle. Neben die tektonische germanische
Form tritt die spätantike Kelchkapitellform, an
karolingischen Bauten, an ottonischen und noch
späterhin vorbildlich und weitervererbt. Abarten
und unverstandene Nachbildungen korinthischer
und byzantinischer Formen folgen den älteren, enger
sich an die antike Bildung anschließenden. Man
benützte dazu oft als Vorbilder kleine aus Italien
bestellte Elfenbeinmodelle. Die Voluten verküm
mern, die Rosette sitzt oft, statt auf dem Abakus
darunter. In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhun
derts begnügt man sich mit der bossierten ko
rinthischen Form. Das Würfelkapitell überwiegt.
Der Kämpfer, ebenfalls eine antike Reminiszenz,
verschwindet auch um die Mitte des 11. Jahrhun
derts. Das bedeutet mit dem Aufgeben der anti
kisierenden Formen eine völlige Loslösung vom
antiken Vorbild.
Tafel 8. Türen und Mauerwerk des
11. Jahrhunderts. Durchgehendes Quadermauer
werk ist in der Frühzeit nicht üblich (vgl. dagegen
die Wandstücke in den Bogennischen an der West
seite des Trierer Doms, Tafel 5, die vielleicht auf
einen antiken Bau zurückgehen). Man errichtet
Kleinsteinmauern in zwei Schalen, dazwischen ge
ringes Füllmauerwerk. An den Ecken aber ent
wickelt sich die Quadertechnik, ln Trier hat man
neben jüngerer Technik an der älteren römischen
Bauart des 4. Jahrhunderts festgehalten, wo ver
einzelte Ziegelschichten das Mauerwerk durchziehen.
Die geringere Regelmäßigkeit der Ziegelschichten
fällt an den mittelalterlichen Bauteilen sofort ins
Auge. Für die schlichte süddeutsche Art sind die
Beispiele aus Hirsau bezeichnend.
Tafel 9. Cluniacenser-Kirch e in Tour
nus. Fig. 1 — 7. Den überlieferten basilikalen
Raum einzuwölben begann zuerst Frankreich, vor
allem Burgund ernsthaft zu versuchen. Durch den
Einfluß der 910 gegründeten Abtei von Cluny
wurde bald die Bautätigkeit stark angeregt; damit
stand auch der Neubau von S. Philibert in Tournus
in Verbindung. Das Naheliegendste war, die Schiffe
mit Tonnen einzuwölben, was man besonders in
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Egle, Baustil- u. Bauformenlehre. Text von Fiechter.
Südfrankreich erprobte. Die Notwendigkeit, dem
Gewölbeschub zu begegnen, führte zu einhüftigen
Seitenschiffgewölben, wie sie Fig. 5 zeigt. Dabei
blieb man lange. Und man sieht, wie mit dem
Augenblick der Wölbung ein Kräftespiel in die
Baumasse hereinkommt, das keine Ruhe mehr gab
und zur Entwicklung drängte. Die romanische
und gotische Baukunst ist in der Hauptsache eine
immer fortschreitende, von verschiedenen Seiten
angegriffene, und zuletzt glänzend durchgeführte
Lösung dieses einen Problems der Einwölbung
der überkommenen Basilika. Einen anderen Ver
such der Überdeckung stellt Fig. 2 dar: um den
Seitenschub möglichst tief herunterzudrücken, wird
das Mittelschiff durch quergestellte Tonnen auf
tiefliegenden Gurtbögen überdeckt; die Decke wird
dadurch in einzelne tiefe, aber hellbeleuchtete Teile
zerlegt, ihre Einheit — die Einheit des Langhauses —
aber dadurch wesentlich beeinträchtigt. Die Seiten
schiffe erhalten stark »einhüftig« bewegte Kreuz
gewölbe. Wie die Gurtbögen und »Dienste« un
harmonisch auf den dicken Rundpfeilern stehen,
wie unbeholfen der ganze Organismus ist, wird
durch den Vergleich mit späteren Bildungen deutlich.
Fig. 8 u. 9. Grundriß und Schnitt durch die be
rühmte Wiperti Krypta in Quedlinburg. Drei
gleiche Tonnen überdecken den niedrigen Raum.
Ist nicht die Urform der »Hallenkirche« in der
romanischen Krypta, in romanischen Kapellen (vgl.
auch die bekannte Schloßkapelle in Nürnberg) zu
suchen? Gerade im östlichen Süddeutschland ist
diese Raumform besonders beliebt; dort tritt auch
die Hallenkirche zuerst und am eindringlichsten auf.
Tafel 10. Romanische Kirchen mit Ton
nenwölbung. Es ist nichts anderes als ein Fest
halten an der dreischiffigen Raumform, wenn man
in Südfrankreich und Burgund auf alle Art ver
suchte mit Tonnengewölben auszukommen; sei es
daß man sie glatt durchführte, oder durch Gurten
teilte. Aber dem französischen Raumempfinden
genügte diese primitive Bildung nicht auf die
Dauer. Die basilikale Raumform blieb das erstre
benswerte Vorbild. Allein die hoch hinaufgelegte
Kämpferlinie forderte (Fig. 3 b) entweder einen
besonderen Stützenapparat (Fig. 1 b), wenn der
Gewölbeschub richtig vom Unterbau aufgenom
men werden sollte, oder die Umbildung der Kreis
bogentonne in eine Spitzbogentonne. Der Spitz
bogen tritt hier (Fig. 2 b u. 5b) auf, lange be
vor man »gotisch« baut; er ergibt sich aus kon
struktiven Gründen. In der burgundischen Bau
kunst kam man früh auf solche Lösungen, die auf
die Gotik hinweisen, obschon sonst noch alles
»ungotisch«-romanisch blieb. Denn das Tonnen
gewölbe, das gerade in Burgund besonders be-
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