Full text: Erläuternder Text (Textband) (1905)

Abteilung VII. 
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liebt war, und das zweifellos dem Wesen des 
basilikalen Langhauses mehr entspricht als eine 
Folge von Kreuzgewölben, ist einer Auflösung 
der Massen, wie sie die Gotik anstrebte, nicht 
förderlich; es enthält umgekehrt Elemente, die der 
tragenden Mauer volle Selbständigkeit im Aufbau 
und in der Gliederung überlassen, und von ihr 
eine bedeutende Masse fordern. Daher war die 
burgundische Baukunst, solange sie am Tonnen 
gewölbe festhielt, auch wenn sich Spitzbogen an 
Tonne und Jochbögen, ja schon an den Kreuz 
gewölben der Seitenschiffe einstellten, wie Fig. 2 b 
(Paray Ie Monial) zeigt, noch weit von der Gotik 
entfernt. Zuerst mußte die Tonne fallen. Das 
Kreuzgewölbe mußte an ihre Stelle treten. Damit 
wurde die Hochwand geteilt in tragende und in nur 
raumabschließende Elemente. Bei doppelter Mittel 
schiffbreite entsprachen je zwei Seitenschiffjoche 
einem Mittelschiffjoch. Dies führte zum streng ge 
bundenen Grundriß und zum rhythmischen Stützen 
wechsel. Hauptstützen mit durchgehendem 
Pfeiler bis zum Hauptgewölbe und Zwischen 
stützen für die Arkaden und die Seitenschiff 
gewölbe (Fig. 4a). Diese Neuerung hatte den 
Vorteil tiefen Kämpferansatzes, das Strebesystem 
blieb unter dem Seitenschiffdach; das Seitenlicht 
rückt in die Schildwand (Fig. 4 b). Zugleich war 
es ein glücklicher ästhetischer Vorteil: die Gewölbe 
formen beider Schiffe wurden ähnlich; oben wieder 
holte sich genau im doppelten Maßstab die Bildung 
der unteren Gewölbe. — Aber es ging etwas spe 
zifisch Burgundisches damit verloren. 
Tafel 11. S. Saturn in in Toulouse. Noch 
einmal eine Hallenkirche, aber eine gesteigerte. 
Die hochgeführte Tonne brauchte einen hohen 
Stützenapparat, das führte zu zweigeschossigen 
Seitenschiffen, die des Lichteinlasses wegen sich 
oben mit großen Fenstern gegen das Mittelschiff 
öffnen. Dadurch war zwar konstruktiv eine 
ziemlich einwandfreie Lösung geschaffen, die auch 
künstlerisch von hohem Reiz ist, aber ein Endziel 
konnte sie doch nicht sein. Der Raum war un 
genügend beleuchtet, die Emporen hatten eigent 
lich nur konstruktive Bedeutung. Die Mitteltonne 
war das beherrschende Motiv, sie war lange Zeit 
nahe daran, den basilikalen Querschnitt zu ver 
drängen. An S. Saturnin (Chor 1096, Langhaus 
12. Jahrhundert) schloß sich eine Gruppe ähnlich 
gegliederter Kirchen in der Auvergne an: wahr 
scheinlich gehen alle, auch die berühmte spanische 
Kirche Santiago di Compostella auf ein gemein 
sames Vorbild zurück, auf S. Martin in Tours, 
das in der Revolutionszeit abgebrochen worden ist. 
Tafel 12. Schiff der Cluniacenserkirche 
in Vezelay. Das Kreuzgewölbe siegte über die 
Tonne, weil es sich anpassungsfähiger erwies 
an alle Raumverhältnisse, und die großen Vorteile 
des tiefen Kämpfers und der basilikalen Beleuch 
tung vereinigte. Hier ist ein niedriger Querschnitt 
angestrebt: den breiten Seitenschiffarkaden mit 
quadratischen Kreuzgewölbefeldern entsprechen 
querrechteckige Mittelschiffgewölbe, also kein ge 
bundenes System, keine Haupt- und Nebenstützen 
sondern noch die alte Reihung. Fig. 1 u. 2 geben 
die entsprechende altburgundisch-provenzalische 
Lösung zum Vergleich. Die Kreuzgewölbe sind 
noch rippenlos, durch schwere Gurten getrennt 
und auf Schildbögen gesetzt, wie bei den burgun- 
dischen Kirchen. Das ergibt eine Pfeilerbildung 
von kreuzförmigem Kern mit vorgelegten Halb 
säulen für die Gurten, vgl. Fig. 7—9. 
Tafel 13. Grundrisse gewölbter Kirchen 
des 12. Jahrhunderts. 
Fig. 1. S. Maria im Kapitol zu Köln. 
Nach den neuesten Forschungen ursprünglich ein 
Langhausbau mit polygoner Apsis und ebensolchem 
Umgang, eine Form, die an den Westchor von 
Essen und an die Palastkapelle Karls des Großen 
zu Aachen (vgl. VI Tafel 24) erinnert. Um die 
Mitte des 11. Jahrhunderts wurde über der älteren 
Krypta die Choranlage zu einem gewaltigen Drei- 
konchenbau umgestaltet, dessen Aufriß zunächst 
nur eingeschossig war, aber um so bedeutender in 
einer Zentralkuppel dominierte. Durch den Auf 
bau der Obergaden über den Seiten und der Chor 
apsis, und durch andere Veränderungen wurde 
Ende des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts der 
zentrale Raumcharakter beeinträchtigt. Das Grund 
rißbild ist bezeichnend für einen bedeutenden 
Damenstiftskirchenbau, indem die Kanonissen den 
Nord- und Südchor benützen. Das Mittelschiff, 
ursprünglich flachgedeckt, wurde etwa 1240 mit 
sechsteiligen Gewölben überspannt. 
Fig. 2. Dom in Braunschweig. Kreuz 
förmige Basilika in strenggebundenem System, d. h. 
das Vierungsquadrat wird zum Maß für die Ge 
wölbefelder des Langhauses, diesen entsprechen 
je zwei Joche der ebenfalls quadratischen Seiten 
schiffgewölbe. Im Mittelschiff ähnelt das Gewölbe 
mehr einer Tonne mit Stichkappen, die Felder sind 
nicht durch Scheidbögen getrennt; in den Seiten 
schiffen entsprechen dagegen den Pfeilern Gurt 
bögen; Strebepfeiler sind nicht vorhanden. Im 
Verhältnis zu gleichzeitigen burgundischen und 
rheinischen Anlagen eine noch zurückgebliebene 
altertümliche Lösung. 
Fig.3, Prämonstratenserkirche in Knecht 
steden, zeigt den bedeutenden Vorsprung einer 
rheinischen Gewölbebasilika im 12. Jahrhundert. Die 
Anlage ist doppelchorig, das Langhaus in streng
	        

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