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mit Erbauung der Eisenbahnen die Idee eines allgemeinen deutschen Eisenbahnsystems erstmals aus
gesprochen und zu einem nicht unbedeutenden Teil ins Werk gesetzt worden sei. Vom politischen
und idealen wieder auf das materielle Gebiet übergehend, wurde unter Hinweis auf Grossbritannien,
welches für seinen inneren Verkehr die trefflichsten Landstrassen und ein ausgedehntes Kanalsystem
besitze, demungeachtet aber mit höchster Thätigkeit und einem ungeheuren Kapitalaufwand an einem
grossen Eisenbahnnetz arbeite, von dem Minister betont, dass Württemberg sich ähnlicher Verbin
dungswege noch nicht oder kaum zu erfreuen habe, daher um so mehr veranlasst sein dürfte, sich
der Eisenbahnen rechtzeitig zu versichern, um sowohl dem allgemeinen wie dem Binnenverkehr
des Landes rechtzeitige und richtige Unterstützung zu leisten.
Für die Bedeutung des Verkehrswesens und zum Beweis für das in Württemberg bestehende
Bedürfnis des Eisenbahnbaues zählte der Ministerialvortrag im einzelnen auf:
1) die zu der Lage des Königreichs Württemberg in Beziehung stehenden und in Betracht
kommenden grossen europäischen Verkehrsgebiete;
2) die früheren Handels- und Verkehrswege;
3) die damals geplanten, in Bau oder Betrieb befindlichen Eisenbahnen anderer Landes
gebiete, besonders unserer Nachbarstaaten, um hieraus — aus der Gegenüberstellung der
früheren und neueren Verkehrsgestaltung von selbst alle nötigen Vergleichungen und
Resultate darüber zu gewinnen, welche Vorteile für Württemberg mit baldiger Ein
führung der Eisenbahnen einer-, welche Nachteile mit längerer Zögerung anderseits
verbunden seien, und wie sich überhaupt in beiden Fällen die zukünftigen Verhält
nisse des Landes herausbilden dürften. Von den hier hauptsächlich in Betracht
kommenden Verkehrsgebieten wurden aufgezählt, und zwar in Richtung
a) gegen Süden: die Stadt Basel und die Küste des Adriatischen Meeres;
b) gegen Osten: Bayern, Oesterreich, Ungarn und Galizien; die Donau und das
Schwarze Meer;
c) gegen Norden: die Ostsee und das Flussgebiet der Oder;
d) gegen Nordwesten: die Nordsee und die Flussgebiete der Elbe, der Weser, des
Rheins und der Schelde.
Ihnen gegenüber zeigte sodann der Vortrag, welche Ausdehnung der allgemeine und deutsche
Verkehr in der damaligen und nächstfolgenden Zeit nehmen, welche Einwirkung auf die württem-
bergischen Verhältnisse er ausüben werde, weil auch anderweitige Verbindungen im Norden von
Deutschland angelegt werden und Anschlüsse an dieselben anzustreben seien. Weiter leitete er
aus diesen Verhältnissen ab, dass eine vom Rhein an die Donau und weiterhin an den Bodensee
zu führende Südbahn unentbehrlich sei, wie eine von Baden durch Württemberg nach Ulm
gehende Linie die kürzeste Verbindung in einer Verkehrsbahn höherer Ordnung bilde; und zugleich
einer ausserordentlichen, bis an die Küsten des Atlantischen und Schwarzen Meeres reichenden Ver
längerung fähig sei. Nunmehr erschien als Ergebnis dieser Umschau die Bedeutung und Bauwürdig
keit der einzelnen, hier oben besprochenen württembergischen Hauptbahnen nachgewiesen.
Dabei wurde zugleich eines weiteren mehr nördlich gelegenen, von Westen nach Osten zu
ziehenden Schienenwegs mit den Worten gedacht:
»Das Interesse unseres inneren und äusseren Verkehrs, besonders das Interesse unserer
nordöstlichen Landesteile fordert neben der oben genannten Westostbahn eine zweite, durch
welche Heilbronn und mit dieser Stadt die erwähnten Landesteile mit der Haupteisenbahn
verbunden werden. Es ist zu hoffen, dass derselben eine mehr, als in der bisherigen
Berechnung angenommen wurde, verkürzende Richtung gegeben werde.«
Mit dieser zweiten Westbahn, mit der verkürzenden Richtung und der allgemeinen Lage
der nordöstlichen Landesteile war wohl eine Bahn Heilbronn—Crailsheim gemeint. Als besondere
zum Beginn des Eisenbahnbaus einladende Momente hob der Vortrag noch hervor: die von der
K. K. österreichischen Regierung gefassten Beschlüsse über Erbauung einer Bahn von Wien bis an die