durch höhere als die berechneten Einnahmen auf 130000 fl. abgemindert werden könne, und im
Hinblick auf die volkswirtschaftlichen und die höheren Verkehrsinteressen, übte das berechnete Defizit
keinen Einfluss auf den Ministerialantrag aus.
Die Königliche Regierung entfernte sich trotz dieses Ausfalls aus der Staatskasse von dem
Verfolg ihrer Pläne und von der Ansicht nicht, dass die Ausführung eines Systems von Eisenbahnen
in der angezeigten Richtung und Ausdehnung, Aufgabe der Staatsverwaltung sei und im Wege eines
unmittelbaren Staatsunternehmens zu geschehen habe.
Mit Bestimmtheit gab sie letzterer Anschauung mit dem Beifügen Ausdruck, dass die
Ausführung der Hauptbahnen durch Private in keiner Hinsicht zu empfehlen sei, weil Privatunter
nehmer nicht das allgemeine, sondern nur ihr persönliches Interesse berücksichtigen; weil bei der
Ausführung der Eisenbahnen durch Private viele Mühen und Sorgen der Regierung, u. a. die Ver
handlungen mit auswärtigen Staaten doch verbliebe; weil der Staat für die Ausführungen und den
Betrieb der Bahnen in günstigerer Lage sei als Privatunternehmer; sofern er eintretenden Falles Unter
stützung doch leisten müsste, ohne dass er auf Besserung der Verhältnisse eben so einwirken könne
wie bei der Selbstverwaltung, und weil endlich für Ausführung von Lokalbahnen der Privatindustrie
ein weites Feld jedenfalls offen erhalten bleibe. Von jetzt an war für alle Hauptbahnen die Ausführung
durch den Staat feststehende Bestimmung. Als später über einige Zeit, nachdem scheinbar günstige
Offerte des Bankhauses Magnus in Berlin u. a. eingekommen waren, das Ministerium bezüglich
dieser Frage in Zweifel und ins Schwanken zu geraten schien, war es König Wilhelm, der den
Staatsbau mit Festigkeit aufrecht erhielt. In weiterer Erörterung bespricht der Ministerialvortrag noch
die Frage, welche Bahnen zuerst gebaut werden sollen. Hiefür wurde eine von Ludwigsburg nach
Esslingen anzulegende sogen. Zentralbahn ins Auge gefasst. Weil dieselbe aber noch nicht festgestellt
war, sollte dies nachträglich von seiten der Regierung, jedoch erst nach vorheriger Vernehmung eines
weiteren mit dem Eisenbahnbau praktisch vertrauten und bewährten fremden Technikers geschehen.
Die schon in der nächsten Finanzperiode zu beginnende Ausführung dieser Zentralbahn
war in den vorhandenen Ueberschlägen mit 31722600. 21 kr. beziffert. Zugleich war der Vorlage
der Entwurf eines Gesetzes beigegeben, welcher Aufbringung der Mittel zu dem in der Finanzperiode
von 1842—45 auszuführenden Eisenbahnbau nebst Motiven zum Gegenstand hatte.
Mit diesem Vortrage und Gesetzesentwurf hatten sich nun die Stände zu befassen.
X. Bauperiode.
Sechstes Kapitel.
Ständische Beratung der Eisenbahnvorlage.
Die umsichtige und gründliche Behandlung des Gegenstands, die richtige Beurteilung
aller einschlägigen Verhältnisse sowie die Anträge der Regierung fanden bei den Ständen allseitige
Anerkennung. Dieselbe kam zunächst zum Ausdruck durch sorgfältigste Prüfung und Bearbeitung
der Vorlage. Die Referenten in der I. Kammer: Hofkammerpräsident v. Gärttner und Freiherr
v. Holzschuer, in der II. Kammer: Direktor von Werner, Kaufmann Dörtenbach, Fabrikant Deffner
haben mit grossem Eifer und dankenswerter Gründlichkeit ihrer Berichterstattung sich unterzogen,
und sämtliche Mitglieder der Kammer waren bestrebt, die Einwirkung der Eisenbahnen nicht nur
auf den Verkehr im allgemeinen, sondern auf sämtliche Nebenbeziehungen desselben und auf jeg
liche Landesinteressen zu untersuchen und zur Verhandlung zu stellen.
Insbesondere waren sämtliche Abgeordneten bemüht, etwaige mit dem Eisenbahnbau sich
einstellende Härten für die Bevölkerung der, mit Eisenbahnen nicht bedachten Landesteile abzuwenden
oder zu mildern.