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wegen Mangels genügender Erfahrungen (nur eine solche Rampe bei Dalkey war im Betrieb und
zwei weitere waren für erst zu erstellende Bahnen in Aussicht genommen) konnten die Techniker
der Eisenbahnkommission sich nicht veranlasst finden, der Einführung des atmosphärischen Systems
beizustimmen. Auch die übrigen Mitglieder der Kommission und die Regierung wollten sich mit
diesem so warm empfohlenen Experiment nicht befassen und so wurde dasselbe definitiv ver
lassen. Indem aber Vignoles für den Fall, dass das atmosphärische System nicht zur Verwertung
kommen würde, von Erbauung der Filsbahn entschieden abgeraten und die Erbauung der Remsbahn
an deren Stelle in Vorschlag gebracht hatte, war dem Bedürfnis der Regierung ebensowenig genügt,
als mit den erstmaligen Vorlagen ihrer eigenen Techniker, v. Bühler etc.! und jetzt waren ihr weder
brauchbare Projekte, noch annehmbare Vorschläge zu Gebot. Um so mehr waren ihre eigenen
Oberingenieure bemüht, die vorhandenen Mängel zu decken, zunächst durch Feststellung der Pläne
über die Zentralbahn. Hauptsächlich der Lage des Stuttgarter Bahnhofes: Vignoles hatte wie
zuvor schon Bergrat Schübler und Baurat Grundier für die Lage dieses Bahnhofs auf den Seewiesen
sich erklärt.
An diesem Vorschlag hielt Vignoles auch noch fest, als ihm das Etzelsche Projekt eines
Bahnhofes an der Schlossstrasse zur Prüfung zugestellt war. Dabei ist wohl anzuerkennen, dass
die räumliche Ausdehnung dieses Etzelschen Bahnhofes allzu beengt war und mittlerweile Erweite
rung und weitgehende Umbildung erfahren musste, es ist aber auch zu bemerken, dass Vignoles,
der von dieser Situierung auf den Seewiesen bedingten 17 Fuss höheren Lage der Station (welche
genötigt hätte, den Gradienten Stuttgart—Kannstatt von 1:125 durchaus auf 1:115 zu steigern)
keine Erwähnung gethan hat! Dass er überhaupt keinerlei Pläne und Voranschläge gefertigt und
vorgelegt, nicht berücksichtigt hat, dass das Etzelsche Projekt um 61 000 Gulden billigeren Bau in
Aussicht stellte als jenes des etc. Vignoles.
Es wurde in höherem Auftrag nunmehr die Bauwürdigkeit der einzelnen Projekte vom
technischen Gesichtspunkte aus im ganzen und in ihren Teilen geprüft und festgestellt, und zwar
zunächst durch den Zivilingenieur Ludwig Klein aus Wien. Derselbe hat diesen Auftrag mit einem
Bericht vom 7. März 1844 nebst vergleichenden Berechnungen erledigt, welcher in der Druckschrift
»Die erste Sektion der württembergischen Eisenbahnen« (Metzlersche Buchhandlung 1844) ver
öffentlicht wurde.
In diesen Bericht wurden alle nötigen Erwägungen über lokale, politische u. a. Interessen
nicht nur bezüglich des Bahnhofs Stuttgart, sondern auch der von ihm ausgehenden Zentralbahnstrecken
einbezogen. Der Aufnahme des Kleinschen Gutachtens in unseren Text ist voranzustellen, dass von
Oberbaurat v. Bühler die Lage des Bahnhofs in die Neckarstrasse unterhalb der Kunstschule gerückt
werden wollte, wodurch nötig geworden wäre, die Ostbahn erst nach Kannstatt zu leiten, dort in
2 Teile zu trennen, von dem dortigen Bahnhofe abzweigend, einerseits neckarabwärts nach Ludwigs
burg und Heilbronn, anderseits neckaraufwärts in östlicher Richtung zu tracieren, wodurch Kannstatt
gleichsam zum Zentralbahnhof des Landes, die Bahnstrecke Stuttgart—Kannstatt eine Zweigbahn für
Stuttgart geworden wäre. Diesem Projekt gegenüber hatte Etzel das seinige mit dem Bahnhofe
an der Schlossstrasse als Haupt- und Landeszentralbahnhof aufgestellt, während Vignoles den Platz
auf den Seewiesen für die Bahnhof läge festhielt. Es waren somit die besagten drei Projekte zur
Vergleichung und Wahl gestellt, welch letztere nunmehr von der Regierung zu treffen war. Auf
dieselben nimmt der Zivilingenieur Klein Bezug in seinem nachstehenden Gutachten, welches zu
gleich die Beschreibung jedes einzelnen Projekts enthält und welches die Nach Weisung liefert, wie
sorgfältig zu jener Zeit die württembergischen Oberingenieure Feststellung und Auswahl unter den
möglichen Bahnprojekten trafen.