Die geographische Umgebung Chinas 7
Altertum hindurch und bis auf die Höhe des Mittelalters kaum die
allerschattenhafteste Kunde von der großen Kultur des Ostens zum
Westen gelangte. Fast nichts als das Produkt der Seide, von Hand zu
Hand gegeben, gelangte dorthin. Umgekehrt hat zwar eine reichere
kulturelle Befruchtung des Ostens durch Zentralasien hindurch statt
gefunden, in langsamem, Jahrhunderte dauerndem Durchsickern
von dem zugleich vom buddhistischen Indien wie von Griechen
land beeinflußten Gebiet am Hindukusch her. Wir werden von diesen
Beziehungen noch zu sprechen haben (s. S. 108, in). Allein niemals
waren diese übermäßig stark, und vor allem niemals waren sie
kriegerisch.
Nur von diesem zentralasiatischen Gebiete selbst sind zeitweilig
kriegerische Einflüsse auf das eigentliche China ausgegangen. Sind
sie doch die große Geburtsstätte der nomadischen Reiterscharen, die,
auf Raub und Krieg gestellt, immer wieder in China eingefallen sind
und die Kulturentwicklung dieses Bereiches seßhafter Ackerbauer
empfindlich gestört haben. Gegen sie fehlte in der Tat eine natürliche
Schutzgrenze. Hier aber haben die Chinesen schließlich zum Ersatz
die großartigste künstliche Grenze geschaffen, die je errichtet worden
ist, die Große chinesische Mauer. (Näheres über diese s. S. I3ff.)
Dieser Bau hat wirklich, wenn er in Ordnung gehalten und bewacht
wurde, China auch nach dorthin geschützt. Und wenn dieser Schutz
auch zuweilen überrannt worden ist, wenn fremde Kriegervölker zeit
weilig China teilweise oder sogar ganz eroberten und fremde Dynastien
jahrhundertelang auf dem Drachenthron gesessen haben, so haben
diese doch niemals das chinesische Reich oder die chinesische Kultur
zerstört. Mit ihnen konnte China fertig werden. Es war diesen zentral
asiatischen Stämmen so sehr an Kultur und Assimilationskraft über
legen, daß es die Sieger immer überwand. Die Eroberer wurden regel
mäßig selbst Chinesen, und ihre Taten haben niemals das Ende, son
dern immer nur ein Kapitel der chinesischen Geschichte gebildet.
Das gilt auch für den letzten Teil der Umgebung im Nordosten,
die Mandschurei. Auch diese ist vorwiegend ein Steppenland, wenig
dicht besiedelt und abgesondert durch die Große Mauer. Auch aus
der Mandschurei drangen mehrmals Eroberer nach China ein. So zur
Zeit der Kin (1115 bis 1234) für Nordchina, das zweite Mal zur Zeit
der Mandschu (1644 bis 1912) für das ganze Reich. Beidemal mit
dem gleichen üblichen Ergebnis. Die Eroberer schauten trotz ihrer
kriegerischen Überlegenheit bewundernd zu der chinesischen Kultur
auf und kannten kein höheres irdisches Ziel, als den Thron des Himmels
sohnes. Sie hatten nichts Eifrigeres zu tun, als sich zu chinesieren