Das Land
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und die chinesische Reichsgeschichte in chinesischem Sinne weiter
zuführen.
Erst ganz spät, in der Mitte des 17. Jahrhunderts, erschien an der
nördlichen Landgrenze des Reichs ein Nachbar und Rivale, der dieses
selbstverständliche Emporschauen zur Autorität der chinesischen
Kulturwelt nicht besaß: die russische Macht, die sich jetzt durch
Sibirien bis dorthin vorgetastet hatte. Das war aber erst zu einer Zeit,
wo schon eine andere Schutzumgebung ihre Wirksamkeit zu verlieren
begonnen hatte, wo schon zur See, von j ener bisher völlig ungefährdeten
Seite her, Fremdlinge zu kommen begonnen hatten, die viel bedenk
licher waren, als alle früheren Gegner. Die geographischen Schutz
wälle Chinas zu Lande gegen die Welt des Okzidents, die ungeheuren
Räume, Wüsten und Hochgebirge Asiens, würden auch heute wohl
noch ausreichen, um Chinas Sicherheit zu einer leichten Sache zu
machen. Nicht aber mehr die See, seit die Abendländer sie sich in
der Weise dienstbar zu machen verstanden haben, wie es seit dem
großen Zeitalter der Entdeckungen und insbesondere seit dem Zeit
alter des Dampfes und des Eisens geschehen ist. Von hier aus erfolgt
seit etwa 100 Jahren in erster Linie der Ansturm der weißen Rasse und
ihrer Kultur, der das uralte Reich und seine Gesittung in den Grund
festen erschüttert und beide vor die Frage stellt, ob auch ihnen nun
die Stunde des Unterganges geschlagen hat oder ob sie die Wege zu
neuem Leben finden werden.
4. Die Grenzen,
Dies die geopolitische Lage Chinas im großen. Verfolgen wir nun
im einzelnen die geographische Gestaltung der Grenzlinie n des Landes
der 18 Provinzen.
Die Ostgrenze Chinas ist Seeküste. Die chinesische Seeküste be
ginnt im Süden unter ungefähr 22 °n. Br. am Golf von Tongking,
einem Teil des chinesischen Nanhai (d. i. „Südmeer“). Sie bildet von
dort aus bis zum 30. Breitegrad einen Bogen von wunderbarer Regel
mäßigkeit, fast genau dem 2000 km langen Stück eines Kreises von
1200 km Radius gleich; wahrscheinlich entstanden durch einen ein
heitlichen Abbruch, und als solcher ein Glied jenes großen Systems
bogenförmiger Brüche, mit denen der asiatische Kontinent stufen
förmig zum Großen Ozean absinkt (s. S. 25). Nur die Halbinsel
Leitschou springt noch fast bis zum 20. Breitegrad südwärts vor, und
jenseits von diesem liegt noch die größte Insel Chinas, Hainan
( = Land im „Süden des Meeres“), die mit 36000 qkm nicht ganz