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arbeitsamen chinesischen Bauern lastet. Aus den von Zeit zu Zeit
in der europäischen Presse auftauchenden Alarmnachrichten jedoch
die Schlußfolgerung zu ziehen, daß China über kurz oder lang dem
Kommunismus bzw. Bolschewismus als reife Frucht in den Schoß
fallen werde, ist sicher nicht richtig. Chinas Bauern kennen nur
einen Wunsch: Ruhe im Lande, und sie haben nur eine Hoffnung,
daß sie bald hergestellt sein möge. Kehren aber einmal wieder
Ruhe und Ordnung zurück, dann ist der chinesische Bauer der
erste, der, unbeeinflußt und unbeeinflußbar durch alles, was ab
seits seines Dorfes vor sich geht, seinen Acker bestellen und ihm in
harter Arbeit seine Erträge abringen wird.
Gegenüber seiner auf etwa 350 bis 370 Millionen Menschen zu
schätzenden bäuerlichen Bevölkerung spielt Chinas Industriearbei
terschaft zahlenmäßig eine relativ geringe Rolle. Mag man sie auf
drei Millionen, mag man sie auf das doppelte schätzen, sie stellt
immerhin bei rein statistischer Betrachtung nur einen geringen
Bruchteil der chinesischen Gesamtbevölkerung dar. Trotzdem ist sie
nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch ein wichtiger Fak
tor, denn sie zeigt einen großen Teil jener Züge, die wir von der
europäischen Fabrikarbeiterschaft aus der Zeit kennen, in der sich
die europäischen Agrarstaaten zu Industrieländern zu entwickeln
begannen. Ein großer Teil der heutigen chinesischen Industriearbei
terschaft, die zusammengeballt in den großen Städten des Landes
(Schanghai, Kanton, Hankau, Tientsin usw.) lebt, steht unter dem
Einfluß gewerkschaftlicher, sozialistischer, kommunistischer Ideen
des Abendlandes, d. h. ist mehr oder minder radikal eingestellt.
Sie kämpft um die Verbesserung ihrer Lage, der Arbeitsbedingun
gen, der Arbeitszeit, des Arbeitslohnes. Die Methoden, die dabei
entwickelt werden, gleichen vielfach denen in den industriell wei
ter vorgeschrittenen Ländern: Bildung von Berufsverbänden, Gil
den, Gewerkschaften und ihre geschlossene Einsetzung bei Streiks,
Demonstrationen usw. Wenn auch die Arbeitsbedingungen des chi
nesischen Industrieproletariats während der letzten Jahre ganz
zweifellos mancherlei Verbesserungen in bezug auf Arbeitszeit und
Lohn, Verhältnisse in den Fabriken, Frauen- und Kinderarbeit zei
gen, so ist alles in allem doch noch vieles, selbst wenn man nicht mit
europäischen Maßstäben mißt, verbesserungsbedürftig. Das kann
gar nicht anders sein in einem Land, das erst in den allerersten An
fängen seiner Industrialisierung steckt.