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erst entstanden, als die beiden Hauptmächte, Japan und China, so
ganz grundverschieden auf diesen Versuch der übrigen Mächte
reagierten, ihre Völker, Länder und Gebiete in diesen weltwirt
schaftlichen und weltpolitischen Betrieb miteinzubeziehen. Und da
gibt es in der Tat kaum einen krasseren Gegensatz als den zwischen
Japan und China.
Die Japaner, ihrer Umgebung in früheren Jahrhunderten und
in den Anfangsjahrzehnten des 19. J ahrhunderts eben so verschlossen
oder noch verschlossener gegenüberstehend wie die Chinesen auch,
werfen mit der um die Mitte des Jahrhunderts erfolgten gewalt
samen Aufschließung ihrer versperrten Tore durch die Amerikaner
das Steuer herum. Nicht daß etwa ihre innere Fremdenfeindlichkeit
sich irgendwie geändert hätte. Aber sie erkennen rechtzeitig, daß
nur eine Übernahme der militärischen, maschinellen, technischen und
Verkehrsmethoden der Europäer und Amerikaner ihr Leben und
ihren Bestand als selbständige Nation und — was immer das ja
panische Ziel in den letzten hundert Jahren gewesen ist — als
herrschender Staat in Ostasien sichern könne. So stürzen sie sich
nach Überwindung innerer Parteikämpfe und partikularistisdher
Strömungen sowie nach Befestigung der Mikadoherrschaft mit vol
ler Wucht in diesen Weltstrudel: das Heer wird nach preußischem
Muster, die Marine nach englischem Beispiel herangebildet, Japan
gibt sich eine geradezu preußische Verfassung und sichert sich eine
amerikanisch-technische Entwicklung. Es schickt seine Mediziner
nach Deutschland und seine Ingenieure nach den Vereinigten Staa
ten, es nimmt vorübergehend Hunderte von fremden Lehrern und
Beratern in seinen Dienst, während noch vor wenigen Jahrzehnten
kein Fremder das eigentliche Japan hatte betreten dürfen. Handels
verträge sichern ihm Anschluß an die Weltwirtschaft und den Welt
verkehr, das Kaiserhaus selbst beteiligt sich am kapitalistischen
Aufbau und Ausbau der japanischen Weltmacht und Weltstellung.
In den Zeiten der durch rastlose Arbeit nach innen und nach außen
gekennzeichneten Aufschwungsperiode schweigen alle inneren Par
teiungen und Trennungen; kein Volk der Erde scheint so einheit
lich in der Hand seiner nach einem großen Willen und Ziele arbei
tenden Staatsmänner und Führer, als dieses Japan, dessen Ent
wicklung in der Tat wie ein Schulbeispiel kapitalistischer Auf
schwungsmöglichkeiten aussieht. Hand in Hand mit maritimer und
militärischer Schulung und weltweiter Schul- und Hochschulbildung
geht die Industrialisierung, geht auch die außenpolitische Ziel-