Full text: Der Hoppenlau-Friedhof in Stuttgart

  
  
  
  
Der Mlenſch erfährt, er ſei auch wer er mag, 
Ein letztes Glück und einen letzten Tag. 
Goethe, Sprüche in Reimen. 
Der jahrhundertelang fortbestehende Friedhof einer alten Landes- 
hauptstadt erſchließt uns mehr als irgendein neuer von Marmor durch- 
glänzter ein weites Feld vielseitiger Betrachtung: da begegnen ſsich 
Ortsbeschreibung und Geſchichte, die Erinnerung an bedeutende Menſchen 
und große Zeiten, Kultur und Kunst, Poesie und Proſa, Familienkunde 
und Naturstimmung. 
In Stuttgart wie allerorten in der christlichen Welt gab es ehedem 
nach einem im Glauben des Mittelalters begründeten Brauch Begräbnis- 
plätze nur im Anschluß an Kirchen, auf geweihtem Boden; und je vornehmer 
einer nach Herkunft und Rang war, desto näher am Altar wollte er 
bestattet sein. Daher die vielen Grabmäler im Innern unserer alten 
Kirchen und in Kreuzgängen. 
Zu den Kirchhöfen !) bei der Stiftskirche, erweitert 1454, und bei 
St. Leonhard, benützt bis 1805 ?), kam 1391 ein neuer im Turnieracker 
bei der Liebfrauenkapelle, an deren Stelle später die Dominikanerkirche 
zu St. Katharina trat, seit 1536 Hoſpitalkirche. Gerade hier wurden bis tief 
ins 18. Jahrhundert Hochgestellte beigesetzt, u. a. in der Kirche, obwohl dies 
eigentlich seit 1700 verboten war, der berühmte Philoſoph und Mathe- 
matiker Georg Bernhard Bilfinger, f 1750); im Kreuzgang findet man 
von mehreren Adelsgeſchlechtern, z. B. v. Phull, v. Wallbrunn Epitaphe 
aus jener Zeit. Der Begräbnisplatz außen an der Südseite wurde 1746 
eingezogen und gepflaſtert. 
1) Ein kurze Übersicht über die Entstehung der Stuttgarter Friedhöfe enthält 
u. a. die Revidierte Friedhof- und Begräbnisordnung von 1886. Weitere Angaben 
bei K. Pfaff, Geschichte der Stadt Stuttgart, 1845, und besonders bei IJ. Hartmann, 
Chronik der Stadt Stuttgart, 1886. 
2) Bei St. Leonhard befand sich ursprünglich das Grabmal von Johannes 
Reuchlin, + 22. Juni 1522 (Cod. hist. O. 18 der K. Landesbibliothek). 
3) J. Hartmann, Chronik der Stuttgarter Hoſpitalkirche, Stuttg. 1888. Vgl. 
die Mitteilung von E. Paulus, Württ. Vierteljahrshefte II 1879, S. 236 ff. Zahlreiche 
ältere Grabſchriften sind uns erhalten durch ein Manuſkript von M. Joh. Schmid, 
Inscriptiones monumentorum, quae sunt Stuttgardiae .. . in coemeteriis intra et 
extra urbem. Anno MDCOXXXX. K. Öff. Bibl. Ms. hist. Oct. 18. (Hiervon iſt 
Ms. hist. Vol. 320 nur eine Abschrift mit willkürlichen Auslassungen.) ~ Vgl. jetzt auch 
F. v. Gaisberg-Schöckingen, Bildwerke in der Spitalkirche zu Stuttgart, Württ. Viertel- 
iahrsheſte für Landesgeschichte, N. F. XV (1906), S. 436-459. 
Pfeiffer, Hoppenlaufriedhof. 1 
  
  
 
	        
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