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Die baulicke Gntwicklung -S»
Den Eingang zum Garten bildete ein von Heinrich Scbickhardt erbautes praebttor mit zwei
üürmchen zur Seite; links davon stand die Hofmühle, beim pfistertöreben die Pfisterei, d. b.
Hofbäckerei. Das falkentörcben batte zur Seite das falkenbaus, daran schloß lieb das Ball
baus (für das damals viel getriebene Ballspiel), dann folgte die Hofküche. Jnnerbalb des
Gartens lag in der ßäbe des pfiftertörebens, also südwärts, das 1553 von Herzog Christoph
erbaute Schieß- oder Hrmbrustbaus, dessen oberes Stockwerk eine Sammlung von Armbrüsten
enthielt. Davor erstreckte sich der Schießplatz, daneben die 109 m lange „alte“ Rennbahn für
die Ritterspiele, mit einem Bildsäulen tragenden Portal an jedem Ende und Herzog Christophs
„altem Lustbaus", sowie einem Schaubaus mit vielen fenstern an der Längsseite. Ostwärts
folgte inmitten der Reiberwiese, auf deren Bäumen die Vögel nisteten, das Reigerbaus. nörd
lich von der alten Rennbahn lag der fasanengarten, östlich von diesem das „neue Lustbaus",
vor diesem die neue Rennbahn, oben und unten mit je zwei 14 m hoben Obelisken, in der
Mitte mit Statuen auf gewundenen Säulen geschmückt. Hieran schloß sich der Irrgarten, in
welchem das württembergische Mappen, aus Blumen gebildet, blühte, dann der Blumengarten,
mit einheimischen und ausländischen pflanzen aufs reichste ausgestattet — in seiner Mitte ein
Sommerhaus mit Abbildungen des Leidens Christi, daher „Oelberg“ genannt, und mit einem
Wasserwerk, das eine Jagd aus Erz, tanzende Bauern und anderes Bildwerk in Bewegung
setzte, auch die Spaziergänger unversehens besprengte. Endlich der Pomeranzengarten mit dem
Ölinterbaus. Den Abschluß gegen Osten bildete die von Herzog Johann friedrieb 1613 errichtete
„Lustgrotte", ein Bau toskanischen Stils, 30 m lang und wenig schmäler. Jn den Risaliten
der Vorderseite führten Wendeltreppen zum flachen Dach empor, dessen Balustrade Raiserbilder
und Löwen in wechselnder folge trug. Jm Innern wie im Aeußern des Gebäudes waren zahl
lose Wasserkünste angebracht, an denen die damalige Zeit ihr besonderes Gefallen hatte: Spring
brunnen und Wasserfälle; hier sangen künstliche Vögel, dort bliesen aus Muscheln gebildete
Männer das Waldhorn; Enten verschluckten vorgehaltenes Wasser; ein Jäger schoß nach einem
Adler in der Höhe zugleich feuer und Wasser; eine Wasserorgel ließ ihre Klänge erschallen;
wunderbare Wassergebilde: Blumen, Schirme, Kronen, Kugeln, Regen und Regenbogen, Hebel
und Schnee überraschten den Besucher, minder angenehm auch plötzlich hervorbrechende Wasser
strahlen , mit denen er bis zum Ausgang verfolgt werden konnte. Herzog Karl entfernte
1749 das allmählich zerfallende Merk. Vor dem franjentörchen, dem östlichen Ausgang des
Lustgartens, stand die große Vogelstange, um die sich zu häufigen und berühmten Schießen
(;. B. 1501, 1560, 1618) die Schützen aus weiter ferne sammelten. Hier begann der 1572 an
gelegte Kenn- oder Kiesweg, der längs des den Lustgarten südlich begrenzenden Hesenbachs bis
zum Zollhaus bei Berg führte; zu seiner Rechten erstreckte sich die 1126 Schritte lange Balle
Maille, die zum Ballspiel im freien diente und unter ihren Bäumen den Stuttgartern schattige
Spaziergänge bot. An ihrem Ende stand der von Herzog Ludwig 1579 erbaute Wafserturm,
dessen Werk die Brunnen des Lustgartens mit Wasser versorgte. — Ueber die Dauer des
dreißigjährigen Kriegs verödeten die Herrlichkeiten des Lustgartens. Mit den um das Schloß
gereihten Bauten gehörte er zum Burgfrieden, dessen Bruch mit besonderen Strafen bedroht
war. Der Raum, den der Burgfrieden umfaßte, war dem der gesamten Hitstadt annähernd
gleich.
Im Lauf des 17. Jahrhunderts macht die Entwicklung Stuttgarts keine fortschritte.
Warf jener unselige Krieg auch nicht die zerstörende Brandfackel in ihre Gassen, so verarmte sie
doch infolge der wiederholten Cruppendurchjüge für lange Jahre. Seuchen räumten unter ihrer
Bevölkerung auf: beim friedensfebluß 1648 zählt sie nur mehr 4500 Einwohner, 5370 find feit