Full text: Geschichte der Stadt Stuttgart

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Vom 16. bis ins 19. 'Jahrhundert 
von dort ein offenes (dort reden wollte, dies in einem zu Marbach bei verschlossenen Türen 
gehaltenen Kränzchen tun muhte, berichtet: „3n der Hauptstadt war das gesellschaftliche Leben 
wo möglich noch mehr überwacht und eingeschüchtert, als in der königlichen Sommerrefidenj. 
Ueberall in der Gefahr böswilliger Beobachtung und Mißdeutung, vernahm man nirgends eine 
Aeußerung über öffentliche Zustände, ja nicht einmal eine mündliche Mitteilung der Tages 
neuigkeiten aus den Zeitungen; das Urteil und der Mißmut der Redlichen wurden kaum noch 
unter Vertrauten laut, da mehrere Beispiele bewiesen, daß man auch in engeren Kreisen, wo 
nicht durch Verräterei der Treulosen, doch durch die Sorglosigkeit feiner freunde Verdacht gegen 
sich erregen oder kompromittiert werden konnte, seit Napoleon die Ideologen' seiner Bundes 
genossen als die gefährlichsten Bürger denunziert hatte.“ 
Ueber 50 mediatifierte Reichsritter mußten in Stuttgart am 16. Mai 1806 dem „großen 
König von Schwaben“, wie sie ihn hießen, den Treueid leisten, zwei verweigerten ihn, bequemten 
sich aber nach einigen Tagen Arrest auch zur Huldigung. Der König verordnete, daß die 
Adeligen des Landes, hoch und nieder, drei Monate des Jahres in feiner Residenz zuzubringen 
haben. Und dies geschah, obwohl fast alle höchsten Hof- und Staatsämter mit ausländischen 
Edelleuten besetzt waren (Mauder, Wintzingerode, Taube, Zeppelin, Ende, Lühe, Mandelsloh, 
Jasmund, Taubenheim, Wangenheim, Riedesel, Schmitz-Grollenburg u. a.). Ein königliches 
Reskript verbot 1808 der neugegründeten Museumsgesellschaft ihre geselligen Vereinigungen, 
Spiel-, Tanz-, Eßgelage u. dgl., „steuerte dem Unfug“, daß sie ein eigenes Haus bauen will, 
befahl dem Polijeiminifter, daß die Gesellschaft auf ihren allein genehmigten Zweck literarischer 
Beschäftigung zurückgeführt werde. 
Ueber solchen und zahlreichen andern Aeußerungen einer würdelosen Gewaltherrschaft, dazu 
den Opfern an Geld und Menschenleben, welche der Krieg forderte, der Gewohnheit des Monarchen, 
für seinen Umgang Menschen zu bevorzugen, die außer ihm und seinen Kreaturen niemand 
achtete, dem üblen Verhältnis zwischen dem König und dem Kronprinzen, zwischen diesem und 
seiner ihm 1808 aufgedrungenen, 1815 von ihm geschiedenen Gemahlin Charlotte von Bayern 
—- über all dem wurde, was der König in schwieriger Zeit mit starkem Geist und unermüd 
licher Arbeit für die Schaffung eines den Anforderungen des Jahrhunderts gewachsenen Staats- 
wefens teils ausführte, teils anbahnte, nicht gewürdigt. Und als vollends seine Absicht, Hlt- 
und Neuwürttemberg eine gemeinsame Verfassung mit angemessener ständischer Vertretung zu 
geben, auf hartnäckigen Widerspruch der Altwürttemberger stieß, lagerte sich in einer Zeit, da 
man Sieg auf Sieg und den Anteil der GUürttemberger daran feiern durfte, eine noch schwülere 
Luft als zuvor über die Hauptstadt. Als am 15. März 1815 die Stände zur Beratung des 
königlichen Verfaflungsentwurfs zusammentraten, war die feierliche Auffahrt des Königs, wie 
ein Augenzeuge schreibt, „mit hörbarer Stille — möchte man sagen — begleitet; kein Laut, 
und wenn einer Vivat rufen wollte, so drohten junge Leute mit Zähneeinschlagen; als aber die 
Deputierten nachmittags aus der Versammlung gingen, in der sie die Nichtannahme der Kon 
stitution beschlossen hatten, wurde immer Vivat gerufen.“ 3m Herbst wurde einer der fübrer 
der Opposition, Graf Waldeck von Gaildorf, als er von einer Reise zu dem freiberrn vom Stein 
zurückkehrte, verhaftet, aber wegen der Aufregung des Volks nach 24 Stunden wieder frei 
gelassen. Eine Abordnung der Bürgerschaft trug am 28. August 1816, von den Ständen feier 
lich empfangen, diesen ihre auf „Herstellung und Begründung eines Rcchtsjuftandes“ gehenden 
Wünsche in einer von dem jungen Advokaten übland verfaßten Adresse mit 572 Unterschriften 
vor, worauf denjenigen Unterzeichnern, die bisher zu Hof arbeiteten, die Arbeit gekündigt, 
gegen andere bei der Stadtdirektion Untersuchung eingeleitet, von der Ständeversammlung eine
	        

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