Geschichte der Stadt
Bitte an den König um „Aufhebung und Ahndung des inquisitorischen Verfahrens“ gerichtet,
diese aber vom König wenige Cage vor seinem Code durch den Minister des Innern „einer
starken Rüge unterworfen“ wurde.
Das lind Anfange einer „öffentlichen Meinung" in Württemberg, einer weite Kreise be
herrschenden und von ihnen deutlich kundgegebenen politischen Anschauung. Wie sie, die
Schranken des polijeiregiments durchbrechend, sich geäußert hat, zeigt der eben angeführte fall
und schon ein Jahr zuvor ein Bericht des Hamburger Buchhändlers friedrieb Perthes, der im
August 1815 Cotta besuchte und eine „ungemesfene Sprechfreiheit fand, daß er nicht die Hälfte
von dem schreiben könne, was er dicht neben dem Schlöffe sich laut habe erzählen lassen. Ord
nung herrscht überall und die Minister sollen Ehrenmänner sein und sind so gestellt, daß sie
frei bleiben vom Volkshaß, dessen Last der König bei harten und tyrannischen Maßregeln mit
Luft allein auf sieh nimmt. Diesem bedeutenden fürsten stehen nun mit ebenso hartnäckiger
Kraft die Stände gegenüber, welche, ohne rechts oder links zu sehen, an dem Landeswort Halten
wie an 6otteswort, und zwischen beiden treibt das Weltwesen mit seiner Selbstsucht, seinen ver
kehrten Meinungen und eigennützigen Absichten ein arges Spiel".
Das Spiel sollte weit rascher, als zu erwarten war, ein Ende finden. Auf die letzten
Cage des Oktobers war wieder eine jener Hofvergnügungen angesagt, die man Jagd nannte,
die aber in Wirklichkeit nichts anderes waren, als „Maffenschlächterei in geschloffenem Raume"
durch den schon wegen seiner Beleibtheit für die Jagd unfähigen fürsten und feine Höflinge,
als die mit fron dienst für Hunderte von Bauern verbundene fete plötzlich abgesagt wurde.
König friedrieb war am 30. unerwartet verschieden, nachdem er bei der Besichtigung von Mam
mut-Ausgrabungen in Cannstatt sich eine schwere Erkältung geholt hatte.
\ Stuttgart war unter seinem Regiment nicht zu einer wesentlich besser und schöner gebauten
Stadt geworden; erst 1808 wurde die Aufführung des untern Stocks von Stein für alle Ge
bäude, 1811 die Verblendung aller Häuser (auch der alten mir schöner Holzarchitektur!) befohlen.
Keine der neuen fachwerkbauten, welche Memmingers Beschreibung Stuttgarts von 1816 her
vorhebt, findet heute noch Beachtung, und Memminger gibt selber zu, daß „im allgemeinen doch
zu wenig auf architektonischen Anstand Rücksicht genommen" werde. Mit Recht aber rühmt
derselbe in ausführlicher Schilderung die 1808 eröffneten oberen und die 1814 dazu gekommenen
unteren Königlichen Anlagen, die der fürst aus Wiesen und Kartoffelländern hervorzauberte.
Die Bevölkerung wuchs trotz der Ungunst der Zeit, welche sich in Verminderung der
6hen und der Geburten, neben Zunahme der unehelichen Geburten, äußerte, hauptsächlich durch
Zuzug, von 18200 im Jahr 1797 auf 23200 im Jahr 1815. Sine Uebersicht der Berufsarten
(bei Memminger 1816) zeigt, wie die Stadt in allererster Linie Beamten- und sßilitärstadt, da
bei auffallend reich an Unterstützungsbedürftigen war: Jn Militärdiensten 355, im Staatsdienst
1228, in gutsherrschaftlichen Diensten 81, im 6emeindedienft 77, Handels- und Gewerbsleute
1699, Bauern und Weingärtner 588, Caglöbner 205, ohne Beruf vom Vermögen lebend 66, im
Almosen stehend 1222. Unter den Gewerben fällt die Zahl der Wirtschaften (232), der Apo
theken (11) und der Perückenmacher (26) auf, auch die Rubrik: Italiener und Juden 11.
Durch den großen Cübinger Buchhändler Cotta, der 1798—1803 seine Allgemeine Zeitung,
seit 1807 sein Morgenblatt in Stuttgart redigieren ließ, 1810 sein ganzes Geschäft dahin ver
legte, trat die schwäbische Hauptstadt in die vorderste Reihe der deutschen Citeraturftädte. Und
vom Kunst leben am Sitze der Meister Dannecker, Scbeffauer, Hetsch, Müller, der Kenner und
Sammler Dotter, Abel, Rapp hat kein Geringerer als Goethe, bei seinem zweiten Besuch Stutt
garts 1797, das schmeichelhafte Mort gesprochen, er habe hier Cage verlebt, wie er sie in Rom
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