Full text: Geschichte der Stadt Stuttgart

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Dritter Abschnitt. 
Stuttgart vom jfahr 1816 bis zur Gegenwart. 
I. Die Zeit König Mlbelms I. i8,H—1864. 
■ ; Ite Stuttgarter haben uns noch erzählt, mit welch froher Überraschung die I)aupt- 
und Residenzstadt es am Hbend des 30. Oktober 1816 vernahm, daß König friedrieb 
feinem Sohne, Milhelm I (geboren zu Lüben in Schlesien 27. September 1781, f auf 
dem Rofenftein 25. Juni 1864) Platj auf dem Cbron gemacht habe. Jedermann er 
wartete zuversichtlich eine neue Hera, nicht allein für das Land, das nach einer Lösung der Ver- 
faffungswirren und Hebung eines an Rußland erinnernden Drucks sich sehnte, sondern nament 
lich auch für Stuttgart, wo man immer Großes von dem Kronprinzen gehalten, erst vor kurzem, 
im Hpril 1816, feinen Einzug mit der ihm in Petersburg angetrauten Großfürstin Katharina, 
gleich freudig wie 1814 die Rückkehr des Siegers aus dem felde, gefeiert hatte. 
Doch weder das Land noch die Königsftadt sollte sofort ihre Wünsche ganz in Erfüllung 
gehen sehen. Zwar viel Lästiges und Gehässiges wurde alsbald abgestellt, der Volksnot in der 
teuren Zeit besser und nachhaltig durch heute noch blühende Einrichtungen gesteuert (Industrie 
schulen, städtisches Krankenhaus, allgemeine Sparkasse, Ktohltätigkeitsvereine mit Zentralleitung); 
es wurde Preßfreiheit gewährt, so daß nicht wenige neue Zeitungen entstanden, freilich auch 
teilweise rasch wieder untergingen; ein Curnplatj durfte durch einen Peftalozzifchüler errichtet 
werden u. f. f. Hber der Kampf um das Schmerzenskind Verfassung nahm unter der größeren 
freiheit eher schwierigere formen an. Man verstand sich unter dem steigenden Einfluß Klangen- 
heims immer weniger; ein ebenso gesinnungsreiner wie geistvoller Berater der Krone, der 
Geheimerat Lempp mußte sich von dem schroffen Hitrechtler Eberhard Georgii die freundfehaft 
aufkündigen lassen. Jm februar 1817 kam auf des Königs Wunsch freiherr vom Stein von 
feinem westfälischen Ruhesitz herauf nach Stuttgart. Er hatte in den ständischen Verhandlungen 
durch Verkehr mit Klangenheim, Cotta u. a. mildernd und versöhnend einzuwirken sich bemüht 
und war aus dem Wiener Kongreß dem Kronprinzen Wilhelm näher getreten, erwartete in ihm 
den künftigen deutschen Bundesfeldherrn. Jetzt fand er den König der Lage ganz gewachsen, 
die Stände aber sah er „auf dem Wege der Sophisterei wandeln und täglich mehr in der 
öffentlichen Meinung sinken", so daß man sich an eine vernünftigere Versammlung werde wenden 
müssen. Diese Notwendigkeit kam bald. Ein Volksauflauf vor dem Ständehaus und vor 
Wangenheims Wohnung am Poftplatz, 30. Hpril, mußte den König kränken, die Hblehnung
	        

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