©escbicbte der Stadt
seiner weit entgegenkommenden Vorschläge mußte ihn erbittern. So verbot er äenn am 4. Juni
den Ständen die Fortsetzung ihrer Beratungen, gewäbrte am g. dem Lande die in seinem Ver
fassungsentwurf enchaitenen Rechte und stellte im Laufe der nächsten Monate durch die heute
noch als musterhaft anerkannten eff Organisationsedikte die ganze Staatsverwaltung auf einen
neuen zeitgemäßen Loden. 6rst als die Metternichsche Reaktion mit dem Rarlsbader Rongreß
jede freiere Regung bedrokte, fanden fich Rönig und Stände überraschend schnell. Bin keines
wegs regierungsfreundlicher Landtag — von Stuttgart Rechtskonsulent Fleishaar — wurde im
Juli 1819, wegen Verzögerung des Raus eines Ständesaals, nicht nach Stuttgart, sondern nach
Ludwigsburg einberufen. Rald vertagt, damit beiderseitige Revollmächtigte einig würden, nahm
er am 23. September die Verfassung einstimmig an, worauf am 25. im Schloß zu Ludwigsburg
der feierliche Austausch der beiden Verfastungsurkunden stattfand, in Stuttgart am 29. Oktober
im tzofcheater (lhlands, des Oppolitionsmannes, Herzog Brnst von Schwaben aufgeführt wurde
mit einem Prolog des Dichters, der es preist, wie
„Witten in der wildverworrenen Test.
Bin fürst ersteht, vom eignen Geist bewegt,
Und reicht hochherzig seinem Volk die I)and,
Zum freien Bund der Ordnung und des Rechts."
Rönigin Ratkarins batte den erfreulichen Ausgang, der ikren Gemahl vollends zum popu
lärsten fürsten Deutschlands, in vieler Rügen zum künftigen Raiser machte, nicht erlebt, sie war
am 9. Januar ,819 nach einer Rrankbeit weniger Lage weggenommen worden, selbst von Lhlands
spröder Wuse als des Volkes Mutter mit Flärme gefeiert.
Aber nicht bloß die Politik, auch die städtischen Dinge gingen unter dem neuen Regiment
zunächst nicht so recht nach Flunsch. Bs fehlte nicht an Stimmen, welche Stuttgart, auch ab-
geseken davon, daß Rönig Flilbelm eine zeitlang ernstlich an die Verlegung der Residenz nach
Lannstatt gedacht bat, einen bedenklichen Rückgang in Aussicht stellten. Die Pracht des k)^fs,
welche so manche fremde berbeizog, so manchem Binheimischen Dakrung gab, sei verschwunden,
das Rönigspaar lebe schlicht bürgerlich in dem kleinen Landbaus Bellevue (unter dem jetzigen
Rosenstein), das Lheater babe seinen Glanz verloren, anlockende Institute wie die selbst von
einem Luvier bewunderte Menagerie, die sekenswerte Meierei, seien aufgeboben, die Radetten-
anstalt aufgelöst, das Invalidenbaus entfernt, ein großer Lest der Ranzleien, die Gerichtsböfe,
Rreisregierungen, finanzkammern auf das Land versetzt. „Allerdings", ist in Memmingers
Flürttembergischem Jabrbuch 1819 zu lesen: „Veränderungen, die einer Stadt webe tun können,
und wirklich wollten anfänglich auch Flirte und Gewerbsleute eine bedeutende Abnahme
ibres Dakrungsstandes verspürt kaben. Allein der Brfolg macht bereits die schlimmen Vorher-
sagungen zu schänden. Stuttgart blüht und blüht mehr als je. 6s nimmt in steigendem Ver
hältnis zu und sein Beispiel beweist, daß nicht Pracht und Verschwendung, sondern Fleisbeit,
Milde und Zwanglosigkeit den flor einer Hauptstadt befördern." folgt näheres über Deubauten,
Flasferleitung, Verschönerung und Erweiterung der Röniglichen Anlagen, hohe Preise der Bau
plätze, unmäßig hohe ^ausmieten u. dgl. „Flerden nun die neuen Institute, von welchen die Rede
ist, zustande kommen, so wird die Stadt gewiß noch ungleich mehr zunehmen. Das einzige,
was man wünschen muß, ist, daß die Stuttgarter nicht fortfahren möchten, so schlecht und arm
selig wie bisher zu bauen, und daß das Beispiel des Rönigs auch dem Privatbauwesen eine
andere Richtung geben möchte." Dieser Flunsch ist erst spät erfüllt worden, während der Rönig
selbst viel gebaut hat, wovon nachher zu reden sein wird.
84