<K- ©efcbiditc der Stadt -4»
lassung des liberalen Bundestagsgesandten v. (Gangenbeim, ein Opfer, das doch die Abberufung
der Gesandten Preußens, Oesterreichs und Rußlands vom Stuttgarter Hof, die schließlich Unter
werfung des Kleineren unter den Millen der Großmächte nicht binderte — dieser Gang der
Dinge in den Jahren 1820—1824 konnte unmöglich zur Befestigung des Bandes zwischen fürst
und Volk dienen. Und das, was in den ersten 1830er Jahren folgte, noch weniger: die Wirkung
der Julirevolution auf die Gemüter, neue liberale Zeitungen, Kampf gegen die Lebenslänglich
sten der Gemeinderäte, aber auch gegen die Beschlüsse des Bundestags über presse, Versammlungen
und Kammern; das Schwärmen für die flüchtigen Polen, wie zehn Jahre vorher für die Griechen;
des Stuttgarters Paul Pfizer „Briefwechsel zweier Deutschen“, in dem „ein echter Schwabe, ernst,
gedankenreich, voll dichterischer Phantasie und philosophischen Ciefsinns“, sich zum „Propheten
des neuen preußischen Reiches deutscher Ration“ auswarf; das stürmische Verlangen einer Ein
berufung des Landtags, in welchen 1833 von Stuttgart übland gewählt wurde, dem die Re
gierung den ürlaub verweigerte und als er um Entlassung von feiner Professur in Cübingen
bat, diese „sehr gerne“ erteilte; die Haltung dieses Landtags, der nicht bloß gegen den Bundes
tag Beschlüsse faßte, sondern auch für den dem König wichtigen Zollverein kein Verständnis
hatte; endlich die Koseritjfcbe Militär- und Studenten Verschwörung zum Zweck der Revolutio-
nierung Württembergs, woran auch Bürger Stuttgarts sich beteiligten und nach jahrelanger Unter
suchung, der Buchhändler frankh zu neun, Lithograph Malte zu sechs Jahren Zuchthaus, Gärtner
Eduard Schmidlin zu zehn-, Rechtskonsulent Cafel zu sechsmonatlicher festungsstrafe, verurteilt
wurden. Das alles lastete schwer auf dem König, der immer human und liberal zu regieren
überzeugt war. Hatte er im Sommer 1832 aus dem Seebad Livorno in einem Brief an den
Kriegsminister v. Hügel noch gescherzt, er hoffe in Stuttgart trotz Advokaten und Zeitungs
schreibern alles ruhig anzutreffen, so gedachte er im Winter 1833/34 ernstlich, die Residenz von
Stuttgart wegzuverlegen. Am 4. februar mußte der Gemeinderat bekanntmachen: der König
habe auf die von einem großen Ceil der Bürger unterzeichnete Adresse mit der Bitte, die Resi
denz in Stuttgart zu belassen, „die Gewährung davon abhängig gemacht, daß die Versuche, ün-
einigheit und Unruhe unter die Bürgerschaft zu verbreiten, aufhören. Wenn es nun im all
gemeinen schon den Pflichten eines ruhigen und wohlgesinnten Bürgers nicht entsprechen würde,
unter der Bürgerschaft eine politische Aufregung zu erwecken, oder an einer solchen teilzunehmen,
so dürfte es besonders bei einer Residenz, wo dieses die empfindlichsten Rachteile für die ganze
Stadt nach sich ziehen könnte, am wenigsten stattfinden. Jm Jnterefse der ganzen Stadt, deren
Glück und Wohlstand von Ruhe und Ordnung abhängt, wird diese allen Einwohnern aufs
eindringlichste empfohlen.“ üebrigens schenkte die Mehrzahl der Wähler auch nach der Auf
lösung des „vergeblichen Landtags“ sofort, 1833 und wieder 1836, dem unbeugsamen übland
ihr Vertrauen, bis er, als . die Opposition völlig aussichtslos im Winkel stand, 1838 mit Pfizer,
Albert Schott, Römer und Menzel sich nicht mehr wählen ließ.
Andere fragen und Sorgen traten in den Vordergrund: durch die Kriegsgelüste des fran
zösischen Ministerpräsidenten Chiers zunächst die Militärverfafsung des Bundes; zweimal, Ende
des Jahres 1840 und des Jahrs 1841, war der preußische Militärbevollmächtigte am Bundestag
v. Radowitj in Stuttgart wegen gemeinsamer Grundlage der Mobilisierung und wegen der
Bundesfestung ülm. Der amtliche deutsche Zollkongreß tagte hier 1842, gleichzeitig zahlreiche
deutsche Jndustrielle, die ihre auf Schutz gerichteten Anträge und Wünsche an jenen brachten. Jn
der Bürgerschaft begann eine Bewegung für Oeffcntlicbheit und Mündlichkeit im Gerichtsverfahren.
Rachdem König Wilhelm schon 1830 die frage der Erbauung von Eisenbahnen in Württemberg
angeregt, 1836 in Stuttgart und ülm Aktiengesellschaften zu diesem Zweck sich gebildet, 1839 die
5b