Einleitung
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Erzeugnissen seines Geistes weiteste Verbreitung wünschte, betrachteten
diese Chronisten ihre Werke meist als ihr oder der damit Beschenkten
„Eigenes", als „Geheimbücher", die sie, wenn sie sie überhaupt aus
der Hand gaben, nur Verwandten oder ganz zuverlässigen Freunden
zum Lesen oder Abschreiben liehen und ihrem Kloster oder, soweit
sie Weltliche waren, den Kindern und Enkeln als kostbares Erbstück
hinterließen 1 .
Die „Neuen" hingegen ließen sich an der Freude zur Sache, die
allerdings auch sie beseelte, und an dem Bewußtsein, ein nützliches
Werk geschaffen zu haben, nicht genügen, sondern wollten für ihre
Arbeit auch einen klingenden Lohn, und betrieben, um diesen zu ge
winnen, die Anfertigung von Chroniken und anderen „Histori-
büchern" zum Teil gewerbsmäßig, arbeiteten auf Bestellung oder
vervielfältigten die von ihnen hergestellten Handschriften und ver
kauften die Kopien an Liebhaber. Ja, am liebsten hätten sie als echte
Augsburger, die „auf jedem Weg" Geld zu machen versuchten, wenn
zu hoffen gewesen wäre, daß der Rat es gestatte, alles in den Druck
gegeben, worin ihnen anderwärts ja viele, die hierin freiere Hand
hatten, vorausgegangen.
Im übrigen aber stehen die genannten „neuen" Chronisten in
dem, was sie als solche geleistet, durchaus nicht auf gleicher Höhe.
Mail erscheint zumeist als Sammler, Schieß als Abschreiber und
Bearbeiter der Werke anderer, während Jäger, der neben seinen
übrigen Dienstleistungen auch vorübergehend als städtischer Archivar
„gebraucht" wurde, sich vor allem verdient machte als „Forscher", in
dem er mehr als irgendeiner seiner Vorgänger bei seinen Arbeiten
meist auf archivalische Quellen — Urkunden, Akten, Rechnungen, alte
Steuer-, Ungeld-, Leibgedingbücher, Missive, Ratsdekrete u. dgl. —
zurückgriff. Auch in der Darstellungsweise ging er über die überlieferte
Form öfter hinaus, indem er, angeregt von den alten Historikern —
römischen und griechischen —, die er in Übersetzungen kennen gelernt
hatte, an die Stelle rein chronikalischer Berichterstattung da und dort
eine Art Pragmatischer Erzählung treten ließ; so in seinem Zunftehren
buch und in dem Vogtbuch 1 2 . Überhaupt hat er als „Historicus" viel mit
den Humanisten gemein, betont gern den moralischen und politischen
1. Siehe z. B. die „Vorred" zur „Cronica alter vnd newer geschichten" von
Wilhelm Rem im V. Bd. der Augsb. Chron. S. 1 f.
2. S. zu diesen Arbeiten Dirr, I. c., S. 1 ff.