Einleitung
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Vorreden oder in Anhängen solche Parallelen zusammen, so daß Jäger
bei seinen „Abgleichungen" nichts Neues versuchte, sondern nur das,
was ziemlich allgemein üblich war, auf die Augsburger Verhältnisse
übertrug und näher ausführte. Selbst ein so geschichtskundiger Mann
wie Melanchthon erlaubte sich solche Parallelen und stellte z. B. das
deutsche Kurfürstenkollegium auf eine Stufe mit den sieben Stammes
häuptern der Perser oder dem spartanischen Ephorat, indem er dabei
daran erinnerte, daß die so häufig sich findende Nachahmung von heil
samen Einrichtungen früherer Zeiten und anderer Völker einer der
Beweise für die Lehrkraft der Geschichte sei? Was Jäger hier tat,
war also nichts so Absonderliches, wie man schon gemeint hat, und es
ist möglich, daß er die Anregung hierzu in Gesprächen mit seinem
Gönner Dr. Peutinger? erhalten, der sich ja, wie seine Schrift
öle UaZistratibuZ Romanorum zeugt, auch eingehend mit dem römi
schen Ämterwesen beschäftigt hat.
Zuerst nimmt Jäger die römischen Konsuln vor, deren Amt sich
nach seiner Meinung mit dem der Augsburger Bürgermeister deckte,
dann die Tribuni Plebis, die er schlechtweg Zunftmeister nennt. Daran
fügt sich ein längerer Abschnitt unter dem Titel: „Zu dem dritten
folget des römischen Rats Session." Hier wird erzählt, wie die Römer
an Stelle des Senats, der dem römischen Volk „umb alle Sach und
bürgerlich Händel Recht gesprochen", unter Abschaffung aller Ämter
„aus Fürwitz" zehn Männer, die das Recht auf zehn Tafeln verzeichnen
mußten, mit der gesamten Macht bekleidet haben, wie sich dann dieses
Dezemvirat zu einer abscheulichen Tyrannei ausgewachsen, bis das
Volk, empört über den anstößigen Liebeshandel des Dezemvirn
Appius Claudius, sich seiner und seiner Kollegen entledigt habe und zu
der früheren Verfassung reumütig zurückgekehrt sei. Ebenso haben auch,
führt er „abgleichend" aus, die Augsburger mehr als einmal Ver
änderungen in ihrer Verfassung vorgenommen, indem sie z. B. vor
Einführung der Zünfte vorübergehend Bürgermeister an die Stelle
der Stadtpfleger wählten. Das wichtigste aber sei, daß sich die Augs
burger schließlich „den freien Stand", wie er bei den Römern vor
und nach dem Dezemvirat gewesen, zum Vorbild genommen und
1368 für immer bei sich so eingerichtet, wie er jetzt (1544) noch be-
1. Wegele, Geschichte der deutschen Historiographie seit dem Auftreten des
Humanismus «München und Leipzig 1885), S. 202.
2. Über das Verhältnis Jägers zu Peutinger siehe Roth, Cl. Jäger, l. c.